Besser radeln in der Kapuzinerstraße
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Anna Hanusch und Sabine Nallinger (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste) vom 24.2.2015
Antwort Referat für Stadtplanung und Bauordnung:
Mit Schreiben vom 24.2.2015 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung in Abstimmung mit dem Kreisverwaltungsreferat wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Am 18.10.2013 wurde der Einbau komfortabler und sicherer Radfahr- streifen in der Kapuzinerstraße abgeschlossen. Ein Leuchtturmprojekt für den Radverkehr war damit fertiggestellt. Den Stadtrat und die Verwaltung erreichte viel Lob der Bürger. Dem optischen Eindruck nach hat die Zahl der Radfahrerinnen und Radfahrer erheblich zugenommen. Überlastungs- erscheinungen beim Kfz-Verkehr, die bereits vorher zu beklagen waren, hatten in der Anfangszeit etwas zugenommen, konnten aber nach einer Optimierung der Lichtzeichenanlagen vermutlich wieder auf das Niveau der Vorhersituation reduziert werden.
Nach nun mehr als eineinhalb Jahren ist es Zeit für eine erste Evaluierung.“
Vorbemerkung:
Die Kapuzinerstraße ist das erste umgesetzte „Leuchtturmprojekt“ des „Grundsatzbeschlusses zur Förderung des Radverkehrs“ und wurde im 4.Quartal 2013 fertiggestellt. Es gibt verschiedene Kriterien und Methoden quantitativer und qualitativer Art die Umgestaltung der Kapuzinerstraße zu bewerten, die teilweise einen erheblichen Arbeitsaufwand bedeuten und eine umfangreiche Datenbasis der Ausgangssituation benötigen. Neuaufteilungen des Straßenraums sind auch im Hinblick auf mittel- bis langfristige Ziele der Verkehrsentwicklung zu bewerten. Diese Effekte sind allerdings kurzfristig teilweise nicht bzw. nur schwer messbar. Da ein Auftrag zu einer vertieften Evaluation in den bisherigen Projektbeschlüssen nicht enthalten war, liegt für die Evaluation des Projektes Kapuzinerstraße nur begrenztes Datenmaterial der Vor- und Nachher-Situation vor. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung beabsichtigt, dem Stadtrat über die abschließenden Ergebnisse der Evaluation, im Rahmen der Behandlung der Ziffer 2 des Antrags Nr. 14-20/A 00052 der Stadtratsfraktion Bündnis90/Die Grünen/RL vom 12.6.2014 „Variantenvergleich Radverkehrsanlage Rosenheimer Straße – Computersimulation zur Veranschaulichung – Sichere und komfortable Lösung für den Radverkehr realisieren“ im Laufe des Jahres zu berichten.
Frage 1:
Wie hat sich die Radverkehrssituation in der Kapuzinerstraße entwickelt? In welchem Maße haben die in der Kapuzinerstraße fahrenden Radlerinnen und Radler zugenommen?
Antwort:
Die Erhebungen zum Radverkehr erfolgten werktags zwischen 6 - 10 Uhr und 15 - 19 Uhr im Juni 2010 (Maximaltemperatur 30°, 0 mm Niederschlag) und Juli 2014 (Maximaltemperatur 26°, 0 mm Niederschlag). Im Folgenden wird das gerundete Radverkehrsaufkommen von insgesamt 8 Stunden
(Erhebungszeiten siehe oben) beider Straßenseiten und Fahrtrichtungen in der Summe wiedergegeben.
Querschnitt Kapuzinerstraße westlich Thalkirchner Straße
2010 2014
Radverkehrsaufkommen 3.500 4.500
Querschnitt Kapuzinerstraße östlich Pestalozzistraße
2010 2014
Radverkehrsaufkommen 3.900 4.900
Bei der Interpretation der Verkehrserhebungen von 2010 und 2014 sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die für eine Beurteilung der quantitative Werte relevant sind:
-natürliche Schwankungen im Tagesverkehr
-generelle Verkehrsentwicklung
-äußere Einflüsse Wetter, Veranstaltungen, Baustellen etc.
-Isarrenaturierung (Fertigstellung 2011)
-Betrachtungshorizont (kurz-, mittel-, langfristig)
-Baustelle Luise-Kiesselbach-Platz
-etc.
Die Veränderung des Radverkehrsaufkommens von ca. 25% (Erhebung Querschnitt, beide Richtungen) im Vergleich der Werte aus den Jahren 2010 und 2014 sind folglich nicht als absoluter Wert anzusehen oder singulär durch den Umbau der Kapuzinerstraße zu erklären. Es sindallerdings Tendenzen zu einer Zunahme im Radverkehr erkennbar, deren weitere Entwicklung vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung beobachtet wird.
Frage 2:
Gibt es Befragungen zur Zufriedenheit der Radlerinnen und Radler mit der Maßnahme in der Kapuzinerstraße?
Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat am Rande des Radl-Sicherheitschecks am 7. Mai 2014, 10 – 15 Uhr, am Kapuzinerplatz eine Befragung mit Radfahrenden zum Radverkehr allgemein durchgeführt und um konkrete Fragen zur Kapuzinerstraße ergänzt. Aufgrund des regnerischen Wetters konnte nur eine kleine Stichprobe von ca. 40 Personen befragt werden, insofern können die Ergebnisse lediglich als Tendenzen zu den einzelnen Fragestellungen verstanden werden. Ein Auszug wird im Folgenden wiedergegeben.
- Die „Nutzerinnen und Nutzer“ der Radverkehrsanlage in der
Kapuzinerstraße haben Ziel und Quelle ihrer Fahrten hauptsächlich in den Stadtbezirken 2 (Ludwigsvorstadt – Isarvorstadt), 3 (Maxvorstadt), 18 (Untergiesing – Harlaching). Die Kapuzinerstraße stellt damit auch für den Radverkehr eine stadtteilübergreifende Verbindung dar.
- Ein Großteil der Befragten sind mehrmals die Woche oder täglich mit dem Fahrrad unterwegs und haben die Kapuzinerstraße bereits vor der Umgestaltung befahren. Nur ca. 10% der Befragten gaben
als Fahrtzweck „Freizeit“ an. Dies könnten Indizien sein, dass Hauptverkehrsstraßen aufgrund ihrer direkten Verbindung gerade für Radfahrende im Alltagsverkehr interessant sind.
- Im Zuge der Umbauarbeiten wurde ein „aufgeweiteter
Radaufstellstreifen“ im Aufstellbereich des Knotens Lindwurmstraße/ Herzog-Heinrich-Straße/Kapuzinerstraße testweise eingerichtet. Ca. ¾ der Befragten ist mit der Sicherheit und dem Komfort der Maßnahme zufrieden.
Frage 3:
Wie hat sich die Verkehrssicherheit allgemein und insbesondere für den Radverkehr entwickelt, sofern hierzu nach eineinhalb Jahren bereits Aussagen gemacht werden können?Antwort:
Zu folgenden Punkten wurde eine Stellungnahme des Kreisverwaltungs- referates, des Polizeipräsidiums (Datum 22.7.2014) und ein Schreiben der Polizeiinspektion 14 (Datum 6.8.2014) herangezogen:
Unfallsituation:
Auffälligkeiten im Unfallgeschehen seit Einrichtung der neuen Radweg führung sind nicht erkennbar. Es wurde die Unfallsituation im Zeitraum vom 1.1. bis 15.10.2013 vor Fertigstellung der Baumaßnahme mit dem Zeitraum vom 16.10.2013 bis 10.7.2014 nach Fertigstellung der Baumaßnahme miteinander verglichen. In beiden Zeiträumen ereigneten sich jeweils sechs Verkehrsunfälle mit Radverkehrsbeteiligung, bei denen die Radfahrenden verletzt wurden. Ein direkter Bezug zur neuen Radwegführung ist dabei in nur zwei Fällen gegeben. In beiden Fällen wurde ein Radfahrer von einem anderen Radfahrer bei der Benutzung des Fahrradstreifens überholt. Dabei streifte der Überholende jeweils den anderen Radfahrenden, wodurch dieser stürzte und sich dabei leicht verletzte.
Verkehrssicherheitsproblematiken und Beschwerden:
Kurz nach Fertigstellung des Fahrradstreifens teilten Bürgerinnen und Bürger mit, dass Kraftfahrzeugführende diesen als Abbiegespur in die Thalkirchner Straße benutzen würden. Diese Beobachtungen wurden vereinzelt auch von Polizeibeamten gemacht. In den letzten Wochen sind keine diesbezüglichen Erkenntnisse mehr vorhanden. Dem Poli- zeipräsidium liegen auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass der Fahrradstreifen im Bereich zwischen Kapuzinerstraße und Auenstraße verbotswidrig beparkt würde.
Zu problematischen Situationen kommt es laut Polizei gelegentlich im Bereich zwischen Kapuzinerplatz und Lindwurmstraße, wo beid- seitig Schutzstreifen angelegt wurden und gleichzeitig temporär eingeschränkte Haltverbote gültig sind. Hier ist zu beobachten, dass Radfahrer den (temporär legal) haltenden Fahrzeugen ausweichen
müssen, was gelegentlich zu gefährlichen Situationen führt. Während der Gültigkeitsdauer des absoluten Haltverbotes sind der Polizei keine sicherheitsrelevanten Verkehrsverstöße bekannt.
Das Problem auf diesem Streckenabschnitt ist laut PI14, dass hier ein hohes Ladebedürfnis aufgrund mehrerer Geschäfte und eines Kinderhorts besteht. Deshalb wird dort oft, zumeist auch legal, gemäß den Vorgaben des derzeit dort beschilderten Zeichens 286 StVO (Eingeschränktes Haltverbot) geparkt. Die Überwachungszeit bei einem eingeschränktenHalt-verbot beträgt laut gängiger Rechtsprechung mindestens 20 Minuten. Erst danach erfolgt ggf. eine Ahndung. Zugleich herrscht dort reger Radverkehr. Dadurch entstehen Interessenkollisionen zwischen Radfahrerenden und Kfz, da der Radverkehr aufgrund der Markierung den Streifen für sich beansprucht und sich darüber beschwert, dass Fahrzeuge auf „seinem“ Fahrstreifen parken und er ausweichen muss. Bei diesen Ausweichmanövern kam es gelegentlich zu gefährlichen Situationen.
Da auf dem Schutzstreifen zwar ein Parkverbot gilt, aber kein Haltverbot, kann es deshalb, wie oben beschrieben, zu längeren Standzeiten der Pkw kommen. Gemäß der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung kann auf Strecken mit hohem Radverkehrsaufkommen, wie in der
Kapuzinerstraße, im Verlauf von Schutzstreifen auch die durchgängige Beschilderung mit einem Zeichen 283 StVO (Absolutes Haltverbot)
angebracht werden.
Davon wurde aber bislang abgesehen, da dies dem Ladebedürfnis entgegenstehen würde und praxisfremd wäre. Um die Situation zu entschärfen, und ein vertretbares Halten im gebotenen Umfang zu ermöglichen, wurden die Zeichen 286 (Eingeschränktes Haltverbot) StVO entfernt, damit z.B. „Dauerparker“, wie Handwerksbetriebe mit Ausnahmegenehmigung, oder Gastronomiebesucherinnen und Besucher dort nicht ihre Fahrzeuge abstellen können und das gesetzliche Parkverbot des Schutzstreifens („3-Minutenregel“) greift.
Aus Sicht der Verkehrssicherheit als auch der Verkehrsordnung stellt die durchgeführte Umgestaltung der Kapuzinerstraße eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zu vorher dar.
Frage 4:
Wie haben sich die Kfz-Verkehrsmengen entwickelt?
Antwort:
Bezüglich der Veränderung des Kfz-Verkehrsaufkommens wurden Ver- kehrserhebungen und Detektorwerte aus den Jahren 2010, 2011 und
2014 betrachtet. Bei der Interpretation der Verkehrserhebungen von 2010/2011 und 2014 sind die bereits in der Antwort auf Frage 1 genannten Faktoren zu berücksichtigen, die für eine Beurteilung der quantitativen Werte relevant sind. In der folgenden Tabelle ist die Entwicklung des Verkehrsaufkommens von 2005 bis 2014 dargestellt.Wittelsbacherbrücke Kapuzinerstraße (westlich Pestalozzistraße)
Jahr Verkehrsbelastung Jahr Verkehrsbelastung
Tagesverkehr Tagesverkehr
2005 34.000 2005 28.000
2009 30.000
2010 26.000
2011 28.000
2014 25.000 2014 22.000
Zusammenfassend ist die Verkehrsstärke in der Kapuzinerstraße durch die Einrichtung von Radverkehrsanlagen nicht maßgeblich zurückgegangen. Die Kapuzinerstraße ist unverändert auch weiterhin Teil des Sekundärnetzes (Bündelung des Binnenverkehrs und Verteilung des Ziel-/ Quellverkehrs) und erfüllt als Hauptverkehrsstraße die Aufgabe zur Verbindung von Stadtteilen innerhalb Münchens und zur Abwicklung innerörtlicher Verkehre über längere Distanzen.
Frage 5:
Ist nach der Optimierung der Lichtsignanlagen nach der Anfangsphase – eine Zunahme von Überlastungserscheinungen für den Kfz-Verkehr zu verzeichnen?
Antwort:
Für den Abschnitt zwischen dem Kapuzinerplatz und der Lindwurmstraße in nordwestlicher Fahrtrichtung wurde im Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 29.6.2011 „Radverkehrsanlagen in der Kapuzinerstraße zwischen Lindwurmstraße und Auenstraße – Verkehrs- und Funktionskonzept“ (Sitzungsvorlagen Nr.:08-14/V 07141) unter Punkt „2.3.3 Auswirkungen auf den motorisierten Individualverkehr“ ausgesagt, dass wegen der wegfallenden Geradeausspur über die Lindwurmstraße sich sowohl morgens, als auch abends auf gesamter Länge Stau bilden würde. Diese Prognose hat sich in der Zwischenzeit bestätigt.
Vom Baldeplatz in Richtung Thalkirchner Straße treten während der Spitzenzeiten häufig Überlastungen auf. Die Beschleunigung der Metrobuslinie 62 greift an der Thalkirchner Straße stark in die Lichtsignalsteuerung ein, um die Kapuzinerstraße zu queren. Dies bringt eine unregelmäßigeGrünzeitverteilung für die Kapuzinerstraße mit sich. Deshalb befüllt sich der Stauraum immer wieder über die Geyerstraße hinaus, vor allem in der morgendlichen Hauptverkehrszeit bis zurück zum Baldeplatz, bis hinein in die Isarparallele.
Aus diesem Grund wird die Lichtsignalanlage am Baldeplatz aktuell vom Kreisverwaltungsreferat dahingehend optimiert, dass der Verkehr von der Wittelsbacher Brücke kommend so früh abgebrochen wird, dass das Überstauen der Wittelsbacher Straße verhindert wird. Die Behinderungen des motorisierten Individualverkehrs entlang der Isarparallele sollen dadurch vermieden werden. Dies wirkt sich zudem auch positiv auf Sicherheit und Komfort der Fußgänger- und Radfahrerquerungen aus.
Am Giesinger Berg hat sich in Richtung Stadtmitte durch den Einbau eines barrierefreien Haltestellenkaps an der Haltestelle Humboldtstraße der Beginn der einspurigen Verkehrsführung in Richtung des Giesinger Bergs verschoben. Neben der barrierefreien Gestaltung der Haltestelle Humboldtstraße wurde damit auch beabsichtigt, den schon vorhandenen Stau von der Wohnbebauung weg zum Giesinger Berg zu verschieben.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird die Entwicklung der Verkehrssituation in der Kapuzinerstraße auch im Hinblick auf mögliche Veränderungen durch die Verkehrsfreigabe des Luise-Kiesselbach-Platz-Tunnels Mitte 2015 weiterhin beobachten.