Die Mietpreisbremse kommt – Machen die vielen Ausnahmen den positiven Effekt zunichte?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Richard Progl und Ursula Sabathil (Fraktion Bürgerliche Mitte – Freie Wähler/Bayernpartei) vom 16.7.2014
Antwort Sozialreferat:
In Ihrer Anfrage vom 16.07.2014 führen Sie Folgendes aus:
„Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ist derzeit auf Werbetour für seinen Gesetzesentwurf zur Mietrechtsnovellierung. Bei einem Ortstermin in München am vergangenen Montag konstatierte Oberbürgermeister Dieter Reiter die Wirksamkeit der sogenannten ‚Mietpreisbremse’, die 2015 in Kraft treten soll.
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Der Entwurf eines ‚Gesetzes zur Dämpfung des Mietpreisanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten’
2 sieht vor, dass bei der Wiedervermie-
tung von Bestandswohnungen die zulässige Miete höchstens auf das Niveau der ortsüblichem Miete zuzüglich 10 Prozent steigen darf. Die Vermietung von Neubauwohnungen ist von der Mietpreisbremse ausgenommen, ebenso Wohnungen, die ‚umfassend renoviert’ wurden. Selbst Wohnungen, die bereits zu überhöhten Preisen vermietet sind, genießen Bestandsschutz: Wenn die Miete schon vorher mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Miete lag, müssen Vermieter die Miete bei der Neuvermietung nicht senken.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass das neue Gesetz durch die zahlreichen Ausnahmen von Anfang an zum ‚zahnlosen Tiger’ wird.“
Zu Ihrer Anfrage vom 16.07.2014 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie schätzt die LH München die Wirksamkeit der Gesetzesnovellierung ein? Wie viele Mieter werden effektiv vom neuen Gesetz geschützt?
Antwort:
Die Einführung einer Mietpreisbremse ist für Ballungsräume wie München ein Anfang, aber längst nicht genug. Auf Deutschlands teuerstem Wohnungsmarkt kann sie allenfalls etwas beruhigend wirken, - das sich fürviele Mieterinnen und Mieter in München stellende Problem ist damit aber noch lange nicht gelöst. Zusätzlich muss die Begrenzung der Wiedervermietungsmieten mit einer gleichzeitigen, intensiven Förderung der Investitionstätigkeit und des sozialen Wohnungsbaus einhergehen, um eine Linderung des bestehenden Wohnungsmangels zu bewirken und insbesondere um die niedrigen Einkommensgruppen zu fördern.
Die neuen Bestimmungen im Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung (WoVermRG) hinsichtlich der Einführung des „Bestellerprinzips“ bei Maklerverträgen werden grundsätzlich positiv bewertet. Durch die Einführung des Bestellerprinzips können bislang kaum vermeidbare Zusatzkosten auf Mieterseite für Maklerprovisionen, insbesondere auf angespannten Wohnungsmärkten, eingespart werden. Dies führt zur wirtschaftlichen Entlastung vieler Haushalte.
Die Einführung der Textform für Suchaufträge als Voraussetzung für eine Entgeltforderung gibt allen Beteiligten weitere Rechtssicherheit, da dadurch die Überprüfbarkeit der Beauftragung gewährleistet wird.
Diese durchaus positiven Änderungen bergen jedoch eine Gefahr: Die Vermieterinnen und Vermieter könnten versuchen, die Kosten auf die Mieterinnen und Mieter umzuwälzen.
Bislang stellten häufig Vermieterinnen und Vermieter den Maklerinnen und Maklern ihre Wohnung zum Angebot zur Verfügung und in der Folge hatten sodann die Mieterinnen und Mieter bei erfolgreichem Abschluss die Maklerprovision zu zahlen. Da in einem solchen Fall infolge der Neuregelung nun die Vermieterin bzw. der Vermieter als Bestellerin bzw. Besteller gilt und die Maklerprovision zahlen muss, kann die Regelung zu Umwälzungen führen, etwa durch Erhöhung der Grundmiete (soweit dies nach den geplanten Gesetzesänderungen möglich ist).
Über die neuen Bestimmungen hinaus ist die Einführung eines Sachkundenachweises bzw. beruflicher Mindestanforderungen für Maklerinnen und Makler weiter wünschenswert.
Belastbare statistische Zahlen, in welchem Umfang Mieterinnen und Mieter in der Landeshauptstadt München voraussichtlich effektiv vom neuen Gesetz geschützt werden, sind nicht bekannt.Frage 2:
Was kann die LH München im Benehmen mit der Landes- und Bundesregierung tun, damit auch Mieter von Neubauten vor horrenden Mietpreisen geschützt werden?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München könnte im Rahmen des anstehenden
Gesetzgebungsverfahrens an die Landes- und Bundesregierung herantreten und vorschlagen, dass man in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt entweder auch beim Erstbezug des Neubaues und den darauffolgenden Wiedervermietungen dieser Neubauten die 10 %-ige Mietpreisgrenze einführt oder § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) nicht abschafft (siehe weitere Ausführungen hierzu unter der Antwort zu Frage 3).
Diesem Lösungsansatz liegen folgende Überlegungen zu Grunde:
Beim Erstbezug von Neubauten soll nach den ursprünglichen Vorstellungen die Mietpreisbremse nicht gelten. Laut Presseveröffentlichungen der letzten Tage gibt es zudem neuerdings Überlegungen, Neubauten ganz von der Mietpreisbremse auszunehmen, so dass Vermietungen ohne
Preisobergrenze – womöglich auch nach dem zweiten, dritten oder vierten Mieterwechsel – möglich sein sollen.
In diesen Fällen könnte die Vermieterin bzw. der Vermieter damit die Miete weitgehend frei bis zu 50% über der ortsüblichen Vergleichsmiete (Wucher nach § 291 Strafgesetzbuch - StGB) festsetzen, denn die bislang geltende 20%-ige Begrenzung (Mietpreisüberhöhung nach § 5 WiStG) soll ersatzlos gestrichen werden.
Aus Sicht des Sozialreferates macht es keinen Sinn, eine Schutzvorschrift für Mieterinnen und Mieter gegen überzogene Vermieterforderungen zu schaffen und gleichzeitig das Verbot von überhöhten Mieten im WiStG aufzuheben.
Frage 3:
Welche weiteren Möglichkeiten sieht der Oberbürgermeister, um „die Spirale zu stoppen“?
Wie kann der Gesetzesentwurf verbessert werden, so dass mehr Mieter von der Mietpreisbremse profitieren?Antwort:
Im Koalitionsvertrag wurde ein weitgehender Mieterschutz in Aussicht gestellt, der sich leider im jetzigen Gesetzentwurf nur teilweise oder gar nicht in Regelungen wiederfindet.
Der Gesetzesentwurf könnte wie folgt verbessert werden:
a) Beibehaltung von § 5 WiStG
Wie bereits erwähnt, soll § 5 WiStG ersatzlos gestrichen werden. Nach dieser Vorschrift können Vermieterinnen und Vermieter mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro belegt werden, wenn sie Wohnungen zu einer unangemessen hohen Miete anbieten oder vermieten. Unangemessen sind dabei Mieten, die mehr als 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Zu viel gezahlte Mieten können Mieterinnen und Mieter insgesamt zurückfordern. Diese bisherige Vorschrift soll durch eine Regelung in § 556g Abs. 2 Ergänzung zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB-E) „ersetzt“ werden.
Nach § 556 d Abs. 1 BGB der geplanten Neuregelung darf die Miete für eine Wohnung, die in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, die ortsübliche Vergleichsmiete um maximal 10 % übersteigen.
Die Mieterin bzw. der Mieter kann gemäß § 556g Abs. 2 BGB-E eine nicht geschuldete Miete zurückverlangen, „wenn sie bzw. er den Verstoß gegen § 556 d Abs. 1 BGB-E entsprechend gerügt hat.“ Abgesehen davon, dass hier die Mieterin bzw. der Mieter den Zivilrechtsweg beschreiten und i.d.R. alle anfallenden Kosten selbst tragen muss, kann sie bzw. er überzahlte Mieten nur für Zeiträume nach der Rüge geltend machen. § 5 WiStG hingegen wird von den Verwaltungsbehörden vollzogen. Kosten fallen für die Antragstellerin bzw. den Antragsteller nicht an. Eine Erstattung des Mehrerlöses ist rückwirkend entsprechend den Vorschriften über die Verjährung mietrechtlicher Ansprüche möglich. Zudem können Verstöße gegen § 5 WiStG von den Ver waltungsbehörden mit einem Bußgeld geahndet werden.
Die Aufhebung des § 5 WiStG im Zusammenhang mit dem „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs“ setzt auch ein völlig falsches Signal, da die Mieterinnen und Mieter darauf verwiesen werden, ihre Ansprüche zivilrechtlich geltend zu machen und zugleich die formalen Hürden zur Rückforderung überhöhter Mieten nur für die Zukunft in Gestalt der Rüge (§ 556 g Abs. 2 BGB-E) erhöht wurden. Somit werden gerade die Interessen von wirtschaftlich unterlegenen Mieterinnen und Mietern (z.B. alleiner-ziehende Mütter, siehe Beispiel Seite 27 des Referentenentwurfs) erheblich geschwächt.
Die Landeshauptstadt München hat sich – wie der Deutsche Mieterbund in der Vergangenheit schon mehrfach dafür ausgesprochen, dass diese Vorschrift beibehalten wird. Die vorgesehene Neuregelung der Mietpreisbremse und die Mietpreisüberhöhungsvorschrift müssen sich ergänzen und aufeinander aufbauen.
b) Überarbeitung der Regelungen zu Indexmietenerhöhungen
Staffel- und Indexmietenerhöhungen sollen künftig unterschiedlich behandelt werden.
Die Regelungen zur „Mietpreisbremse” gelten auch für Staffelmieten. Sowohl die Ausgangsmiete als auch die einzelnen Mietstaffeln müssen sich jeweils an der Regelung „ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 %” messen lassen.
Bei der Indexmiete hingegen wird nur die Ausgangsmiete am Maßstab „ortsübliche Vergleichsmiete plus 10%” gemessen. Die jährlichen Indexpreissteigerungen werden nicht überprüft und nicht berücksichtigt.
Die in Artikel 1 Nr. 5 des Referentenentwurfs vorgesehene Regelung, dass die „§§ 556d bis 556g (...) nur auf die Ausgangsmiete einer Indexmietvereinbarung anzuwenden“ sind, ist nicht ausreichend: Sofern es der für Indexmietvereinbarungen allein maßgebliche Verbraucherpreisindex für Deutschland wegen steigender Inflationsraten zulässt, wird es nach der geplanten gesetzlichen Regelung möglich sein, dass bereits ein Jahr nach Mietvertragsabschluss im Rahmen der ersten Indexmietenerhöhung eine Miete oberhalb der neu eingeführten Mietpreisbegrenzung (10% oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete) verlangt werden darf.
Die bereits jetzt bei großen institutionellen Vermieterinnen und Vermietern (z. B. Versicherungsunternehmen) verbreitete Tendenz, Indexmietvereinbarungen abzuschließen, würde durch die beabsichtigte Regelung gefördert und die beabsichtigte Dämpfung der Mietpreise gefährdet werden. Zu beachten ist, dass der Verbraucherpreisindex sich schlagartig z. B. durch stark steigende Energiepreise verändern kann. Bei einer Vielzahl neu abgeschlossener Indexmietvereinbarungen ergibt sich zudem ein mietpreissteigernder Effekt bei der Neuerstellung eines Mietspiegels:Gemäß § 558 Abs. 2 BGB sind im Rahmen der Mietspiegelerstellung Erhöhungen aufgrund von Indexmietvereinbarungen zu berücksichtigen. Zudem ist anzumerken, dass über den Verbraucherpreisindex Faktoren in die Mietpreisgestaltung einfließen (z.B. Entwicklung der Lebensmittelpreise), die mit dem Wohnungsmarkt nichts zu tun haben.
Deshalb sollte entweder eine Begrenzung der Indexmiete analog der Regelung zur Staffelmiete (vgl. Art. 1 Nr. 4a des Referentenentwurfs) eingeführt werden oder an eine Begrenzung der Laufzeit von Indexmietvereinbarungen gedacht werden (dies war bereits bis zum Jahr 2001 Gesetzeslage). Nach Ablauf der Laufzeit der Indexmietvereinbarung sollten für das Mietverhältnis die Regelungen der §§ 558 ff. BGB gelten.
c) Reduzierung der Modernisierungsumlage auf 10%
Mehrfach vertrat in der Vergangenheit die Landeshauptstadt München ebenso wie der Deutsche Mieterbund die Auffassung, dass künftig Vermieterinnen und Vermieter nach einer energetischen Gebäudesanierung nicht mehr 11% der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen dürfen, sondern nur noch 10%. Außerdem soll der Zuschlag nur zeitlich begrenzt gefordert werden dürfen.
Noch im Koalitionsvertrag wurde Folgendes vereinbart (Zeilen 4830 -4835):
„Künftig sollen nur noch höchstens 10% - längstens bis zur Amortisation einer Modernisierung – der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden dürfen. Durch eine Anpassung der Härtefallklausel im Mietrecht (§ 559 Abs. 4 BGB) werden wir einen wirksamen Schutz der Mieter vor finanzieller Überforderung bei Sanierungen gewährleisten.“
Der Referentenentwurf enthält hingegen keinerlei Regelungen zu einer Amortisation der Modernisierungskosten. Auch erfolgte entgegen dem Beschluss im Koalitionsvertrag keine Anpassung der Härtefallklausel des § 559 Abs. 4 BGB zum wirksamen Schutz der Mieterinnen und Mieter vor finanzieller Überforderung bei Sanierungen.
Wir regen eine Berücksichtigung dieser Aspekte (Amortisation, Härtefallregelung) durch den Gesetzgeber ausdrücklich an und verweisen in diesem Zusammenhang auf die im Referentenentwurf geschilderte Problemlage, dass „inzwischen auch Durchschnittsverdiener immer größere Schwierigkeiten haben, in den betroffenen Gebieten eine für sie noch bezahlbare Wohnung zu finden“ (vgl. Seite 1 des Entwurfs).d) Mietspiegeldaten müssen auf eine breitere Basis gestellt werden Eine im Koalitionsvertrag getroffene Absichtserklärung, die im Rahmen der Regelung einer Mietpreisbremse hätte aufgegriffen werden können, lautet wie folgt (Zeilen 4839 - 4840):
„Wir sorgen dafür, dass im Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete auf eine breitere Basis gestellt und realitätsnäher dargestellt wird.“
Auch der Bayerische Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback forderte beim Mietgerichtstag in München am 10.07.2014, dass die ortsübliche Vergleichsmiete auf „eine breitere Basis gestellt wird“.
Die ortsübliche Vergleichsmiete wird in § 558 Abs. 2 BGB u.a. über den sogenannten Vier-Jahres-Zeitraum definiert. Das bedeutet in der Praxis, dass Bestandsmieten, die über einen längeren Zeitraum (z. B. zehn Jahre) unverändert geblieben sind, nicht in den Mietspiegel einfließen dürfen.
Eine Erweiterung des zeitlichen Rahmens bzw. gar eine Streichung des Vier-Jahres-Zeitraumes würde zu einem realistischeren Abbild der ortsüblichen Vergleichsmiete führen.
Die Landeshauptstadt München hat sich hierfür bereits wiederholt ausgesprochen.
1www.tz.de/ratgeber/wohnen/justizminister-maas-schaltet-sich-ein-zieht-jetzt-mietpreisbremse-tz-3702031.html
2 www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/GesetzeRefE_Mietpreisbremse.pdf? __blob=publicationFile