Stadtgestalt leidet unter wild abgestellten Fahrrädern, auch in der Fußgängerzone!
Anfrage Stadtrat Richard Quaas (CSU-Fraktion) vom 26.5.2015
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Wilfried Blume-Beyerle:
In Ihrer Anfrage vom 26.5.2015 an Herrn Oberbürgermeister Reiter führen Sie zunächst Folgendes aus:
„Besonders in den Bereichen der Münchner Fußgängerzone legt die Stadt großen Wert auf ein gepflegtes und optisch gutes Bild der Stadt. Um das zu erreichen, wurde eine einheitliche, hochwertige Gestaltung ausgewählt und die Stadtgärtnerei bemüht sich, mit üppigem Blumen- schmuck, der immer auch auf die Jahreszeit abgestimmt ist, das Bild noch besonders freundlich zu gestalten.
Leider hat die Unsitte um sich gegriffen, dass nun auch in den Fußgänger- bereichen Fahrräder in großer Zahl abgestellt werden. Das zeigt zwar, dass viele Münchnerinnen und Münchner auf das Fahrrad umgestiegen sind, was grundsätzlich sehr erfreulich ist, aber dass sie, wenn sie ihre Fahrräder am Ziel oder in der Nähe abstellen, jede Sensibi- lität vermissen lassen, die auch eine Stadt braucht, um ein ansehnliches Bild zu bieten.
So werden dort nicht nur Straßenlaternen zum Anketten von Rädern her- genommen, sondern auch die Blumenkübel der Stadt dazu benutzt, die Fahrräder daran abzustellen und teilweise an den Pflanzbehältnissen in den Kübeln anzuketten.
Das Straßen- bzw. das Stadtbild leidet darunter beträchtlich. Manche Ecken sehen leider aus, wie ein Drahteselverhau und konterkarieren den Sinn und Zweck der schönen Bepflanzung.
Vielen Radfahrern ist es oft zu mühsam, ein paar Schritte von einer Abstell- anlage zu ihrem Ziel zu gehen, an anderen Stellen fehlt es schlicht an lega- len Abstellplätzen.
Hier ist die Stadt gefordert, weitere und mehr Abstellplätze zu schaffen, aber auch zu prüfen, ob Abstellverbote dazu beitragen können, das sorgfäl- tig gepflegte Bild der Stadt in der Fußgängerzone zu erhalten.“
Da Herr Oberbürgermeister Reiter Ihre Anfrage zur federführenden Beantwortung dem Kreisverwaltungsreferat übergeben hat, darf ich Ihnen in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister Folgendes mitteilen:Frage 1:
Gibt es nach der Fußgängerzonensatzung eine Möglichkeit, das Abstellen von Fahrrädern in der Fußgängerzone bzw. an der sog. Möblierung, wie Pflanzkübeln, zu untersagen?
Antwort:
Eine derartige Möglichkeit besteht nicht.
Gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung über die Sondernutzungen an Fußgängerbereichen in der Altstadt (im Folgenden: AFS) ist der Gemeingebrauch in den Fußgängerbereichen durch die Widmung zwar auf den Fußgängerverkehr beschränkt. Gemäß § 7 der AFS kann derjenige, der entgegen dieser Beschränkung die Fußgängerbereiche nutzt, mit Geldbuße belegt werden.
Das Abstellen von Fahrrädern auf für den Fußgängerbereich bestimmten öffentlichen Verkehrsflächen stellt jedoch grundsätzlich eine den straßenrechtlichen Bestimmungen entsprechende Ausübung des Gemeinge-
brauchs dar. Auch straßenverkehrsrechtlich ist eine solche Nutzung grundsätzlich zugelassen.
Dass Fahrräder – anders als Kraftfahrzeuge – auf Gehwegen und anderen dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen Flächen abgestellt werden dürfen, folgt letztlich daraus, dass sie dort geschoben werden dürfen, obwohl sie „Fahrzeug” im Sinne der StVO sind. Fußgängern gleichzusetzen sind Radfahrer, wenn sie ihr Fahrrad schieben.
Das Abstellen von Fahrrädern in der Altstadtfußgängerzone ist deshalb nicht verboten.
Frage 2:
Wenn ja, wird diese Möglichkeit von den städtischen Überwachungskräf- ten genutzt, bei solchen Fahrrädern zumindest Hinweise anzubringen, dass das Abstellen an dieser Stelle nicht erlaubt ist?
Antwort:
Entfällt; siehe Antwort auf Frage 1.
Frage 3:
Wenn nein, gibt es eine rechtliche Möglichkeit, das in die Fußgängerzo- nensatzung aufzunehmen, genauso wie schon das geltende Fahrverbot für Radfahrer?Antwort:
Vgl. Antwort zu Frage 1.
Widmungsrechtlich kann der Verkehr in Fußgängerbereichen beschränkt werden – positiv für bestimmte Benutzungsarten oder negativ durch Ausschluss bestimmter Benutzungsarten. Derartige Ausschlüsse sind straßenrechtlich zulässig. Die Erforderlichkeit muss darauf zurückzuführen sein, dass der Verkehrsweg nur für eine bestimmte Nutzung geeignet ist.
Was für den Kraftfahrzeugverkehr in Fußgängerbereichen gilt, lässt sich z.B. auf Skateboardfahren und Inline-Skating übertragen. Widmungsrechtlich kann der Fußgängerverkehr daher in der Weise beschränkt werden, dass zum Beispiel Skater davon ausgenommen werden.
Das Abstellen von Fahrrädern demgegenüber stellt weder eine Benutzungsart noch einen Benutzungszweck dar. Vielmehr handelt es sich um das Verhalten eines Verkehrsteilnehmers. In der Widmungsverfügung oder in der Teileinziehung darf den Verkehrsteilnehmern kein bestimmtes Verhalten aufgegeben werden, wie z.B. „nur Schrittfahren erlaubt” oder „Skateboardfahren nur ohne Gefährdung von Fußgängern.” Das wären verkehrsrechtliche Regelungen des Gehwegverkehrs in straßenrechtlichem Gewand, die dem Straßenrecht verwehrt sind. Das Verhalten der Verkehrsteilnehmer in Fußgängerbereichen regelt ausschließlich die Straßenverkehrsordnung (StVO).
Eine geänderte Widmungsverfügung mit dem Inhalt „Abstellen von Fahrrädern nicht erlaubt“ ist deshalb rechtlich nicht möglich.
Auch andere Regelungsversuche sind hier nicht anwendbar:
Regelung über das Verkehrszeichen 290
Einem Verbot des Fahrradabstellens auf dem Fußverkehr vorbehaltenen Flächen durch Anordnung von VZ 290 (eingeschränktes Haltverbot für eine Zone) und einem Zusatzschild „auch Radfahrer” ist das Bundesverwaltungsgericht entgegen getreten: Ein eingeschränktes Haltverbot für eine Zone umfasst auch mit Zusatzschildern nicht das Abstellen von Fahrrädern auf Flächen, die der Nutzung durch Fußgänger vorbehalten sind. Das eingeschränkte Haltverbot für eine Zone bezieht sich nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf Fahrbahnen und Seitenstreifen und alle sonst dem Kraftverkehr dienenden Teile der Straße, nach Sinn und Zweck sowie Systematik der Regelung aber nicht auf eine dem Fußgän-gerverkehr vorbehaltene Fläche. Somit scheidet eine Regelung über das Verkehrszeichen 290 aus.
Verkehrliche Anordnung gemäß § 45 Abs. 1b Nr. 4 StVO
Unabhängig davon, dass es ein Verkehrsschild „Parkverbot für Fahrräder“ in der StVO nicht gibt, wären auch die Voraussetzungen einer verkehrlichen Anordnung gemäß § 45 Abs. 1b Nr. 4 StVO nicht gegeben: Eine entsprechende Anordnung könnte die Straßenverkehrsbehörde nur treffen, wenn diese aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs, etwa zur Vermeidung von ernsthaften und erheblichen Behinderungen für die Fußgänger, erforderlich und eine entsprechende Anordnung „auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten” wäre. Das Abstellen von Fahrrädern auf dem Fußgängerverkehr dienenden Flächen gefährdet grundsätzlich nicht die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs und ist nicht verkehrsordnungswidrig, soweit nicht im Einzelfall Störungen des Verkehrs eintreten. Denn auch in Fußgängerbereichen dürfen Fahrräder geschoben werden. Dass ein stehendes Fahrrad gefährlicher ist als ein geschobenes, dürfte ausgeschlossen sein.
Sonstige durchaus nachvollziehbare Gründe, wie das Fernhalten von Fahrrädern aus der Altstadtfußgängerzone aus ästhetischen Gründen oder die Hebung der Attraktivität der Verkehrsflächen, sind keine straßenverkehrsrechtlichen Gründe, die eine entsprechende Anordnung rechtfertigen könnten.
Rechtsgrundlagen außerhalb der StVO
Letztendlich verbleibt der Straßenverkehrsbehörde bzw. der Polizei die rechtliche Möglichkeit, störende Fahrräder auf Grundlage von Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. der Vorschriften des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz) umzusetzen. Die Voraussetzungen für ein legales Umsetzen sind beispielsweise erfüllt, wenn durch die Fahrräder Feuerwehreinfahrten blockiert werden, Streufahrzeuge ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können oder der Verkehr völlig gesperrt wird. Beim Umsetzen müsste aber in Bezug auf jedes einzelne Fahrrad sorgfältig geprüft werden, ob auch und gerade dieses eine Gefahr darstellt.Frage 4:
Falls das möglich ist, warum hat die Stadt das mögliche Verbot bislang nicht in die Satzung aufgenommen?
Antwort:
Entfällt; siehe Antwort auf Frage 3.
Frage 5:
Werden die Bediensteten der Stadtgärtnerei beim Auswechseln der Pflanz- behältnisse in den Fußgängerzonen, durch die abgestellten und teils ange- ketteten Räder in ihrer Arbeit behindert?
Antwort:
Antwort des zuständigen Baureferats: „Ja, in Einzelfällen.“
Frage 6:
Wenn ja, wäre es auch für die Stadtgärtner eine Erleichterung, wenn das Abstellen von Fahrrädern an Pflanzkübeln untersagt würde?
Antwort:
Antwort des zuständigen Baureferats: „Ja, aber nur in geringem Umfang.“