Fahrrad-Rikschas – der letzte unkontrollierbare Freiraum?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dr. Evelyne Menges und Richard Quaas (CSU-Fraktion) vom 23.9.2014
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Wilfried Blume-Beyerle:
Am 23.9.2014 haben Sie die Anfrage „Fahrrad-Rikschas – der letzte unkontrollierbare Freiraum?“ gestellt und dazu folgendes ausgeführt:
„Fahrrad-Rikschas gehören zwischenzeitlich zum festen Bestandteil Münchens, so wie in vielen anderen Städten auch. Eine Vielzahl unterschiedlicher Rikschas warten beispielsweise am Marienplatz, um ihre Gäste mit flottem Schwung durch die Stadt zu fahren. Ein weiteres Highlight ist das Oktoberfest, wo diese Radltaxis sogar aus ganz Deutschland verstärkt werden. Da die Fahrrad-Rikschas anders als die Taxis keiner Konzession unterliegen, fragen wir im Sinne des Verbraucherschutzes wie folgt“.
Soweit Ihre Ausführungen. In diesem Zusammenhang haben Sie nachfolgende Fragen gestellt, die wir nach Erhalt einer Stellungnahme des Polizeipräsidiums München und der Stadtkämmerei – Kassen- und Steueramt im Auftrag des Herrn Oberbürgermeister wie folgt beantworten können:
Frage 1:
Wie viele Fahrrad-Rikschas gibt es in München im Allgemeinen über das Jahr verteilt und besonders zur Zeit des Oktoberfests?
Antwort:
Die Zahl der Fahrrad-Rikschas, die in München während des Jahres und im Speziellen während der Oktoberfestzeit vorhanden sind, ist dem Kreisverwaltungsreferat nicht bekannt. Einen Anhaltspunkt kann jedoch die Anzahl der vom Kreisver waltungsreferat erteilten „Ausnahmegenehmigungen vom Verbot der Mitnahme von Personen auf Fahrrädern“ geben, welche der Betreiber einer Fahrrad-Rikscha mitführen muss, wenn er auf seinem Fahrzeug Personen älter als 7 Jahre mitnehmen will. Da diese Ausnahmegenehmigungen in der Regel mit der Gültigkeit von einem Jahr erteilt werden, ist diese Zahl während der Oktoberfestzeit und dem übrigen Jahr weitgehend gleich. Lediglich die Anzahl der in den Wochen vor Beginn des Oktoberfests und auch noch während des Oktoberfests beantragten Ausnahmegenehmigungen lässt Rückschlüsse auf die große Attraktivität des Oktoberfests für die Betreiber von Fahrrad-Rikschas zu.Konkret gab es mit Stand 30.9.2014 insgesamt 235 gültige Ausnahmegenehmigungen vom Verbot der Mitnahme von Personen auf Fahrrädern. Von dieser Menge wurden 121 Ausnahmegenehmigungen erst in der Zeit ab dem 19.8.2014 erteilt bzw. verlängert. Im Vergleich dazu gab es zum Ende des Oktoberfests 2013 noch 213 gültige Ausnahmegenehmigungen. Das ergibt im Jahr 2014 einen Anstieg der Zahl der Ausnahmegenehmigungen um 10% gegenüber dem Vorjahr. 2012 gab es am Ende des Oktoberfests noch 179 gültige Ausnahmegenehmigungen, 2011 waren dies 144 gültige Ausnahmegenehmigungen, 2010 waren dies 133 gültige Ausnahmegenehmigungen. In den vier Jahren seit 2010 erhöhte sich also die Anzahl der Ausnahmegenehmigungen mit Stand Ende des Oktoberfests um 77%.
Grundsätzlich ist bei diesen Zahlen aber zu berücksichtigen, dass von der Polizei bei Kontrollen immer wieder Rikscha-Fahrer ohne Ausnahmegenehmigung angetroffen werden. Es besteht aber keine Gewähr, dass jeder Inhaber einer Ausnahmegenehmigung während des Oktoberfests und insbesondere während der übrigen Zeit des Jahres auch tatsächlich seine Fahrrad-Rikscha einsetzt.
Frage 2:
Sind alle Fahrer nach Erkenntnissen des KVR selbstständig oder gibt es in diesem Gewerbe, wie bei den Taxis, auch Unternehmer, mit angestellten Fahrern?
Antwort:
Das Kreisver waltungsreferat erteilt die vorgenannte Ausnahmegenehmigung dem Betreiber eines Fahrrad-Rikscha-Betriebs. Setzt dieser Betreiber mehr als eine Fahrrad-Rikscha mit einem oder mehreren abhängig beschäftigten Fahrern gleichzeitig ein, kann er auf Antrag eine oder mehrere Ausfertigungen der Ausnahmegenehmigung erhalten, die sein jeweiliger Fahrer während der Mitnahme von Personen mitführen muss. Die mit Stand 30.9.2014 gültigen 235 Ausnahmegenehmigungen waren 163 Betreibern erteilt worden. Von den genannten 163 Betreibern haben lediglich zehn Betreiber mehr als eine Ausfertigung der Ausnahmegenehmigung. Daher kann davon ausgegangen werden, dass 153 Rikscha-Betreiber allein mit ihrem eigenen oder angemieteten Fahrzeug selbständig unterwegs sind.
Die im ADFC München e.V. tätige Arbeitsgruppe „Rikscha und Lasten“ hat anlässlich der Veröffentlichung Ihrer Anfrage Folgendes mitgeteilt: „Die meisten Fahrer sind selbständig und fallen als Einzelunternehmer mei-stens unter die Kleinunternehmerregelung nach §19 UStG. Die Selbständigkeit besteht unabhängig davon, ob eine eigene Rikscha besessen wird oder eine Rikscha bei einem Unternehmen angemietet wird.“
Frage 3:
Welchen Sicherheitsstandards unterliegen die Fahrrad-Rikschas, vor allem in Frage der Beförderung von Gästen?
Antwort:
Für Fahrrad-Rikschas gelten die allgemeinen Anforderungen der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Spezielle Regelungen für die Beschaffenheit von Fahrrad-Rikschas gibt es nicht. Für den verkehrssicheren Zustand des Fahrzeugs ist allein der Fahrzeugführer verantwortlich (vgl. § 30 StVZO). Aktuell lässt sich das Kreisverwaltungsreferat bei der Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Verbot der Mitnahme von Personen auf Fahrrädern das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen für Kraftfahrzeuge vorlegen. Da jedoch keine konkreten gesetzlichen Regelungen über den Inhalt und das höchstzulässige Alter des Gutachtens bestehen und das Kreisverwaltungsreferat keine Möglichkeit zur Überprüfung hat, ob das vorgelegte Gutachten überhaupt zum tatsächlich verwendeten Fahrzeug gehört, wird künftig auf die Vorlage eines solchen Gutachtens bei der Antragstellung verzichtet. Stattdessen erhält die Ausnahmegenehmigung künftig die Bedingung, dass sie nur dann gültig ist, wenn der Fahrzeugführer das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen mitführt, das sich auf die Bauart der ver wendeten Fahrrad-Rikscha bezieht, diese beschreibt und die Geeignetheit für die Mitnahme einer bestimmten Anzahl an Personen und für den Einsatz im Straßenverkehr gemäß § 16 StVZO nachweist. Die Überprüfung des Gutachtens auf Übereinstimmung mit dem Fahrzeug erfolgt dann durch die Überwachungskräfte der Polizei bei Kontrollen im Straßenverkehr.
Frage 4:
Hat jede Fahrrad-Rikscha z.B. einen Sicherheitsgurt und wer überwacht die Hygiene im Fahrzeug?
Antwort:
Da das Vorhandensein eines Sicherheitsgurts in Fahrrad-Rikschas nicht vorgeschrieben ist, sind diese dort nur dann vorhanden, wenn der Betreiber sie freiwillig anbringt. Für die Hygiene im Fahrzeug ist allein der Rikscha-Betreiber verantwortlich. Eine behördliche Zuständigkeit für deren Über wachung besteht nicht.Die im ADFC München e.V. tätige Arbeitsgruppe „Rikscha und Lasten“ hat hierzu Folgendes mitgeteilt: „Fahrrad-Rikschas fahren im gemäßigten Straßenverkehr in der Innenstadt mit 9-12 km/h und im Allgemeinen maximal mit 25 km/h. Es ist in der Geschichte des Rikschafahrens in München noch nie bekannt geworden, dass eine Person z.B. bei einer Vollbremsung aus der Rikscha gefallen wäre. Dies hat technische Gründe, denn eine Fahrrad-Rikscha hat zwar einerseits einen kurzen aber andererseits einen verhältnismäßig gedämpften Bremsweg, so dass keine erwähnenswerten Fliehkräfte beim Bremsen entstehen können.
Sicherheitsgurte werden vom Verbraucher beim Fahren erfahrungsgemäß als störend wahrgenommen und folglich nicht gewünscht. Sie haben sich nur in Ausnahmefällen als sinnvoll erwiesen – meist ist dies dann von verkaufspsychologischer Natur, wo sich der Verbraucher in einer vermeintlichen Sicherheit wähnt.
Die Hygiene wird vom Rikschafahrer über wacht.“
Frage 5:
Welche Tarife legen Fahrrad-Rikschas für Ihre Wegstrecken zugrunde, bzw. wer kontrolliert, dass keine Wucherpreise verlangt werden?
Antwort:
Das Entgelt für die Personenmitnahme können Rikscha-Betreiber und Kunde gemäß dem Grundsatz der Vertragsfreiheit frei aushandeln. Vorschriften, die die Einhaltung bestimmter Fahrpreise festlegen oder eine Behörde zur Festsetzung solcher Beförderungstarife für Fahrrad-Rikschas ermächtigen, bestehen nicht. Lediglich die Vorschriften der Preisangabenverordnung müssen von den Rikscha-Betreibern eingehalten werden. Diese besagen, dass die Rikscha-Betreiber ein Preisverzeichnis mit ihren Verrechnungssätzen aufstellen müssen und die Preise deutlich sichtbar und leicht zu lesen sein müssen.
Die im ADFC München e.V. tätige Arbeitsgruppe „Rikscha und Lasten“ hat hierzu Folgendes mitgeteilt: „Die Preisgestaltung beruht auf den allgemeinen Prinzipien der Marktwirtschaft und basiert auf Verhandlungen und gegenseitigem Einverständnis. Vor und nach dem Oktoberfest sind sie billiger als während des Oktoberfests.
Es sind zur Wiesn Info-Prospekte verteilt worden, wo man sich auch über die Preise informieren konnte. Dieser Info-Prospekt kann online unter
www.rikscha-muc.orgeingesehen werden. Darin wird detailliert auf diePreise, gerade zur Oktoberfestzeit eingegangen. Auf der Seite gibt es weitere Beschreibungen des Gewerbes und zur Preisstruktur.
Rikschas stehen unter dem Jahr vor allem für erstklassiges Sightseeing. Dafür wird pro halbe Stunde im Schnitt zwischen 28 und 35 Euro verlangt. Für zwei Personen. Vergleicht man die Preise mit den Touren der Rikschas in New York und anderen Metropolen, fallen sie in München moderat aus. Darüber hinaus wird seit 2013 die Preisauszeichnungspflicht laut PAngV vom KVR/Gewerbeamt sehr gründlich überprüft.“
Frage 6:
Fahrrad-Rikschas nutzen öffentliche Straßen und Plätze, benötigen sie, wie die Taxis auch, eine Konzession und zahlen sie wie diese eine Gebühr für ihr Gewerbe, bzw. die Standplätze?
Antwort:
Fahrrad-Rikschas nutzen öffentliche Straßen bei der gewerbsmäßigen Mitnahme von Personen im Rahmen des Gemeingebrauchs. Eine Sondernutzung von öffentlichem Verkehrsgrund liegt hier nicht vor, da dieser zur Fortbewegung und damit entsprechend seinem widmungsgemäßen Zweck
genutzt wird. Anders als Taxis benötigen deren Betreiber jedoch keine personenbeförderungsrechtliche Erlaubnis wie die sogenannte Taxikonzession, da das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) nur für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen anwendbar ist, nicht aber bei Fahrrädern. Dagegen benötigen die Betreiber von Fahrrad-Rikschas die bereits angesprochene Ausnahmegenehmigung vom Verbot der Mitnahme von Personen auf Fahrrädern und, je nach Art der Ausübung ihres Gewerbes, entweder eine Reisegewerbekarte oder eine Gewerbeanmeldung („Gewerbeschein“). Sowohl für die Ausnahmegenehmigung als auch für die Reisegewerbekarte bzw. Gewerbeanmeldung fallen Ver waltungsgebühren an.
Was die Standplätze für Fahrrad-Rikschas betrifft, so besteht keine gesetzliche Pflicht für Rikscha-Betreiber, ihre Leistungen ausschließlich in beschilderten und markierten Bereitstellungszonen anzubieten. Lediglich in solchen Gebieten, in denen das Kreisverwaltungsreferat das Anbieten von Leistungen mit Fahrrad- Rikschas durch Allgemeinverfügung verboten und auf deutlich gekennzeichnete Standplätze beschränkt hat, ergeben solche Standplätze einen Sinn. Solche Allgemeinverfügungen existieren zurzeit für den Marienplatz und Umgebung für die Zeit von April bis Oktober sowie für die an die Theresienwiese nördlich und östlich angrenzenden Bereiche während des Oktoberfests. Deshalb werden Rikscha-Standplätze durchdas Kreisverwaltungsreferat nur in den Geltungsbereichen der genannten Allgemeinverfügung ausgewiesen. Eine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für die Nutzung von Taxistandplätzen oder Rikscha-Standplätzen auf öffentlichem Verkehrsgrund besteht nicht.
Frage 7:
Gibt es gewerberechtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen?
Antwort:
Spezielle gewerberechtliche Voraussetzungen für die Mitnahme von Personen auf Fahrrädern bestehen nicht. Vor Erteilung einer Reisegewerbekarte wird bei jeder Gewerbeart grundsätzlich ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister eingeholt, um die Zuverlässigkeit des Antragstellers zu überprüfen.
Frage 8:
Wie viele Unfälle mit Fahrrad-Rikschas hat es in den letzten 5 Jahren gegeben und wurden dabei auch Insassen verletzt?
Antwort:
Hierzu hat das Polizeipräsidium München Folgendes mitgeteilt, dass in den Jahren 2010 bis 2014 14 Unfälle mit Rikschas polizeilich registriert wurden und dass die „Dunkelziffer“, vor allem bei kleinen Schäden, deutlich höher liegen dürfte. Über verletzte Insassen liegen keine Erkenntnisse vor.
Frage 9:
Werden die Rikschas steuerlich erfasst, bzw. wie hoch ist das Gewerbesteueraufkommen von Fahrrad-Rikschas im Verhältnis zur Anzahl der Fahrrad-Rikschas?
Antwort:
Hierzu hat die Stadtkämmerei – Kassen- und Steueramt mitgeteilt, dass die Betreiber von Fahrradrikschas mit Betriebssitz in München im Zusammenhang mit kommunalen Steuern von der Stadtkämmerei nicht gesondert erfasst werden, sondern in der Wirtschaftsgruppe „Personenbeförderung“ enthalten sind, zu der z.B. auch private Schulbusunternehmen gehören. Folglich ist die Zahl der Betriebe, die sich mit der Personenbeförderung mittels Fahrradrikscha befassen, bei der Stadtkämmerei nicht feststellbar.Dementsprechend ist dort auch die Höhe des Jahresgewerbesteueraufkommens der Fahrrad-Rikscha-Betriebe nicht feststellbar.
Wir gehen davon aus, dass mit Beantwortung Ihrer Fragen die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.