Bedeutung der „Unterstützer“ beim Hungerstreik der Flüchtlinge?
Anfrage Stadtrat Marian Offman (CSU-Fraktion) vom 1.12.2014
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Wilfried Blume-Beyerle:
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage vom 28.11.2014 zur Beantwortung überlassen.
Inhaltlich teilten Sie Folgendes mit:
„Während des Hungerstreiks der Flüchtlinge am Sendlinger Tor Platz waren diese von mehreren ‚Unterstützern’ umgeben. Am ersten Tag (21. November 2014) waren es noch Wenige. Am vorletzten Tag waren es 15-20, die sich in der Umgebung der Hungerstreikenden aufhielten. Sie sammelten Spenden und Decken, übten ein Hausrecht aus, in dem sie Passanten den Zutritt zu den Flüchtlingen und Gespräche verwehrten oder gestatteten.
Als in meinem Beisein ein hungernder Flüchtling über starke Schmerzen in den Beinen klagte, wurde mir von den ‚Unterstützern’ als ärztlicher Betreuer ein Arzt vorgestellt, welcher sich selbst als Zahnarzt auswies. Allerdings war er dann nach wenigen Minuten verschwunden und nach längeren Diskussionen wurde mir bedeutet, der erkrankte Flüchtling, der weder Deutsch noch Englisch sprach, wolle keinen Arzt. Es drängte sich der Verdacht auf, dass eine Behandlung des erkrankten, hungernden Flüchtlings seitens der ‚Unterstützer’ möglicher weise nicht er wünscht war. Am Dienstag dem 25.11.2014 nachmittags, nach vier Tagen Hungerns, eskalierte die Situation. Mehrere Versuche, die Flüchtlinge zu einer Beendigung des Hungerstreiks zu bewegen, scheiterten. Bei einem Gespräch von Passanten mit der Aufforderung zur Beendigung des Hungerstreiks sagten die Flüchtlinge, sie würden lieber hier sterben als in die ‚Lager’ zurückkehren. Aber auch angesichts dieser Bereitschaft der Flüchtlinge zum Suizid waren Sprecher und ‚Unterstützer’ nicht bereit, die Streikenden zur Beendigung aufzurufen. Erst das besonnene und professionelle Vorgehen von Polizei und Feuerwehr am 26.11.2014 haben Schlimmstes verhindert. Im Zusammenhang mit den Hungerstreiks am Rindermarkt und am Sendlinger Tor Platz ist die Rolle der ‚Unterstützer’ zu beleuchten.“
Ihre Fragen 1. - 3. möchten wir, wie folgt, beantworten:Frage 1:
Haben die „Unterstützer“ das Recht, in der Umgebung der Hungerstreikenden eine Art Hausrecht auszuüben?
Antwort:
Nein.
Die Versammlung stand unter dem Grundrechtsschutz des Art. 8 GG und wurde anzeigegemäß auf öffentlichem Straßenverkehrsgrund abgehalten. Versammlungen ist es dabei geradezu wesensimmanent, dass die da-
durch angesprochene Öffentlichkeit grundsätzlich freien Zutritt zum Versammlungsgeschehen hat und sich informieren bzw. sich der Versammlung anschließen und/oder gegen sie opponieren kann. Grenzen finden sich dabei ausschließlich im Friedlichkeitsgebot nach Art. 8 GG, das sich u.a. im Störungsverbot in Art. 8 BayVersG niedergeschlagen hat. Demnach sind Störungen verboten, deren Absichten darin bestehen, eine ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung zu verhindern. In diesem Falle würde es dem Versammlungsleiter obliegen, geeignete Maßnahmen zu treffen.
Frage 2:
Hätte es für die Unterstützer rechtliche Konsequenzen, wenn sie die Flüchtlinge zum Hungerstreik anhalten und diese deshalb ernsthaft erkranken oder sich wegen der Nahrungsver weigerung in eine latente Lebensgefahr begeben?
Antwort:
Nach der Rechtsprechung des BayVGH stellt ein Hungerstreik grundsätzlich ein erlaubtes Mittel der Meinungskundgabe dar. Eine Versammlungsauflösung ist dann geboten, wenn sich die Hungerstreikenden dadurch in unmittelbar drohende Lebensgefahr begeben oder wenn anzunehmen ist, dass diese nicht mehr in der Lage sind, ihren Willen frei zu bestimmen. Die staatliche Schutzpflicht würde auch dann greifen, wenn die Hungerstreikenden ihren Willen, sich selbst zu töten, für die Zukunft, etwa in Form einer Patientenverfügung an Dritte, wie z. B. den Unterstützerinnen und Unterstützer, erklärt hätten.
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Hinblick auf die Unterstützerinnen und Unterstützer könnte in diesem Kontext dann angenommen werden, wenn die Unterstützerinnen und Unterstützer nachweislich beginnen, die Hungerstreikenden unter Druck zu setzen, gegen deren Willen zu instrumentalisieren oder die ärztliche Versorgung der Hungerstreikenden zu verhindern.Frage 3:
Könnte den „Unterstützern“ die Teilnahme an der genehmigten Versammlung untersagt werden, wenn sie nachweislich die Flüchtlinge zum Hungerstreik anhalten und/oder diesen nicht verhindern?
Antwort:
Grundsätzlich können sich die Unterstützerinnen und Unterstützer selbst auf ihre eigene Versammlungsfreiheit berufen. Dabei ist die bloße Unterstützung der Ziele der Flüchtlinge oder deren Versorgung legitim und es kann daraus grundsätzlich keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgeleitet werden. Der behördliche Ausschluss dieser unterstützenden Personen von der Versammlung könnte nur dann erfolgen, wenn durch sie eine entsprechende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Dies wäre im Sinne der Frage, wie bereits dargelegt, dann der Fall, wenn sie nachweislich die Hungerstreikenden unter Druck setzen, gegen deren Willen instrumentalisieren oder versuchen, die ärztliche Versorgung der Hungerstreikenden zu verhindern.