Wie viele PraktikantInnen arbeiten bei der LHM ohne Vergütung?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Lydia Dietrich, Jutta Koller, Dominik Krause und Dr. Florian Roth (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste) vom 30.9.2015
Antwort Personal- und Organisationsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihrer Anfrage vom 30.9.2015 haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Unser Antrag vom 16.6.2015 ,Eine angemessene Aufwandsentschädi- gung für alle Praktikantinnen und Praktikanten in München‘, in dem wir for- derten, für länger als die üblichen Schulpraktika dauernden Praktika bei der Stadt eine angemessene Aufwandsentschädigung zu zahlen, wurde am 23.9.2015 im Verwaltungs- und Personalausschuss behandelt. Dabei wur- den die geltenden Vergütungsregelungen dargestellt und keine Änderung vorgeschlagen. Diesen Regelungen zu Folge geht die Stadt Praktikumsver- hältnisse nur im Falle von Pflichtpraktika ein, also z.B. in Studienordnungen vorgeschriebene Praktika. In verschiedenen Fallgruppen werden nach Tarifverträgen bzw. nach Regelungen des Verbandes der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Praktika vergütet. Es gibt aber auch Fallgrup- pen, bei denen keine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung einer Vergü- tung besteht (die nicht unter das Berufsbildungsgesetz – BBiG – fallen). In diesen Fällen kann nach VKA-Richtlinie bei besonderem Interesse an der Beschäftigung dieses Personenkreises eine Vergütung erfolgen. Dies ist in einigen Fachrichtungen der Fall, jedoch nicht in allen. Zahlen über nicht ver- gütete Praktika wurden nicht erhoben und konnten deshalb im Ausschuss auch nicht beantwortet werden. Dass in einer reichen und teuren Stadt wie München ausgerechnet die Stadtverwaltung mehrmonatige Praktika mit nicht vergütet, obwohl hier wertvolle Arbeit geleistet wird, erscheint uns unverständlich.
Die öffentliche Hand hat hier einerseits eine Vorbildrolle z.B. der Wirtschaft gegenüber, andererseits besteht angesichts steigender Aufgaben und ei- ner rapide wachsenden Stadtbevölkerung großes Interesse, über Praktika Personen zu gewinnen, die vielleicht später bei der Stadt beschäftigt wer- den können.
Deshalb wollen wir wissen, um welche Bereiche und welche Fallzahlen es sich hier handelt.
Deshalb fragen wir:
1. Wie viele PraktikantInnen arbeiteten im Jahr 2014 bei der LHM? bitte differenziert nach folgenden Kriterien darstellen:a. tariflich geregelte und nicht tariflich geregelte Praktika (also solche, bei denen eine Verpflichtung zur Vergütung besteht, und solche, bei denen dies nicht der Fall ist)
b. nicht unter den Geltungsbereich des BBiG fallende Praktikumsver- hältnisse, bei denen eine Vergütung gezahlt wurde c.nicht unter den Geltungsbereich des BBiG fallende PraktikantInnen, die keine Vergütung bekamen
2. In welchen Berufsgruppen und in Referaten bzw. Eigenbetrieben gab es die entsprechenden Praktikumsverhältnisse?
3. Wie viele und welche PraktikantInnen bekamen für ihre Arbeit eine Vergütung und wie viele und welche PraktikantInnen bekamen keine?
4. Wie groß war der Kostenrahmen für die Vergütung der PraktikantInnen (wieder differenziert wie unter 1.) und wie groß wäre der Kostenrahmen in der Differenz, wären alle PraktikantInnen vergütet worden?“
Nachfolgend wird auf alle diese Fragen gemeinsam geantwortet.
1. Vorbemerkung
Wie bereits in den Beschlüssen der Vollversammlung vom 19./25.10.2011 und zuletzt am 23./30.9.2015 dargestellt, wird im Bereich der kommunalen Arbeitgeber zwischen tariflichen und nicht tariflichen Praktikumsverhältnissen unterschieden (siehe beigefügtes Schaubild).
Tarifliche Praktikumsverhältnisse regeln sich nach den Vorschriften des Tarifvertrages für Praktikantinnen und Praktikanten des öffentlichen Dienstes vom 27.10.2009 (TVPöD). Bei nicht tariflichen Praktikumsverhältnissen wird hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Praktikanten und Praktikantinnen dahingehend unterschieden, ob diese unter das Berufsbildungsgesetz (BBiG) fallen oder nicht.
2. Unter das Berufsbildungsgesetz fallende Praktika
Sowohl bei Pflichtpraktika als auch freiwilligen Praktika, die unter das Berufsbildungsgesetz fallen, verpflichten die Vorschriften des Berufsbildungsrechts zu angemessener Vergütung (§ 26 i.v.m. § 17 Berufsbildungsgesetz) und anteiligem Urlaub (§§ 26, 10 Abs. 2 BBiG i.V.m. §§ 1, 3 BUrlG). Die Vergütung von Praktikantinnen und Praktikanten während der Ableistung ihres Pflichtpraktikums regelt sich nach Maßgabe der jeweils geltenden Richtlinien der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für die Zahlung von Praktikantenvergütungen („Praktikanten-Richtlinien der VKA“). Diese geben für einzelne Vor- und Berufspraktika einen angemessenen Vergütungsrahmen vor, in dem die Landeshauptstadt Mün-chen ihre Vor- bzw. Berufspraktikanten und -praktikantinnen bezahlt (vgl. Ziffer 3.2.1 des Beschlusses der Vollversammlung vom 23./30.9.2015).
Personen, die Praktika im Rahmen von Umschulungsmaßnahmen i.S.d. §§ 58 ff BBiG oder i.R.e Qualifizierungsbausteins, einer Berufsausbil- dungsvorbereitungsmaßnahme oder einer Ausbildung i.S.d. §§ 64 ff BBiG absolvieren, werden während der Praktikumszeit von dem jeweiligen Maßnahmeträger der beruflichen Weiterbildung oder der beruflichen Rehabilitation (z.B. Bundesagentur für Arbeit, Berufsbildungs- oder Berufsförderungswerk) bezahlt.
Die Vergütung bzw. der Anspruch auf anteiligen Urlaub im Rahmen freiwil- liger Praktika kann nur ausscheiden, wenn die Praktikantin/der Praktikant bei einem sehr kurzen Aufenthalt im Betrieb oder bei passiven Betriebsbesuchen ohne Einbindung in den Arbeitsprozess keinen wirtschaftlich verwertbaren Beitrag zum Betriebsergebnis leistet. Unter diese Ausnahmeregelung fallen die einwöchigen Hospitationen zur beruflichen Orien- tierung von Schülerinnen und Schülern.
3. Nicht unter das Berufsbildungsgesetz fallende Praktika
Praktika fallen nicht unter das Berufsbildungsgesetz, sofern sie auf Schulrecht oder Ausbildungs-, Studien-, Zulassungs- oder Prüfungsordnungen beruhen.
Für Praktikantinnen und Praktikanten, die nicht unter den Geltungsbereich des BBiG fallen, besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung. Im Bereich der kommunalen Arbeitgeber besteht jedoch nach Maßgabe der Praktikanten-Richtlinien der VKA die Möglichkeit, eine Vergütung an bestimmte Personengruppen zu zahlen, sofern ein besonde- res Interesse an der Beschäftigung dieses Personenkreises besteht. Bei der Landeshauptstadt München werden derzeit Praktika von Studierenden von (Fach)Hochschulen der Studiengänge „Soziale Arbeit“, „technischer Fachrichtungen“ „Informatik“ und „Pflegemanagement“ während der Ableistung ihres Praxissemesters bezahlt (vgl. Ziffer 3.2.2 des Beschlusses der Vollversammlung vom 23./30.9.2015).
4. Umfrage
Ihre Anfrage zielt vor allem darauf ab, eine Übersicht zu erhalten, wie viele Personen in welchen Studiengängen/ Berufsgruppen nicht vergütete Praktika bei der Landeshauptstadt München ableisten. Dem Personal- und Organisationsreferat liegen hierfür keine Zahlen vor, da die Beschäftigung nicht tariflicher Praktikantinnen und Praktikanten in dem vom Stadtrat inKenntnis der geltenden rechtlichen Regelungen gesetzten Rahmen in die Zuständigkeit der Referate und Eigenbetriebe fällt.
Abgesehen von Schülerpraktika, die Sie in Ihrer Anfrage selbst ausnehmen, sind derzeit nur Praktikantinnen und Praktikanten vorgeschriebener Hochschul- bzw. Schulpraktika, in deren Fachrichtungen derzeit kein besonderes dienstliches Interesse im Sinne der Praktikanten-Richtlinien der VKA festgestellt ist, von einer Vergütungszahlung ausgenommen. Die Praktikanten-Richtlinien der VKA sind für die Stadt bindend, d.h. bei einer freiwilligen Zahlung ohne Feststellung des besonderen dienstlichen Interesses würde die Stadt finanzielle Leistungen ohne rechtlich hinreichenden Grund gewähren.
Ein dienstliches Interesse liegt dann vor, wenn die Gewinnung von Studierenden in Fachrichtungen erfolgt, in denen die Stadt einen Personalmangel verzeichnet. Sollte sich abzeichnen, dass ausgeschriebene Stellen bestimmter Fachrichtungen nicht mehr mit geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern besetzt werden können, ist das Personal- und Organisationsreferat selbstverständlich schnell und unbürokratisch bereit, Praktikantenvergütungen festzulegen, um Studierende frühzeitig als zukünftiges Personal zu gewinnen.
Vor diesem Hintergrund würde eine Umfrage bei den Referaten nur einen kaum vertretbaren Verwaltungsaufwand bedeuten, da auch bei Kenntnis der Zahlen eine andere Entscheidung nicht möglich ist. Ich bitte Sie daher um Verständnis, wenn auf die Ermittlung der Zahlen verzichtet wird.
Die Anlage zur Antwort kann abgerufen werden unter