Digitalisierung: Wi-Fi war gestern und Li-Fi ist morgen – Was sagt der Digitalrat?
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 11.11.2024
Antwort IT-Referentin Dr. Laura Dornheim:
In Ihrem Antrag wird die Stadtverwaltung gebeten, „dem Stadtrat darzustellen, welche Vorteile sich in den nächsten Jahren bei der Stadtverwaltung und ihren Gesellschaften durch Umstieg von Wi-Fi auf Li-Fi bieten würden, insbesondere in Hinblick auf Datensicherheit, Datenübertragungsgeschwindigkeit und Gesundheitsvorsorge. Hierbei wird auch der im Jahr 2024 gegründete Digitalrat um Beifügung einer Stellungnahme gebeten. Begründung:
Von der Landeshauptstadt München wurde im Januar 2024 ein Digitalrat gegründet *1, der gemäß § 1 Digitalratssatzung folgende Aufgaben hat:
1. Der Digitalrat bearbeitet in der Regel nach eigenem Ermessen selbständig identifizierte Themen und Problemstellungen. Dabei hat das Gremium das gesamte digitale Umfeld Münchens mit der Digitalisierungsstrategie im Blick und soll zu strategischen sowie zu operativen Themen und Herausforderungen Empfehlungen abgeben. Dabei kann es sich um konkrete Handlungsempfehlungen, um Stellungnahmen oder um Auskünfte handeln. Zusätzlich ist der Digitalrat Impulsgeber bei der Fortschreibung der städtischen Digitalisierungsstrategie.
2. Der Digitalrat unterstützt ferner die Kommunikation zwischen Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung bezüglich der Digitalisierung in der Landeshauptstadt München und ermöglicht eine öffentliche und fachliche Diskussion über Ziele und Kriterien der Digitalisierung innerhalb der Stadtgesellschaft. *2
Seit einigen Jahren macht im wichtigen Anwendungsbereich der drahtlosen Datenübertragung die Lichtwellentechnik (Li-Fi) als Alternative zur Funktechnik (Wi-Fi) große Fortschritte. Seit November 2023 ist sie nun als Erweiterung für WLAN im IEEE 802.11bb Standard für Massenmarkt-An- wendungen verfügbar. *3
Die Vorteile von Li-Fi gegenüber der Funktechnik sind evident: Eine größere Bandbreite, eine schnellere Übertragungsrate großer Datenmengen, größere Datensicherheit, da sie nicht durch Wände dringt, und ein Beitrag zur Gesundheitsvorsorge, da elektrosensible Menschen nicht ungewollt ständiger Funkstrahlung ausgesetzt werden.
Gerade in Bildungseinrichtungen aber auch in Büros könnte Li-Fi daher die Technik der Zukunft sein und als Ergänzung zum Glasfaser-Kabel die bisherigen, teils ohnehin mangelhaften Mobilfunknetze und WLAN-Netze auf Funkwellenbasis zumindest im Innenraumbereich wo immer möglich ablösen. Wie wäre es, wenn die Landeshauptstadt München hier an der Spitze von Innovation und Fortschritt steht?
Im letzten Jahr erhielt der aus Bayern stammende Erfinder Harald Haas laut Tagesschau den Europäischen Erfinderpreis für die Entwicklung von Li-Fi. *4
Das deutsche Fraunhofer-Institut ist führend in der Anwendungsfor- schung zu Li-Fi. *5
Somit würde die LH München mit Nutzung der Technik auch einen regionalen Akzent in der globalisierten Welt setzen. Gleichwohl sind auch international tätige Unternehmen bereits in den Markt eingestiegen, wie z.B. mit Trulifi. *6
Dabei wurde nach Internetberichten auch schon erfolgreich die Anwendungen an Schulen umgesetzt, unter anderem 2020 im Main-Kinzig-Kreis *7, 2021 in Rom *8 und 2022 in Berlin *9. Ein von der mobilfunkkritischen Initiative Diagnose Funk e.V. beauftragter Physiker kam 2020 in einer Studie zur Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen von Li-Fi zu dem Ergebnis: ‚Wenn technische Bedingungen eingehalten werden, vor allem in Bezug auf die Minimierung des Blaulichtanteils von LED-Licht und die Vermeidung gesundheitsbelastender Flimmerfrequenzen, ist VLC/Li-Fi (Überbegriff Optical Wireless Communication (OWC)) für den Menschen nach heutigem Stand des Wissens biologisch verantwortbar.‘“ *10
*1 https://muenchen.digital/projekte/digitale-teilhabe/digitalrat.html
*2 Satzungsbeschluss vom Juli 2024, siehe Sitzungsvorlage 20-26/V 13657, unter: https://risi.muenchen.de/risi/sitzungsvorlage/detail/8472701?dokument=v8488830
*3 https://de.wikipedia.org/wiki/Li-Fi; https://standards.ieee.org/ieee/802.11bb/10823/
*4 https://www.tagesschau.de/wissen/technologie/lifi-wifi-erfinderpreis-100.html
*5 https://www.hhi.fraunhofer.de/abteilungen/pn/forschungsgruppen/optische-metro-zugangs-und-inhausnetze/light-communication-was-ist-lifi.html
https://www.ipms.fraunhofer.de/de/Components-and-Systems/Components-and-Systems-Data-Communication/Li-Fi-Data-Communication.html
*6 https://www.signify.com/de-de/innovation/trulifi/what-is-trulifi
*7 https://www.youtube.com/watch?v=8KH6FHuVa6M
https://www.hhi.fraunhofer.de/news/nachrichten/2020/fraunhofer-hhi-installiert-lifi-system-in-berufsschule-im-main-kinzig-kreis.html
*8 https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail?newsid=1723
*9 https://www.signify.com/de-de/our-company/news/press-releases/2022/20221012-berlin-school-relies-on-trulifi-technology-from-signify
*10 https://www.diagnose-funk.org/download.php?field=filename&id=469&class=DownloadItem, unter: https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail?newsid=1723
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.Der Digitalrat hat hierzu umfassend Stellung bezogen und kommt zu dem Schluss: „Derzeit stellt Li-Fi bestenfalls eine Nischentechnologie dar. Erste kommerziell vertriebene Produkte sind verfügbar, jedoch ist eine nennenswerte Verbreitung zum gegenwärtigen Stand nicht gegeben. Ein Ersatz von Wi-Fi durch Li-Fi erscheint daher an Orten mit Kunden*innenverkehr und keiner strikten Kontrolle über die verwendeten Hardware sowohl kurz- als auch mittelfristig nicht möglich.“
Im Punkt Datensicherheit relativiert der Digitalrat die Annahme, dass die Li-Fi-Technologie eine höhere Datensicherheit gewährleistet: „Da bei Li-Fi die Kommunikation mit sichtbarem Licht erfolgt, lässt sich mit dem bloßen Auge feststellen, dass keine Daten den Raum verlassen, wenn man sich davon überzeugt, dass der Raum komplett nach außen verdunkelt ist. Nur der Umstand, dass ein Wi-Fi-Netzwerk betrieben wird, lässt sich schwerer geheim halten.“
Hinsichtlich praxistauglicher Datenübertragungsgeschwindigkeit attestiert der Digitalrat Li-Fi keine überwiegenden Vorteile: „Hier sind im Vergleich der kommerziell verfügbaren Geräte keine deutlichen Vorteile in der einen oder anderen Richtung zu erkennen. Bei größerer Zahl der Endgeräte im Netz könnte Wi-Fi überlegen sein.“
Auch in Fragen verbesserter Gesundheitsvorsorge kann der Digitalrat keine wissenschaftlichen Belege identifizieren: „Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz für die Existenz nicht-thermischer biologischer Wirkungen unterhalb der Grenzwerte. Etwa ein Prozent der Bevölkerung bezeichnen sich selbst als elektrosensibel. Die von den Betroffenen vermuteten Zusammenhänge konnten jedoch nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Internationale Studien zeigen einheitlich, dass elektromagnetische Felder von Personen, die sich als elektrosensibel bezeichnen, nicht wahrgenommen werden können und auch nicht ursächlich mit den vorhandenen gesundheitlichen Beschwerden zusammenhängen(Bundesamt für Strahlenschutz, https://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/hff-diskutiert/hff-diskutiert_node.html abgerufen am 13.11.2024).
Durch eine Abschaltung von Wi-Fi-Netzwerken kann also auch keine Verbesserung der Gesundheitsvorsorge jenseits des Nocebo-Effekts erwartet werden. Es gibt also keinerlei Evidenz für einen objektivierbaren Vorteil bei einem Wechsel von Wi-Fi zu Li-Fi aus Sicht der Gesundheitsvorsorge.“
Die vorhandene optische WLAN-Technologie Li-Fi zeigt zwar vielversprechende Ansätze, jedoch ist sie aktuell noch nicht ausreichend ausgereift,um die spezifischen Anforderungen unserer Besprechungsräume und z.B. Klassenzimmer zu erfüllen.
Insbesondere die begrenzte Reichweite, die Empfindlichkeit gegenüber Hindernissen sowie die Notwendigkeit einer direkten Sichtlinie zwischen Sender und Empfänger stellen wesentliche Herausforderungen dar, die eine zuverlässige Nutzung in unseren Räumen erschweren.
Wir folgen mit unserer Entscheidung, den Vorschlag gegenwärtig abzulehnen, den Einschätzungen des Digitalrats sowie einer umfassenden Bewertung technischer Standards und spezifischer Anforderungen, die für unsere Räume notwendig sind. Uns ist bewusst, dass Li-Fi-Technologien zukunftsweisend sind, und wir werden die Entwicklungen in diesem Bereich weiterhin aufmerksam beobachten. Trotz der aktuellen Einschränkungen möchten wir versichern, dass wir bestrebt sind, neue und innovative Lösungen zu berücksichtigen, sobald diese praktikabel und zuverlässig sind.
Wir danken Ihnen für Ihre Initiative und Ihre Bemühungen, zur Verbesserung unserer Arbeitsumgebung beizutragen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.