Die Landeshauptstadt München fördert künftig jährlich mit zwei Arbeitsstipendien Autorinnen und Autoren, die sich mit ihrem Werk bereits literarisch ausgewiesen haben und im Literaturbetrieb in Erscheinung getreten sind. Mit den in diesem Jahr zum ersten Mal vergebenen Stipendien in Höhe von jeweils 6.000 Euro werden Fabienne Pakleppa für ihr Romanprojekt „Rosalie will es so“ und Sylvia Kabus für ihr Romanprojekt „Die Haut“ ausgezeichnet. Dies hat heute der Feriensenat des Stadtrats auf Empfehlung einer Jury beschlossen.
Die Jury begründete ihre Entscheidungen wie folgt:
Fabienne Pakleppa, „Rosalie will es so“
„Fabienne Pakleppa erzählt in ihrem Romanprojekt von Menschen, die sich nicht kleinkriegen lassen. Sie erzählt von Auf- und Abbrüchen, von kleinen und großen Momenten und Begegnungen zwischen Ein- und Aus- wanderern. Dabei sind es keine rein fiktiven Figuren, die in ihrem Roman den Ton angeben, sondern Pakleppas eigene Vorfahren: Großmütter, Väter, Cousinen, Geschwister. Die persönliche Verbindung ist spürbar – mit ihrem unverstellten, direkten Ton schafft Pakleppa Nähe und Authentizität. Mit feinem Witz und süffiger Sprache spürt die Autorin über zwei Jahrhunderte hinweg ihren Ahnen nach, die sich munter durch die ganze Welt bewegen, nach Indien, Neuseeland, Deutschland und Russland. Raffiniert aus un- terschiedlichen Perspektiven und auf verschiedenen Zeitebenen erzählt, ergibt sich ein abwechslungsreiches Bild von ,Faulenzern, Abenteurern, Sklavenhändlern, Bauern, Handwerkern, Malern, Selbstmördern (…) und sonstigen Wahnsinnigen‘, wie Pakleppa in ihrem Exposé schreibt. Der
bunte Mix aus Miniatur-Porträts gibt dabei anschaulich Aufschlüsse über die jeweilige Zeit – zum Beispiel über den geringen Marktwert einer Frau mit zwei unehelichen Kindern im Boston des Jahres 1878. Zusammenge- fasst geht es in „Rosalie will es so“, wie Pakleppa in ihrem Exposé samt vielversprechenden Textauszügen deutlich macht, um Menschen auf der Suche nach einem Ort, an dem es sich leben lässt, um Menschen, die selbst angesichts widriger Umstände nicht verzweifeln. Der Mut dieser Figuren hat die Autorin zu einem lebensprallen Roman inspiriert, den die Jury und viele weitere Leser demnächst hoffentlich in Gänze lesen können.“
Sylvia Kabus: „Die Haut“
„Wie lassen sich Gewalterfahrungen literarisch darstellen? Dies ist die Frage, die Sylvia Kabus in ihrem Romanprojekt ,Die Haut‘ umtreibt. Ihr Text erzählt von einer Frau namens Manon, die sich in der Nach-Wendezeit in Ostdeutschland mit ihrem Partner Ari um ein stabiles Leben bemüht – und dafür einerseits die ständige Bewegung braucht und andererseits die Ruhe der Natur: In einem alten Hanomag fährt sie durch die Gegend, beliefert Kindereinrichtungen und hält zwischendurch immer wieder an, um in die Wälder einzutauchen: ,Ohne Wald kein Raum“. Ein Auto-Unfall, bei dem sie dem Schriftsteller Paul wieder begegnet, beschwört bei Manon traumati- sche Erinnerungen herauf. Denn durch die Nachforschungen von Paul wer- den Manon und Ari mit ihrem früheren Leben konfrontiert: Manon und ihre Freundinnen waren in der DDR brutaler Gewalt und Verfolgung durch Väter und Lehrer ausgesetzt, Ari wurde mehrfach von der Polizei festgenommen. Für die Auswirkungen dieser Traumatisierungen versucht Kabus, eine neue Sprache zu finden, ein ,anderes Erzählen“. In ihren Romanauszügen spürt man den ambitionierten Formwillen in einer aufgerauten Sprache, in der die Sätze und Absätze manchmal abbrechen, wo Leerstellen bleiben und Gegensätze aufgebaut werden, die auf das prekäre Innenleben der Figur verweisen. Exposé und Manuskript machen neugierig darauf, wie die Autorin in der endgültigen Form ihrer intensiven „Gewalt-Pastelle“ die literarischen, psychologischen und historischen As- pekte ihres vielschichtigen Projekts bändigen wird.“ Der Jury gehörten an: Gisela Fichtl (Lektorin, Journalistin), Günter Keil (Literaturjournalist), Dr. Franz Klug (Buchhandlung Lentner), Katrin Schuster (Literaturjournalistin), Antje Weber (Süddeutsche Zeitung), Dr. Florian Welle (Literaturkritiker) sowie die Stadträtinnen und Stadträte Beatrix Burkhardt und Marian Offman (CSU-Fraktion), Kathrin Abele und Klaus Peter Rupp (SPD-Fraktion) sowie Thomas Niederbühl (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/ Rosa Liste)
Weitere Informationen zu den Arbeitsstipendien sind im Internet unter www.muenchen.de/literatur abrufbar.