Wie energiesparsam sind Passivhäuser in Wirklichkeit?
Anfrage Stadträte Dr. Georg Kronawitter und Josef Schmid (CSU-Fraktion) vom 28.1.2014
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 28.01.2014 haben Sie gemäß § 68 der Geschäftsordnung des Stadtrates der Landeshauptstadt München (GeschO) folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
Mit Schreiben vom 12.02.2014 wurde um Fristverlängerung bis Ende Februar gebeten, da die Stellungnahmen von GEWOFAG, GWG München
und dem Referat für Gesundheit und Umwelt noch ausstanden. Diese Verlängerung wurde gewährt.
Mit Schreiben vom 28.02.2014 wurde erneut um Fristverlängerung gebeten, da die Bearbeitung Ihrer Anfrage weiteren Rechercheaufwand erforderte. Auch diese Fristverlängerung bis Ende des II. Quartals 2014 wurde gewährt.
Ihre Anfrage vom 28.01.2014 leiten Sie wie folgt ein:
„Nicht zuletzt bei Diskussionen über Fördertatbestände spielt im Stadtrat die Energieeffizienz von Häusern eine wichtige Rolle. Im Grunde stehen sich hier dann zwei Grundpositionen gegenüber: ‚viel bringt immer viel’ gegenüber ‚wo bekommen wir pro Förder-Euro die größte Energieeinsparung?’.
Nun meldet sich in einem Beitrag für den Verband der Wohnungswirtschaft Bayern (VdW) in ZdW Bay 6/2013 S. 244-249 der Verbandsdirektor Xaver Kroner mit sehr kritischen Äußerungen zur Überforderung der Mieterschaft durch technisch komplexe Neubauten. Er stellt hier beispielhaft fest, dass bei Passivhäusern der tatsächliche Energieverbrauch kaum besser als bei Niedrigenergiehäusern sei. Ein Hauptgrund sei, dass sich viele Menschen erst bei 23 Grad und nicht bei 20 Grad wohl fühlten und dies zu einem nicht vorgesehenen Heizzusatzverbrauch führen würde. Alles in allem habe eben das Nutzerverhalten einen weit größeren Einfluss auf den Energieverbrauch, als viele wahrhaben wollten.“Vor diesem Hintergrund stellen Sie folgende Fragen:
Frage 1:
Welche konkreten Erfahrungswerte liegen der Stadt und ihren Wohnungsgesellschaften zum tatsächlichen Energieverbrauch in Geschosswohnungsbauten auf Passivhausbasis vor?
Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung möchte zu Beginn der Antwort auf grundsätzliche Aspekte der Passivhausbauweise hinweisen:
Der Passivhausstandard zeichnet sich durch einen extrem niedrigen Heizwärmebedarf des Gebäudes (max. 15 kWh/m²a) und durch einen ebenso geringen Kennwert für den Primärenergiebedarf von max. 120 kWh/m²a inklusive Haushaltsstrom aus. Grundsätzlich ist beim Vergleich von Passivhäusern und Niedrigenergiehäusern und deren Energiekennwerten zu berücksichtigen, dass sich die Berechnungsverfahren nach dem für Passivhäuser anzuwendenden „Passivhaus Projektierungspaket (PHPP)“ des privaten Passivhausinstitutes in Darmstadt und nach der öffentlichrechtlichen Energiesparverordnung (EnEV) für Niedrigenergiehäuser deutlich unterscheiden. So fließt in das PHPP-Verfahren die Netto-Wohnfläche ein und die Begrenzung des Haushaltsstroms, wohingegen nach EnEV die Gebäudenutzfläche angesetzt wird und der Haushaltsstrom keine Berücksichtigung findet. Die Energiekennwerte können somit nur hinweislich betrachtet und nicht unmittelbar verglichen werden, sofern sie nicht rechnerisch auf einheitlichen Parametern basieren.
Zudem ist im Gegensatz zum Passivhaus-Standard der Begriff Niedrigenergiehaus nicht eindeutig definiert. Im Grunde handelt es sich hier um einen unbestimmten Standard, der lediglich die gesetzlichen Vorgaben der EnEV unterschreitet. So könnten beispielsweise sämtliche KfW Effizienzhaus-Standards (KfW EH 70, KfW EH 55, KfW EH 40) als Standards für Niedrigenergiehäuser bezeichnet werden, obwohl sie untereinander deutlich differieren.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat hierzu Experten vom Passivhausinstitut Darmstadt befragt. Nach Auskunft von dort liegen gemessene Werte des jährlichen Heizwärmebedarfes bei zertifizierten Passivhäusern sehr zuverlässig und nahe in den zuvor berechneten Bereichen (d.h. kleiner als 15 kWh/m²a). Belegt wird das u.a. durch die Untersuchun-gen (Monitoring), die das Passivhausinstitut durchgeführt hat. Als Beispiele sind hier die Projekte Hannover-Kronsberg, Frankfurt-Bockenheim, Hamburg Pinnasberg und das Lodenareal in Innsbruck zu nennen. Die Untersuchungen sind teilweise im Internet abrufbar, für das Lodenareal in Innsbruck hat das Passivhausinstitut die Untersuchung direkt zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse werden bei der Antwort zu Frage 2 vorgestellt.
Das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) hat zu Frage 1 u.a. mitgeteilt:
Dem RGU liegen neben den Erfahrungswerten zum tatsächlichen Energieverbrauch aus anderen deutschen Kommunen (Frankfurt und Nürnberg; hier aber v.a. Nichtwohnungsbau in Passivhausbauweise) unterschiedliche Auswertungen und Studien zum tatsächlichen Energieverbrauch von Passivhäusern im Geschosswohnungsbau aus Österreich vor. Das Nachbarland kann bereits auf vergleichsweise viele Projekte und lange Erfahrungswerte im Passiv- bzw. Niedrigenergiehausbau von Mehrfamilienhäusern zurückgreifen.
Drei Studien werden im Folgenden kurz vorgestellt:
Studie 1:
„Nachhaltigkeits-Monitoring ausgewählter Passivhaus-Wohnanlagen in Wien, Projekt NaMAP“, Wien, Dezember 2009, Prof. Dr. Treberspurg/Smutny, im Auftrag der Wiener Wohnbauforschung.
Umfang der Studie/Datengrundlage: Analyse von 10, seit mindestens zwei Jahren bewohnten Wohnanlagen in Passivhausbauweise in Wien und Vergleich mit entsprechenden Wohnanlagen in Niedrigenergiebauweise aus derselben Errichtungszeit.
Das Energiemonitoring umfasst 1.367 Wohnungen, davon 492 im Passivhausstandard.
Ziel: Wissenschaftliche Evaluierung von Nutzerzufriedenheit, Energieperformance und Klimaschutzbeitrag.
Die Studie beinhaltet eine Analyse, ob großvolumige Passivhäuser im geförderten Wohnbau entsprechend der Planung funktionieren und die Komfortbedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner erfüllen. Es sollen soziale und ökologische Nachhaltigkeitsaspekte sowie die Vor- und Nachteile des Passivhausstandards für den sozialen Wohnbau anhand von quantitativen und qualitativen Indikatoren wissenschaftlich evaluiert werden. Neben anderen Faktoren und Werten wurde auch der tatsächliche Heizwärmeverbrauch der Passivhäuser im Vergleich zu Niedrigenergiehäusern untersucht.Studie 2:
„Betriebskosten- und Wartungskostenvergleich zwischen Passivhäusern und Niedrigenergiehäusern“, Wien, Juli 2011, Schöberl/Hofer, im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologien.
Umfang der Studie/Datengrundlage: 10 Passivhäuser und 8 Niedrigenergiehäuser, jeweils als mehrgeschossige Wohnbauten und Einfamilienhäuser. Die 5 Passiv-Mehrfamilienhäuser verfügen über insgesamt 329 Wohnungen und rund 24.500 m² beheizte Wohnnutzfläche.
Ziel: Gegenüberstellung der tatsächlichen Betriebs- und Wartungskosten von Passiv- und Niedrigenergiehäusern.
Studie 3:
„Wohnkomfort und Heizwärmeverbrauch im Passivhaus und im Niedrigenergiehaus“, Vorarlberg, März 2013, Forschungszentrum Nutzerzentrierte Technologien der Fachhochschule Vorarlberg/Innsbrucker Wissenschaftsunternehmen alpS GmbH, im Auftrag der Rhomberg Bau GmbH (privates Bauunternehmen).
Umfang der Studie/Datengrundlage: Ein Gebäude in Passivhausbauweise (19 Wohnungen) und ein Gebäude in Niedrigenergiebauweise (21 Wohnungen) wurden über einen Zeitraum von 34 Monaten untersucht. Erfassung der realen Heizwärmeverbräuche.
Ziel: Vergleich Passivhaus zum Niedrigenergiehaus hinsichtlich Energieund Ressourcenverbrauch und menschlichem Empfinden.
Die Ergebnisse der drei Studien werden unter Antwort zu Frage 3 näher dargestellt.
Die GWG München hat zur Anfrage u.a. Folgendes mitgeteilt:
Die GWG München setzt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Frage auseinander, welches Maß der Energiestandards bei Neubau wie bei Modernisierung sinnvoll, zielführend und letztlich wirtschaftlich ist. Aus diesem Grund hat die GWG München Neubauten in unterschiedlichen Standards erstellt, um auf diesem Wege Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Akzeptanz bei den Nutzerinnen und Nutzern zu erhalten. Nachfolgend werden die Erkenntnisse vorgestellt:
- Passivhaus
Die GWG München hat im Jahr 2010 mit dem Neubau eines Passivhauses als Geschosswohnungsbau im Harthof begonnen und dieses zum01.10.2011 zur Erstvermietung fertiggestellt. Die aktuellen Erfahrungswerte beziehen sich alle auf die Auswertung der Verbrauchswerte aus dem Jahr 2013. Es zeigt sich sehr deutlich, dass der tatsächliche Bedarf an Heizenergie den theoretischen Berechnungen weitgehend folgt:
Soll-Wert 15 kWh/m²a und Ist-Wert 16,54 kWh/m²a.
Da bei einem Passivhaus jedoch die Beheizung über die Lüftungsanlage erfolgt, muss aus unserer Sicht in der Betrachtung auch der Betriebsstrom der Lüftung mit berücksichtigt werden. Dieser beläuft sich auf nicht unerhebliche 10,19 kWh/m²a, so dass in der Summe für das Passivhaus 26,73 kWh/m²a Gesamtverbrauch zu Buche stehen.
- Niedrigenergiehaus nach KfW Effizienzhaus 70 Standard
Im Vergleich ergeben sich bei einem Standardneubau (Niedrigenergiehaus KfW Effizienzhaus 70 nach EnEV 2009, entsprechend dem Münchner Gebäudestandard nach FES) mit geförderten Geschosswohnungen gleichen Baujahrs auch im Harthof folgende Vergleichswert:
Verbrauchswert Heizung 48,10 kWh/m²a.
Der Standard für die Gebäudehülle sollte aus Sicht der GWG München auf den KfW Effizienzhaus 70 Standard bezogen werden, da dieser Standard völlig ausreicht, um hervorragende Ergebnisse bei der Energieperformance der Gebäude zu erzielen und wirtschaftlich gerade tragbar ist. Der Passivhausstandard ist aus Sicht der GWG München teuer herzustellen, kompliziert in der Anlagentechnik und für die Mieterinnen und Mieter nicht einfach zu handhaben. Eine Mieterin oder ein Mieter mit wenig Technikverständnis wird aus Sicht der GWG München leicht überfordert sein.
Die GEWOFAG Holding GmbH hat uns zu Ihrer Anfrage folgende Stellungnahme übermittelt:
Derzeit liegen der GEWOFAG noch keine konkreten Erfahrungswerte bezüglich des tatsächlichen Energieverbrauchs von Passivhäusern im Geschosswohnungsbau vor.
Die GEWOFAG hat ihr erstes Passivhaus am Piusplatz Ende 2012 errichtet. Die letzten Arbeiten wurden im Frühjahr 2013 abgeschlossen. Zur Evaluierung des Energieverbrauchs dieses neu gebauten Passivhauses wurde Mitte 2013 ein Sachverständigenbüro beauftragt.
Ziel der Evaluierung ist die Auswertung des tatsächlichen Energieverbrauchs in Bezug auf das Mieterverhalten. Die Ausstattung des Gebäudes mit den hierfür notwendigen Messinstrumenten wurde 2013 vorgenommen. Um eine konkrete Aussage auf die gestellten Fragen treffen zukönnen, ist eine Auswertung über mindestens eine Heizperiode notwendig. Daher sollte der Abschluss der Evaluierung Ende 2014 abgewartet werden.
Frage 2:
Wie groß ist das Wertespektrum (in kWh pro Quadratmeter und Jahr)?
Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung führt zu den unter Frage 1 zitierten Untersuchungen des Passivhausinstitutes und zu den gemessenen Werten der einzelnen Projekte Folgendes aus:
Hannover-Kronsberg
Die Passivhaussiedlung besteht aus 32 Reihenhäusern in Passivbauweise. Die Siedlung wurde 1998 errichtet. Es handelt sich um die erste Passivhaussiedlung mit einer Wärmeversorgung über reine Zuluftnachheizung. Nur im Badezimmer befindet sich noch ein Heizkörper, um kurzzeitig höhere Raumlufttemperaturen (24° C) ermöglichen zu können.
Im Mittel werden 13,3 kWh/m²a bei einer mittleren Innentemperatur von 22° erreicht.
Gemessen wurden diese Werte in dem Jahreszeitraum von 01.05.2001 bis zum 30.04.2002.
Frankfurt-Bockenheim, Grempstraße
Das Objekt umfasst 2 Gebäude mit insgesamt 1.842 m² Wohnfläche. Als Besonderheit ist hier zu nennen, dass eine Wohnfassade mit den großen Fensteröffnungen nach Norden orientiert ist. Üblicher weise sind Passivhäuser mit der Wohnfassade nach Süden orientiert, um solare Gewinne zu optimieren, dies war hier aufgrund der städtebaulichen Situation nicht zweckmäßig.
Die Wärmezufuhr in den Wohnungen erfolgt über ein Zuluftnachheizregister – das Zuluftnetz ist damit zugleich Wärmeverteilnetz. Im Bad gibt es einen kleinen Zusatzheizkörper.
Im Mittel werden im Hausteil B 14,5 kWh/m²a bei einer Innentemperatur von 20° erreicht.
Im Hausteil A (südorientiert) wurde ein Heizwärmeverbrauch von 10,5 kWh/m²a gemessen.
Der Messzeitraum war hier vom 01.06.2003 bis 31.05.2004.Hamburg, Pinnasberg 27
Das Objekt in Hamburg war zum Zeitpunkt der Erstellung im Jahr 2003 das Passivhaus mit den meisten Geschossen in Deutschland. Es verfügt über 8 Ober- und 3 Untergeschosse mit zwei TG-Ebenen mit 46 Stellplätzen, darin enthalten sind 19, zum Teil barrierefreie Wohnungen auf insgesamt 1.491 m² Wohnfläche. Errichtet wurde es im sozialen Wohnungsbau. Beheizt wird das Gebäude durch einen zentralen Gasbrennwertkessel (12 bis 61 kW), Luftheizung mit wohnungsweisem Zuluftnachheizregister und zwei hydraulischen Zusatzheizkörpern für jede Wohnung in Bad und Wohnraum, die in der Regel jedoch nicht benötigt werden.
Im Mittel werden 21,2 kWh/(m²a) bei einer mittleren Innentemperatur von 21,6° erreicht, was über dem für Passivhäuser zulässigen Wert von 15 kWh/(m²a) liegt. Der Unterschied zum prognostiziertem Wert von 12,9 kWh/(m²a) wird im Wesentlichen durch die höheren Raumtemperaturen und verschiedenen baulich bedingten Wärmeverlusten begründet.
Lodenareal, Innsbruck
Auf dem Gebiet des ehemaligen Lodenareals in Innsbruck wurde die Passivhauswohnanlage Lodenareal errichtet. Die Wohnungen wurden Ende 2009 bis Anfang 2010 bezogen. Bei der Anlage handelt es sich um die zum Errichtungszeitpunkt größte Passivhausanlage Österreichs, welche von der Neuen Heimat Tirol errichtet wurde und 354 Mietwohnungen umfasst. Die Wohnanlage besteht aus 4 Gebäuden mit L-förmigem Grundriss. Für jedes Treppenhaus der Wohnanlage wurde eine Lüftungsanlage installiert. Die Luftvorwärmung bzw. -vorkühlung erfolgt über zwei Grundwasserbrunnen. Ein Kreuz-Gegenstromwärmetauscher sorgt für die Er wärmung der Frischluft.
Es werden 13,59 bis 14,55 kWh/m²a bei einer mittleren Innentemperatur von 23,65° erreicht.
Das Referat für Gesundheit und Umwelt teilt zu Frage 2 u.a. mit: Das Spektrum in kWh/m²a der unterschiedlichen tatsächlichen Heizwärmeverbräuche der unter Frage 1 genannten Auswertungen und den genannten Datengrundlagen geht von 15 kWh/m²a bis 39,9 kWh/m²a, wobei die 15 kWh/m²a die Mindestanforderung des für den Passivhausstandard erforderlichen Energiekennwerts darstellt.
Grundsätzlich ist zu diesem Thema zu sagen, dass Abweichungen zwischen den berechneten Bedarfswerten und den im Alltag gemessenen
Wärmeverbrauchswerten absolut üblich sind und alle energetischen Gebäudestandards betreffen, also nicht auf die Passivhausbauweise be-schränkt sind. Die Größe der Abweichungen hängt unter anderem von der Qualität der Planung, der Bauausführung und vom Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner ab. In Mehrfamilienhäusern (ab 4 - 5 WE) gleichen sich allerdings Energiesparer und Energieverschwender im allgemeinen aus, so dass hier als maßgeblicher Faktor auf Dauer die Sorgfalt bei der Bauausführung und der fachgerechte Betrieb der Anlagentechnik (Heizung und Lüftung) übrig bleiben. Passivhäuser bieten per se beste Voraussetzungen für einen sehr niedrigen individuellen und gebäudebezogenen Wärmeverbrauch und entsprechend niedrige CO
2-Emissionen.
Frage 3:
Wie verhalten sich diese Verbrauchswerte nach 1) zur Situation bei vergleichbaren Niedrigenergiehäusern?
Antwort:
Das Referat für Gesundheit und Umwelt und das Referat für Stadtplanung und Bauordnung teilen in Bezug auf die unter Frage 1 genannten Studien aus Österreich mit:
Studie 1 „Nachhaltigkeits-Monitoring ausgewählter Passivhaus- Wohnanlagen in Wien“
Die gemessenen Heizwärmeverbrauchswerte stimmen im Durchschnitt
sehr gut mit den berechneten Planungswerten überein. Die untersuchten Passivhaus-Wohnhausanlagen verbrauchen für die Raumheizung insgesamt etwa 17 kWh/m²a Wärme pro Bruttogrundfläche und damit um rund 30 kWh/m²a oder etwa zwei Drittel weniger als vergleichbare Niedrigenergiehaus-Wohnhausanlagen derselben Errichtungsperiode mit durchschnittlich 47 kWh/m²a. Laut Studie bedeutet das eine durchschnittliche jährliche Einsparung pro Haushalt von etwa 2,5 MWh (entsprechend 500 kg CO
2-
Äquivalente und 230 Euro Energiekosten auf Kostenbasis September 2009).
Studie 2 „Betriebskosten- und Wartungskostenvergleich zwischen Passivhäusern und Niedrigenergiehäusern in Wien“
Studie 2 ergab einen durchschnittlichen tatsächlichen Heizwärmeverbrauch von 15 kWh/m²a beim Passivhaus, welcher geringfügig über den geplanten Bedarfswerten liegt. Für die Niedrigenergie-Mehrfamilienhäuser liegt der tatsächliche durchschnittliche Verbrauch bei 45 kWh/m²a (ebenfalls etwas über dem berechneten Heizwärmebedarf). Bezugsflächen dieser Energiekennwerte sind die Wohnnutzfläche (Niedrigenergiehaus) bzw.die Energiebezugsfläche (Passivhaus), welche nicht viel voneinander abweichen bzw. angepasst wurden.
Zusätzlich wurden die gesamten Betriebskosten im Vergleich untersucht, mit dem Ergebnis, dass die relevanten Betriebskosten bei einem Mehrfamilien-Passivhaus um 50% niedriger als bei einem Niedrigenergiehaus liegen. Dabei wurde nicht unterschieden zwischen Kosten, die den Mieterinnen und Mietern direkt in Rechnung gestellt wurden (z.B. Stromverbrauch des Abluftventilators in der Wohnung) und allgemeinen Betriebskosten (z.B. zentrale Lüftungsanlage), die über einen Schlüssel umgelegt werden.
Studie 3 „Wohnkomfort und Heizwärmeverbrauch im Passivhaus und im Niedrigenergiehaus“
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat die Studie der Rhomberg Bau GmbH aus Österreich aus dem Jahre 2013 ausgewertet. Die Studie (26.05.2013) ist die aktuellste der genannten Untersuchungen. Hier werden zwei ähnliche Gebäude des Projektes Wohnpark Sandgrubenweg in Bregenz anhand von Verbrauchswerten untersucht.
Im Rahmen dieser von Juni 2010 bis März 2013 andauernden Studie wurden die berechneten Werte des Heizwärmebedarfes für die beiden Häuser im Betrachtungszeitraum überschritten. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen aus anderen Untersuchungen zum Heizwärmeverbrauch in Passivhäusern, die ebenfalls bestätigen, dass in den ersten Jahren nach Bezug der Objekte der Heizwärmeverbrauch erst einmal höher ist, als der zum Anfang berechnete Heizwärmebedarf.
Die Ursachen für diese Abweichungen liegen laut Studie einerseits im individuellen Nutzerverhalten und andererseits in anlagentechnischen Einstellungen begründet. So wurden die Heizungen länger als zur üblichen Heizperiode (1. Oktober bis 30. April) betrieben. Laut Studie betrug die Anzahl der Heiztage p.a. im Passivhaus 240 statt berechneter 88 Heiztage. Auch weichen die Innenraumtemperaturen von den geplanten Werten ab. Die durchschnittliche Innentemperatur lag bei 22,1° C statt für die Berechnung zugrunde gelegter Innentemperatur von 20° C. Zudem wurden die Be- und Entlüftungsanlagen von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Passivhaus-Wohnungen auf höherer Stufe betrieben als notwendig, was durch eine höhere Luftwechselrate wiederum den Heizwärmeverbrauch gesteigert hat.In der Zusammenfassung kommt die Studie zum Schluss, dass „nur bei konsequenter Einhaltung des er warteten Benutzerverhaltens die Referenzwerte für das Passivhaus und das Niedrigenergiehaus erreicht werden“.
Die Studie führt weiter aus:
„Unter Berücksichtigung des Sommerheizbetriebs, den höheren Temperaturen für die untersuchten Innenräume, dem wärmeren Außenklima, den Temperaturabsenkungen in den Wohnungen, den geringeren internen Wärmegewinne und den größeren Lüftungswärmeverlusten erzielen sowohl das Passivhaus als auch das Niedrigenergiehaus annähernd die Referenzwerte nach den Vorgaben der Richtlinien.“
Die Studie kann im Referat für Stadtplanung und Bauordnung eingesehen werden.
Frage 4:
Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für die Stadt und ihre Wohnbaugesellschaften?
Antwort:
Nach den Ergebnissen der genannten Untersuchungen ergibt sich, dass bei der Passivhausbauweise im Geschosswohnungsbau die geplanten
Heizwärmebedarfe mit geringen Abweichungen auch im Betrieb eingehalten werden können. Der tatsächliche Energieverbrauch liegt bei Passivhäusern in der Regel niedriger als bei Niedrigenergiehäusern. Die Untersuchungen weisen aber auch darauf hin, dass die Haustechnik gerade in den ersten Jahren nach Inbetriebnahme einer konsequenten Kontrolle bedarf, bis sie richtig eingestellt ist. Dies wird in Evaluierungen von Nichtwohngebäuden des Freistaats Bayern bzw. aus Frankfurt und Nürnberg bestätigt. Fazit ist, dass nach 2 - 3 Heizperioden die Plan-Werte weitgehend eingehalten werden können.
Die Passivhausbauweise erfordert aufgrund der hohen Anforderungen eine besondere Planungskultur und einen gesamtheitlichen Planungsansatz von Beginn bis zur Zertifizierung nach Fertigstellung. Dann können auch die theoretisch berechneten Bedarfswerte erreicht werden.
Hinsichtlich des Nutzerverhaltens zeigen alle Studien und insbesondere die oben zitierte Studie „Wohnkomfort und Heizwärmeverbrauch im Pas-sivhaus und im Niedrigenergiehaus“ der Firma Rohmberg Bau GmbH, dass die energetischen Planungswerte der Passivhausbauweise nur bei konsequenter Einhaltung des erwarteten Nutzerverhaltens erreicht werden. Das Bewohnen von Passivhäusern setzt Verständnis für deren Eigenschaften und korrekten Umgang mit der Haustechnik, z.B. der kontrollierten Wohnraumlüftung, voraus. Bewohnerinnen und Bewohner und Mieterinnen und Mieter müssen sich daher mit der Benutzung ihrer Häuser und Wohnungen auseinandersetzen bzw. müssen entsprechend geschult werden.
Die Passivhausbauweise ist daher insbesondere für Bewohnerinnen und Bewohner von selbstgenutzten Wohnungen und Häusern wie beispielsweise Baugenossenschaften und Baugemeinschaften geeignet. Diese
Zielgruppen setzen sich erfahrungsgemäß schon während Planung und Bau lange vor Bezug mit den Eigenschaften intensiv auseinander. Sie wählen bewusst diese energetisch hocheffiziente Wohnform, auch vor dem Hintergrund der erhöhten Mehraufwendungen bei der Erstinvestition.
Hinsichtlich des Vergleichs von Passivhäusern und sogenannten „Niedrigenergiehäusern“ kommt die Studie zum Ergebnis: „Die Erwartungen hinsichtlich eines höheren Wohnkomforts für Bewohnerinnen und Bewohner des Passivhauses im Vergleich zu Bewohnerinnen und Bewohner des
Niedrigenergiehauses konnten nicht bestätigt werden. In beiden Gebäudetypen ist die subjektive Wohnkomforteinschätzung durch die Betroffenen gut bis sehr gut. Auch der reale Heizwärmeverbrauch beider Gebäudetypen ist vergleichbar hoch. Nur bei konsequenter Einhaltung des er warteten Benutzerverhaltens werden die Referenzwerte für das Passivhaus und das Niedrigenergiehaus erreicht.“
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung erachtet daher die Umsetzung der KfW Effizienzhaus-Standards insbesondere für den geförderten Mietwohnungsbau für sehr gut geeignet. Hierbei handelt es sich erfahrungsgemäß um wirtschaftlich gut umsetzbare Standards mit guter Energieperformance der Wohngebäude. Mit den KfW Effizienzhaus Standards können unter Einbeziehung der Dachflächen zur Stromerzeugung mit Hilfe von Photovoltaik-Elementen auch Plus-Energiegebäude geplant werden.