Reduzierung des Lieferverkehrs in der Stadt?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer-Rath (Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung (FDP – HUT – Piraten)) vom 18.12.2014
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 18.12.2014 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadt- planung und Bauordnung wie folgt beant
wortet wird.
Mit Schreiben vom 22.1.2015 wurde um Terminverlängerung bis zum Ende des 1. Quartals 2015 gebeten, die von Ihrer Seite gewährt wurde.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
Die Anfrage befasst sich mit der Zunahme des Lieferverkehrs durch ver- schiedene Paketzusteller in Folge der Zuwachsraten des Online-Handels und Überlegungen zu einer einheitlichen Paketverteilung in München nach der Art des Modellversuchs in Paris. Zudem wird nach dem Bedarf an Logistikimmobilien in München gefragt. Zu den Fragen wurde auch die Meinung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern abgefragt und nachfolgend ergänzend angefügt.
Frage 1:
Besteht in München ein wachsender Bedarf an kleineren Logistikimmobilien (bis 7.000 qm) zum Umschlag von Waren?
Antwort:
Nach dem Logistikmarkt-Report 2015 von BNP Paribas Real Estate
(BNPPRE), bundesweit führender Immobilienberater, ist nach einem schwächeren Jahr 2013 im vergangenen Jahr eine deutliche Zunahme beim Flächenumsatz auf dem Münchner Logistik- und Lagerflächen markt zu verzeichnen. Stärkste Nachfrager 2014 waren Logistikdienstleister (ca. 43%), gefolgt von Industrieunternehmen (ca.32%). Unterschieden nach Flächengrößenklassen trugen kleinere Verträge bis 3.000 m² am stärksten bei (ca. 34%), gefolgt von Großabschlüssen über 12.000 m² (ca. 33%). Die Kategorie von 5.000 bis 8.000 m² belegte Platz drei mit 15%. Somit ist der Bedarf an kleineren Logistikimmobilien (bis 7.000 m2) in München nach wie vor hoch. Auch für 2015 zeichnet sich aus heutiger Sicht nach Aussage des Logistikmarkt-Reports eine positive Entwicklung des Logistikmarkts bzw. eine Steigerung des Flächenumsatzes ab.Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK) bestätigt den steigenden Bedarf an kleineren logistischen Knotenpunkten in Folge neuer Vertriebswege und kürzerer Lieferzeiten bedingt durch die vom Kunden gewünschte Lieferung am Tag der Bestellung. Da die kleineren Knotenpunkte oder Cross-Docking-Lager in der Regel zur Bündelung der innerstädtischen Warenverteilung dienen, steigt die Nachfrage von solchen Umschlagplätzen vorrangig in der Nähe von Ballungszentren. München ist hier in Deutschland keine Ausnahme. Auch in der direkten Umgebung der Metropolregion München ist der Bedarf an Cross-Dock-Anlagen mit einer Größe zwischen 3.000 und 8.000 m² gewachsen.
Frage 2:
Wie schätzt die Verwaltung das Wachstum von Transportverkehr im Zuge des zunehmenden Internethandels ein?
Antwort:
Bei Befragungen zum Wirtschaftsverkehr mit „kleinen“ Fahrzeugen (Pkw gewerblicher Halter und Lkw bis einschließlich 3,5 t Nutzlast) in München im Jahr 2010 im Rahmen der Studie „Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland (KiD)“ wurde festgestellt, dass ca. 82% der Fahrten im Wirtschaftsverkehr in München mit „kleinen“ Fahrzeugen abgewickelt werden und der Anteil der Kfz zwischen 2,8 t und 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht (Kleintransporter) in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Diese Ent- wicklung wird angesichts der Zuwachsraten im Internethandel weiter steigen.
Nach der KEP-Studie (Kurier-, Express-, Paket-Studie) 2014 für den Bun- desverband Internationaler Express- und Kurierdienste (BIEK) zeigt sich seit der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder ein dynamischer Wachstums- trend in der KEP-Branche, der bis 2018 anhalten wird. Im Jahr 2013 wurden knapp 2,7 Mrd. Sendungen in Deutschland verschickt. Für das Jahr 2014 rechnet die Branche in Deutschland mit einem weiteren Anstieg des Sendungsvolumens um 3 bis 3,5% (Zahlen von 2014 liegen noch nicht vor).
Die IHK erwähnt, dass eine eindeutige Prognose zur Verkehrsentwicklung im KEP-Bereich aufgrund der Dynamik des Marktes nur schwer möglich ist, Veränderungen jedoch aufgrund des zunehmenden Internethandels erfolgen. Bei der Betrachtung der Auswirkungen des zunehmenden
Internethandels und der damit verbundenen Verkehrsentwicklung ins- gesamt darf das/der Transportaufkommen/Transportverkehr im KEP-
Bereich nicht singulär betrachtet werden. Theorien zufolge kann eszu einem Substitutionseffekt durch den Rückgang des motorisierten Individualverkehrs kommen. Demnach müssen die Auswirkungen auf
den gesamten innerstädtischen Verkehr betrachtet werden und hierfür Lösungen gefunden werden.
Frage 3:
Wie gedenkt die Verwaltung der zunehmenden Belastung des fließenden Verkehrs durch Parken in zweiter Reihe zu begegnen?
Antwort:
Nach Aussage des Kreisverwaltungsreferates gibt es gegen das kurzzeitige Halten in zweiter Reihe durch verschiedenste Paketzusteller zum Zwecke der Zustellung an der Wohnungstüre oder am Gewerbebetrieb derzeit keine Lösung. Paketzusteller richten ihren Haltepunkt für die Zustellung immer nach dem kürzesten Fußweg zur Zustelladresse und halten dort unmittelbar. Das Halten in zweiter Reihe ist für sie die einfachste und schnellste Art der Zustellung. Sie müssen nicht in eine Parkbucht oder Ladezone ein- und ausparken, was mit mehrmaligem Rangieren verbunden ist, versperren keine Grundstücksein- und ausfahrt, belegen keine Feuerwehranfahrtszone und können sofort wieder weiterfahren ohne sich in den Verkehr einfädeln zu müssen. Das Halten in zweiter Reihe bietet den Paketzustellerinnen/Paketzustellern so große Vorteile, dass auch eine großzügige Ausweisung weiterer Ladezonen im Stadtgebiet, verbunden mit Parkplatzverlusten für die Anwohnerinnen/Anwohner und Kundinnen/ Kunden, keine Verbesserung der Situation erwarten lässt.
Frage 4:
Ist ein Modellversuch (wie in Paris) in München vorstellbar, dass Paket- zusteller gezwungen werden, die Zustellung auf der „letzten Meile“ einem neutralen einheitlichen Verteiler zu übertragen?
Antwort:
Eine Zuweisung an nur einen Paketzusteller ist wegen des Eingriffs in den Markt bzw. Wettbe
werb derzeit nicht möglich. Es fehlt eine entsprechende
gesetzliche Grundlage. Möglichkeiten einer besseren Organisation werden in freiwilligen Kooperationen von Logisitkdienstleistern gesehen, die auf verschiedene Weise bereits statt finden. Allerdings bedarf es hier eines funktionsfähigen, transparenten Kooperationsmanagements, um freiwillige Zusammenschlüsse der Zusteller bzw. Paketdienste dauerhaft zu gewährleisten.Nach Ansicht der IHK ist aus Sicht der Unternehmer/Wirtschaft dieser Modellversuch in München/Deutschland nicht vorstellbar.
Die Unternehmen können vom Gesetzgeber nicht gezwungen werden,
einen neutralen Verteiler für die Zustellung zu beauftragen. In Deutschland gilt nach wie vor das Wettbewerbsprinzip und die freie Wahl von Dienstleistern für die Erfüllung der Transportleistung darf nicht beschnitten werden.
Vorstellbar ist nach Ansicht der IHK jedoch, dass freiwillige Initiativen/ Aktivitäten zur Bündelung von Transportmengen für die Innenstädte mit einem konsensfähigen/einheitlichen Verteiler durchgeführt werden. Dies ist jedoch mit der Wirtschaft abzustimmen.
In Bezug auf die Entwicklung der Paketstationen hält die Verwaltung aus verkehrlichen wie aus städtebaulichen Gründen eine Vielzahl von Paketstationen unterschiedlicher Anbieter im selben Quartier für wenig sinnvoll. In Modellversuchen/-quartieren, in denen Siedlung und Mobilität integriert konzipiert werden, sollen daher innovative Logistikkonzepte für die letzte Meile gemeinsam mit der Wirtschaft getestet werden.
Frage 5:
Wäre es vorstellbar, Stadtgebiete für bestimmte einheitliche Zusteller auszuschreiben, um eine Monopolisierung zu vermeiden?
Antwort:
Siehe hierzu Antwort zu Frage 4.
Frage 6:
Wenn solche Modelle rechtlich nicht möglich sind: welche gesetzlichen Änderungen wären nötig?
Antwort:
Nach Ansicht des Referates für Stadtplanung und Bauordnung und der IHK sind gesetzliche Änderungen bzw. Vorgaben insgesamt nur sehr schwer vorstellbar und müssten gemeinsam mit den Unternehmen/der Wirtschaft diskutiert werden. Grundsätzlich sind nach wie vor freiwillige Initiativen zur Bündelung von Transportverkehren zu unterstützen und entsprechende Förderprogramme seitens verschiedener Akteure zu fördern.
Abschließend darf ich darauf hinweisen, dass in der jährlich stattfindenden Wirtschaftsverkehrsrunde im Referat für Stadtplanung und Bauordnung über aktuelle Entwicklungen des Wirtschaftsverkehrsgeschehens inMünchen und über verkehrliche Maßnahmen für den Wirtschaftsverkehr unter Teilnahme der Kammern und Verbände informiert und diskutiert wird.
Ich hoffe, Ihre Fragen damit ausreichend beantwortet zu haben.