Übergangspflege bei der München Klinik
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sabine Bär, Alexandra Gaßmann, Ulrike Grimm und Rudolf Schabl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 28.1.2025
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
In Ihrer Anfrage führen Sie aus:
„Seit dem Jahr 2021 besteht für Patientinnen und Patienten unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf die so genannte Übergangspflege im Krankenhaus. Gemäß § 39e Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ‚werden Leistungen der Übergangspflege im Krankenhaus von den Krankenkassen erbracht, wenn im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 40 SGB V oder Pflegeleistungen nach SGB XI nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden können.‘
Angesichts der unbestreitbaren Lücken in der Versorgung mit Kurzzeitpflegeplätzen und häuslicher Krankenpflege, die inzwischen bedauerlicherweise auch in München herrschen, ist die Bereitstellung dieser Übergangspflege vor allem für alleinstehende Patientinnen und Patienten ganz besonders wichtig.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet.
Gesetzlich Versicherte haben nach einer Krankenhausbehandlung in dem Krankenhaus oder einem anderen Standort desselben Krankenhausverbunds, in dem sie behandelt wurden, Anspruch auf Übergangspflege nach § 39e Sozialgesetzbuch (SGB) V, wenn die Anschlussversorgung nicht oder nur unter erheblichem Aufwand sichergestellt werden kann, das heißt, wenn nach dem Krankenhausaufenthalt keine häusliche Krankenpflege, keine medizinische Rehabilitation, keine Kurzzeitpflege oder keine vollstationäre Pflege verfügbar sind. In solchen Fällen gewähren Krankenversicherungen für höchstens zehn Tage Übergangspflege im Krankenhaus. Sie umfasst die pflegerische Grundversorgung, die aktivierende Pflege, also Maßnahmen, die den Betroffenen helfen, soviel Selbständigkeit wie möglich zurückzugewinnen, Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Unterkunft und Verpflegung sowie bei Bedarf im Einzelfall die ärztliche Behandlung. Zur Übergangspflege gehört auch die Organisation des Übergangs zwischen stationärer und ambulanter Versorgung (Entlassmanagement). Inwiefern auch Privatversicherte einen solchen Anspruch haben, ist abhängig von den individuellen vertraglichen Vereinbarungen.Die in Ihrer Anfrage aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahme der München Klinik gGmbH wie folgt:
Frage 1:
Wie viele Krankenhäuser in München bieten diese Übergangspflege in welcher Form an? Bietet die München Klinik gGmbH (MüK) an allen Standorten eine Übergangspflege an?
Antwort:
Die Übergangspflege im Krankenhaus kann grundsätzlich innerhalb abgetrennter organisatorischer Einheiten des Krankenhauses oder durch in die Krankenhausorganisation eingestreute Betten, das heißt auf den Stationen der allgemeinen Krankenhausbehandlung angeboten werden. Das Gesundheitsreferat hat Ende 2024 eine freiwillige Umfrage unter den Münchner Kliniken zur Übergangspflege im Krankenhaus durchgeführt. Der Betrachtungszeitraum dabei war das Kalenderjahr 2023. Unter den 21 teilnehmenden Kliniken haben zwei eine Übergangspflege angeboten, jedoch während des gesamten Betrachtungszeitraums keine Inanspruchnahme verzeichnet.
Die MüK bietet laut ihrer Stellungnahme keine Übergangspflege gemäß § 39e SGB V an.
Frage 2:
Wie oft wird die Übergangspflege nachgefragt? Wie oft kann sie gewährt werden, wie oft muss sie abgelehnt werden?
Antwort:
Über die in Frage 1 bereits beschriebene Situation an den Münchner Kliniken hinaus liegen dem Gesundheitsreferat derzeit keine Erkenntnisse über Nachfrage bzw. Bewilligung von Übergangspflege vor. Eine umfassende und differenzierte Analyse von Umsetzung und Wirkung der Übergangspflege lässt das mit Mitteln des Innovationsfonds geförderte Projekt „ÜberPflege – Pflegezentriert gestaltete Übergangspflege im Krankenhaus zur Reduzierung von Nachsorgeengpässen im Anschluss einer stationären Behandlungsbedürftigkeit im Rahmen des Entlassmanagements“ erwarten. Die Laufzeit des Projekts endet im November 2026. Das Gesundheitsreferat begleitet das Projekt, in dem es ein Mitglied in dessen Beirat stellt, und wird dem Stadtrat in Abstimmung mit dem Sozialreferat darüber berichten.
Die MüK verweist bei dieser Frage auf ihre Antworten auf die Fragen 1 und 4.
Frage 3:
Was tut die MüK, um die Möglichkeit einer Übergangspflege bei den Patientinnen und Patienten bekannt zu machen?
Antwort:
Die MüK verweist auf ihre Antwort auf Frage 4.
Frage 4:
Für diejenigen Krankenhäuser, die die Übergangspflege nicht anbieten: Warum wird die Übergangspflege nicht angeboten, obwohl sie eine verpflichtende Leistung ist?
Antwort:
Zu dieser Frage nimmt die MüK wie folgt Stellung:
„Die München Klinik als Krankenhaus der Maximalversorgung bietet keine klassische Übergangspflege im Sinne von § 39e SGB V an. Der primäre Versorgungsauftrag der München Klinik liegt in der Behandlung akutstationär behandlungspflichtiger Patientinnen und Patienten. Angesichts der ohnehin beschränkten Bettenkapazitäten würde ein zusätzliches Angebot von Kurz- oder Übergangspflege zu Lasten der Kapazitäten im akutstationären Bereich gehen. Die München Klinik trägt dennoch Sorge für all ihre Patientinnen und Patienten mit einer guten Entlassung durch eine gut funktionierende Abteilung Entlassmanagement, zu der auch der Sozialdienst und die Pflegeüberleitung gehören.
Das Entlassmanagement bietet den Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen Beratung und konkrete Unterstützung bei Fragen und Problemen an, die sich im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung im Laufe des Klinikaufenthalts und vor allem in Bezug auf die weitere Versorgung nach dem stationären Aufenthalt ergeben können. Zusammen mit behandelnden Ärztinnen und Ärzten, der zuständigen Pflege und dem Sozialdienst wird rechtzeitig die Entlassung der Patientinnen und Patienten vorbereitet und geplant. Dies ist möglich durch einen gut funktionierenden Sozialdienst und ein mit allen Behandelnden gut abgestimmtes Entlassmanagementkonzept.
Somit gibt es auch im Rahmen des Medizinkonzepts MüK 20++ (Anm.: dem Zukunftskonzept der MüK) keine Neuerungen.“
Als Begründung dafür, dass zum Befragungszeitpunkt keine Übergangspflege gemäß § 39e SGB V angeboten wurde, wurden von weiteren Klinikvertreter*innen in der 2024 durchgeführten Umfrage unter anderem eine nicht kostendeckende Finanzierung, der hohe Dokumentationsaufwandund fehlende Kapazitäten (Pflegekräftemangel und Räumlichkeiten) angeführt. Mehrere Kliniken gaben zudem eine fehlende Nachfrage als Hauptgrund an, die sich demnach einerseits aus einem besonderen Patientenklientel (z.B. vorwiegend elektive Behandlungen) sowie andererseits aus den hohen gesetzlichen Hürden ergibt, welche an die Übergangspflege gestellt werden, wie eine zuvor dokumentierte Abfrage von mindestens 20 Leistungserbringer*innen vorrangiger Versorgungsangebote (z.B. Rehabilitations- oder Kurzzeitpflegeeinrichtungen oder teilstationäre, vollstationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen). Einige dieser Kliniken gaben an, deswegen über funktionierende Netzwerke mit solchen Leistungserbringer*innen zu verfügen, welche im Regelfall eine Versorgung außerhalb der Übergangspflege im Krankenhaus ermöglichen, sodass aus ihrer Sicht in der Praxis kein relevanter Bedarf bestehe. Da die Umfrageergebnisse aufgrund der Teilnahmequote von 49% nicht repräsentativ waren, kann diese Aussage sicherlich nicht verallgemeinert werden.
Die Übergangspflege nach § 39e SGB V ist bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen eine verpflichtende Leistung der gesetzlichen Krankenkassen, nicht jedoch der Krankenhäuser. Insofern bleibt es diesen selbst überlassen, ob sie eine Übergangspflege anbieten oder im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Entlassmanagements anderweitig die notwendige Nachversorgung der Patient*innen sicherstellen.
Aktuell wurden die Rahmenbedingungen der Übergangspflege gemäß § 39e SGB V durch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) dahingehend geändert, dass künftig Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (SÜV) die Übergangspflege grundsätzlich auch ohne die vorherige Ausschöpfung vorrangiger Versorgungsformen, beispielsweise der medizinischen Rehabilitation gemäß § 40 SGB V oder häuslichen Krankenpflege, erbringen dürfen. Damit hat der Gesetzgeber bereits Handlungsbedarf erkannt und kurzfristig nachjustiert. Derzeit wird mit der Ausweisung erster SÜV in Bayern ab 2026 gerechnet. Das Gesundheitsreferat geht davon aus, dass damit auch ein vermehrtes Angebot der Übergangspflege verbunden sein wird, und wird diesen Prozess weiterhin engmaschig analysieren.