Die Arbeitsorganisation in Altenpflege-Einrichtungen ist ein entscheidender Faktor für die Qualität der Pflege. Zwei Münchner Pflegeeinrichtungen, das Damenstift am Luitpoldpark und das Haus Sankt Martin der Münchenstift GmbH, erproben in den kommenden drei Jahren eine bestmögliche Umsetzung des Modells „Primary Nursing“. Bei diesem in den USA entwickelten Konzept übernimmt eine Pflegefachkraft die umfassende Verantwortung für die Pflege einer begrenzten Bewohnergruppe. Ziel ist eine möglichst ganzheitliche Versorgung. Vor Beginn des Modellprojekts in München fand eine Studienfahrt in die Schweiz statt, wo unter der Bezeichnung „Bezugspflege“ bereits Elemente von „Primary Nursing“ umgesetzt werden. Sozialreferentin Brigitte Meier: „Im Fokus des Projekts steht auch, wie eine berufliche Perspektive für akademisch qualifizierte Pflegende in Deutschland geschaffen werden kann. Das Konzept bietet große Chancen, die Attraktivität der Pflegeberufe zu erhöhen, die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner und die Anliegen der Angehörigen in stärkerem Maße zu berücksichtigen und so für eine größere Zufriedenheit bei allen Beteiligten zu sorgen.“ Im Unterschied zur Bezugspflege orientiert sich die Pflege in Deutschland derzeit noch überwiegend an den Modellen der sogenannten Funktionspflege sowie der Bereichspflege. Bei der Funktionspflege werden die komplexen Pflegeprozesse in Einzeltätigkeiten zerlegt und auf einzelne Mitarbeiterinnen beziehungsweiseMitarbeiter verteilt. Bei der Bereichspflege übernimmt jede beziehungsweise jeder Pflegende jeweils für die Dauer einer Schicht die Verantwortung für eine Bewohnergruppe.
Das vom Stadtrat beschlossene Modellprojekt „Qualitätsoffensive stationäre Altenpflege“ wird pflegewissenschaftlich von Professor em. Johannes Kemser und Professorin Andrea Kerres von der Katholischen Stiftungsfachhochschule (KSFH) München begleitet. Kernfragen sind die Verbesserung der Bewohner- und der Mitarbeiterzufriedenheit. Das Projekt folgt der Fragestellung, unter welchen Bedingungen eine stärkere Orientierung am Modell des „Primary Nursing“ erfolgen kann. Zugleich geht es um die Erprobung der entsprechenden Mischung von Qualifikationen und Fähigkeiten (Grade- und Skill-Mix).
In beiden an dem Modellprojekt beteiligten Pflegeeinrichtungen studieren bereits Pflegende im Studiengang Pflege Dual der KSFH. Sie werden parallel in Kooperation mit der Berufsfachschule für Altenpflege der Evangelischen PflegeAkademie zu Pflegefachkräften ausgebildet. Beide Einrichtungen haben sich bereits im Vorfeld mit dem Thema einer stärkeren Bewohnerorientierung im pflegerischen Alltag befasst und zum Beispiel Arbeitsabläufe entsprechend neu strukturiert. Sie möchten ein Modell entwickeln, das dem „Primary Nursing“ nahe kommt und dabei den Pflegenden die entsprechende Möglichkeit zur Mitgestaltung geben.
Das Modellprojekt wurde in diesem Sommer gestartet und begann mit einer ersten Erhebung in den beiden Pflegeeinrichtungen. Studierende der KSFH haben im achten Semester einen Fragebogen für Führungskräfte, Pflegende und Angehörige entwickelt. Damit wurden erste Informationen u.a. zum Kenntnisstand zum Modell „Primary Nursing“ und zur Bereitschaft, dieses zu erproben, gewonnen. Dieser ersten Evaluation folgen nun individuell auf den jeweiligen Wohnbereich angepasste Planungsschritte zur Umsetzung.
Das Modellprojekt wird im Jahr 2018 ausgewertet. Die Ergebnisse werden dann dem Stadtrat vorgelegt.