Wie leben und arbeiten Auszubildende in München? Welche Schulbildung haben sie? Wie viel Geld steht ihnen zur Verfügung? Wie wohnen sie und was wollen sie nach ihrer Berufsausbildung machen? Antworten zu diesen und weiteren Fragen gibt die Untersuchung „Berufsausbildung und Wohnen in München“, deren Ergebnisse gestern im Münchner Stadtrat bekannt gegeben wurden.
Demnach haben mehr als die Hälfte der Auszubildenden die Mittlere Reife, weniger als ein Prozent hat keinen Schulabschluss. Die Berufsausbildung treten die jungen Menschen meist unmittelbar nach dem Schulabschluss an und nach Ende ihrer Berufsausbildung möchten die meisten weiter in ihrem erlernten Beruf arbeiten. Nur acht Prozent streben anschließend eine höhere Schulbildung an. Auszubildende wohnen überwiegend bei ihren Eltern und verdienen durchschnittlich 607 Euro im Monat. In der eigenen Wohnung wohnen nur 16 Prozent. Um sich das Leben in der Großstadt leisten zu können, werden mehr als die Hälfte der Auszubildenden von Verwandten oder Partnern finanziell unterstützt. Zirka 25 Prozent haben neben der Berufsausbildung eine Nebenbeschäftigung.
Der Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft, Bürgermeister Josef Schmid betont: „Damit München auch weiterhin ein attraktiver Ausbildungsstandort bleibt und die Nachwuchskräftesicherung aufrecht erhalten werden kann, ist es unerlässlich, dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum für Auszubildende zur Verfügung steht. Deshalb baut die Stadt München aktuell 170 Wohneinheiten, die für junge Auszubildende reserviert sind. Wir wollen zudem jugendliche Flüchtlinge in Ausbildung bringen. Dazu haben wir das Programm ,Pass(t) genau‘ für jugendliche Flüchtlinge aufgelegt. Unser Ziel ist, die Bereitschaft der Betriebe für eine Ausbildung von jugendlichen Flüchtlingen zu erhöhen und sowohl den Betrieben als auch den Flüchtlingen Hilfestellungen anzubieten. Das trägt nicht nur zur Integration von jungen Flüchtlingen bei, sondern stärkt auch die Infrastruktur des Münchner Ausbildungsmarkts.“
Sozialreferentin Brigitte Meier: „Nach München kommen überproportional viele junge Flüchtlinge. Ihre Integration in Bildung und Ausbildung ist eine der dringendsten Aufgaben der nächsten Jahre und liegt der Münchner Stadtpolitik sehr am Herzen. Deshalb hat der Stadtrat vor kurzem beschlossen, allein die Mittel für Deutschkurse von zirka 800.000 auf 1,6 Millionen Euro jährlich zu verdoppeln. Dazu werden die Mittel für weitere Bildungs- und Integrationsangebote für Flüchtlinge um zirka 500.000 Euro erhöht, so dass die Fördermittel insgesamt um 1,3 Millionen Euro steigen. Dieses Geld könnte man kaum besser investieren: Denn mit ihren Potentialen und ihrer Motivation sind die Flüchtlinge eine große Bereicherung für den Arbeitsmarkt und die Stadtgesellschaft, gerade auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels. Die berufliche Integration ist außerdem die entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich die Flüchtlinge mittelfristig auf dem angespannten Münchner Wohnungsmarkt zurechtfinden.“
Im Zuge der Befragung wurde auch ein Fokus auf die Schulsozialarbeit an den beruflichen Schulen gelegt, die in Kooperation von Sozialreferat und Referat für Bildung und Sport an den einzelnen Berufsschulen den Schülerinnen und Schüler bei den unterschiedlichsten persönlichen und beruflichen Problemlagen zur Seite steht. Durch die Studie wird deutlich, dass sich Auszubildende, die dieses Beratungsangebot in Anspruch genommen haben, sehr gut unterstützt und beraten gefühlt haben. Durch dieses Ergebnis sehen sich beide Referate in ihrer Annahme bestätigt, wie wichtig dieses Angebot für die Schülerinnen und Schüler der Münchner Berufsschulen ist, um eine langfristige erfolgreiche Hilfestellung auf dem Weg von der Ausbildung in das Berufsleben zu gewährleisten.
Stadtschulrat Rainer Schweppe macht deutlich: „Die Heterogenität der Klassen ist eine große Herausforderung für den Unterricht in den Berufsschulen. Innerhalb einer Klasse muss das Unterrichtsangebot genauso auf die Bedarfe von aus Mittelschulen kommenden Jugendlichen wie die von Studienabbrecherinnen und Studienabbrechern mit Fachabitur und Abitur ausgerichtet werden. Auch haben die Auszubildenden sehr unterschiedliche zusätzliche Förderbedarfe, wie zum Beispiel in Deutsch, Mathematik oder im fachlichen Bereich. Eine Möglichkeit, diese Herausforderungen zu meistern, ist die Individualisierung des Unterrichts. Die Einführung der bedarfsorientierten Budgetierung an den Berufsschulen, wie sie derzeit schon in einigen städtischen Realschulen und Gymnasien durchgeführt wird, könnte hierzu die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen.“ Für die Studie wurden zwischen April und Juli 2014 Auszubildende aller 34 städtischen Berufsschulen befragt. Die Untersuchung wurde gemeinsam vom Referat für Bildung und Sport, dem Referat für Arbeit und Wirtschaft und dem Sozialreferat durchgeführt.
Die Ergebnisse im Detail: Geschlecht
Das Geschlechterverhältnis an Münchens Berufsschulen ist unausgewogen: 45,4 Prozent der Befragten sind weiblich und 54,6 Prozent männlich. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass sich viele junge Frauen für eine Ausbildung an einer Berufsfachschule entscheiden, an denen insgesamt der Frauenanteil sehr hoch ist, wie an den Berufsfachschulen der Gesundheitsberufe oder für Kinderpflege. In der Folge sind sie in der dualen Berufsausbildung etwas unterrepräsentiert. Der Frauenanteil streut zwischen den Ausbildungsberufen sehr stark. So sind bei den Medizinischen Fachangestellten 98 Prozent weiblich, bei den Rechtsanwaltsfachangestellten und bei den Zahnmedizinischen Fachangestellten beträgt der Frauenanteil jeweils 94 Prozent. In einigen handwerklichen Berufen hingegen liegt der Frauenanteil bei unter zehn Prozent.
Migrationshintergrund
67,2 Prozent der Befragten sind Deutsche ohne Migrationshintergrund, 18,8 Prozent Deutsche mit Migrationshintergrund und 14 Prozent Ausländerinnen und Ausländer. Bei den Ausbildungsberufen streut der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund sehr stark. Bei den Zahnmedizinischen Fachangestellten ist er mit 77 Prozent am höchsten, gefolgt von den Medizinischen Fachangestellten (75 Prozent), den Verkäufern (67 Prozent) und Kaufleuten im Einzelhandel (53 Prozent). Berufe mit geringen Anteilen an Auszubildenden mit Migrationshintergrund sind zum Beispiel Technischer Produktdesigner (5 Prozent) oder Sozialversicherungsfachangesteller (9 Prozent).
Schulabschluss
Mit 53 Prozent dominiert an den Berufsschulen die Mittlere Reife. 8,6 Prozent der Berufsschülerinnen und -schüler haben den Mittelschulabschluss, 18,7 Prozent den Qualifizierenden Mittelschulabschluss, 8 Prozent Fachabitur und 11 Prozent das Abitur. 0,7 Prozent verfügen über keinen Schulabschluss.
Zeit zwischen Schulabschluss und Beginn der Berufsausbildung
59,7 Prozent der Befragten haben die Berufsausbildung unmittelbar nach der Schule angetreten. 16,1 Prozent haben zwischen Schule und Berufsausbildung gejobbt. 5,6 Prozent haben bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen. Deutschen ohne Migrationshintergrund gelingt es häufiger, unmittelbar nach der Schule eine Berufsausbildung anzutreten (64,4 Prozent) als Deutschen mit Migrationshintergrund (52,1 Prozent) oder ausländischen Jugendlichen (48,3 Prozent).
Pläne für die Zeit nach der Berufsausbildung
Nach Ende ihrer Berufsausbildung möchten 62,6 Prozent der Befragten in direktem Anschluss weiter in ihrem erlernten Beruf arbeiten – 48,3 Prozent im Ausbildungsbetrieb und 14,3 Prozent in einem anderen Betrieb. 8,1 Prozent möchten eine Berufsoberschule besuchen. Die Gründe der Jugendlichen, nach der Ausbildung ihren Beruf in einem anderen Betrieb ausüben zu wollen, sind vielseitig. Häufig verweisen die Jugendlichen darauf, dass sie Erfahrungen in anderen Betrieben, Sparten oder Ländern sammeln möchten. Einige erhoffen sich durch einen Wechsel des Arbeitgebers bessere Karriere- oder Verdienstmöglichkeiten. Andere suchen nach einem Arbeitsplatz, der näher an ihrem Wohnort liegt oder wechseln in den elterlichen Betrieb. Schließlich verweisen Befragte auch darauf, dass sie wechseln müssen, weil sie von ihrem Betrieb nicht übernommen werden.
Körperliche Beschwerden
22,4 Prozent der Befragten geben an, körperliche oder andere Beschwerden zu haben, die sie auf die Arbeit im Betrieb zurückführen. In etwa der Hälfte dieser Fälle handelt es sich um Rückenbeschwerden. Am häufigsten geben angehende Konditoren (58 Prozent), Friseure sowie Zahnmedizinische Fachangestellte (jeweils 48 Prozent) an, körperliche Beschwerden in Zusammenhang mit ihrer Ausbildungstätigkeit zu haben.
Wohnung der Auszubildenden
Zum Zeitpunkt der Befragung wohnten 75,1 Prozent der befragten Auszubildenden bei ihren Eltern oder einem Elternteil, 16,2 Prozent in einer eigenen Wohnung, 1 Prozent zur Untermiete, 3,9 Prozent in einer WG, 1,5 Prozent in einem Wohnheim, 0,3 Prozent beim Ausbildungsbetrieb und 2,1 Prozent in einer sonstigen Wohnform. Männliche Auszubildende leben häufiger bei ihren Eltern als weibliche Auszubildende (77,9 Prozent zu 71,9 Prozent). 8,3 Prozent wohnen mit Lebenspartnern zusammen. Am höchsten sind die von den Auszubildenden aufzubringenden Mietkosten (inklusive Nebenkosten) bei einer eigenen Wohnung mit durchschnittlich 498 Euro im Monat. Im Wohnheim betragen sie 440 Euro, in einer Wohngemeinschaft 367 Euro. Für ein Zimmer zur Untermiete sind 291 Euro und für die Unterkunft beim Ausbildungsbetrieb 196 Euro fällig.
Bewertung der Wohnsituation durch die Auszubildenden
Zahlreiche Auszubildende geben an, dass sie gerne eine eigene Wohnung in München hätten, sich eine solche angesichts der hohen Mietkosten jedoch nicht leisten können. Viele derjenigen, die in einer eignen Wohnung leben, betonen, dass sie sich finanziell sehr einschränken müssen.
Ausbildungsvergütung
Im Durchschnitt beträgt die monatliche Ausbildungsvergütung (netto) 607 Euro. 52,2 Prozent der Auszubildenden erhalten monatlich zwischen 501 und 700 Euro. Im ersten Ausbildungsjahr beträgt die Ausbildungsvergütung (netto) im Durchschnitt 571 Euro, im zweiten Ausbildungsjahr 622 Euro und im dritten 647 Euro. Zwischen den Berufen schwankt die Ausbildungsvergütung sehr stark. Zahntechniker erhalten 332 Euro, Fotografen 355 Euro und Friseure 403 Euro. Bei Fertigungsmechanikern beträgt die Ausbildungsvergütung 772 Euro, bei Bankkaufleuten 757 Euro und bei Industriekaufleuten 736 Euro.
Weibliche Auszubildende erhalten eine monatliche Ausbildungsvergütung (netto) von durchschnittlich 588 Euro, männliche von 623 Euro. Deutsche Auszubildende ohne Migrationshintergrund verdienen durchschnittlich 616 Euro, deutsche mit Migrationshintergrund 596 Euro, ausländische 580 Euro.
Weitere Finanzierungsquellen
Einer Nebenbeschäftigung gehen 23 Prozent der Befragten nach. Sie verdienen dabei monatlich im Durchschnitt 218 Euro netto. 12,7 Prozent der Befragten üben ihre Nebenbeschäftigung gelegentlich und 10,3 Prozent regelmäßig aus. Am häufigsten gehen Jugendliche, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen, eine Nebenbeschäftigung nach (31,1 Prozent zu 20,1 Prozent).
37,4 Prozent der Befragten werden von ihren Eltern, 12,8 Prozent von Verwandten und 4,1 Prozent von ihrem Partner oder ihrer Partnerin finanziell unterstützt. 3,5 Prozent erhalten Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), 0,8 Prozent Arbeitslosengeld 2, 2,6 Prozent beziehen Waisengeld oder Waisenrente und 8,2 Prozent erhalten Geld aus sonstigen Finanzierungsquellen. Über alle Finanzierungsarten hinweg steht den Auszubildenden im Durchschnitt monatlich ein Betrag von 784 Euro zur Verfügung, davon stammen 77 Prozent aus der Ausbildungsvergütung und 23 Prozent aus weiteren Finanzierungsquellen.
Detaillierte Ergebnisse der Befragung mit entsprechenden Diagrammen stehen im Internet unter http://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_vorlagen_dokumente.jsp?risid=3606426