Straßennamen informieren, erinnern, ehren. Und sie sind ein Spiegel in die Vergangenheit. Doch wie soll eine Stadt mit Straßennamen umgehen, die aus heutiger Sicht historisch belastet sind? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Stadtrat gestern in einer gemeinsamen Sitzung von Kommunal- sowie Verwaltungs- und Personalausschuss.
„Aktuell führt der GeodatenService München (GSM) des Kommunalreferats vor einer Straßenbenennung alle notwendigen Schritte durch. Insbesondere bei Benennungen nach Personen stehen die Themenfelder Antisemitismus, Rassismus und Kolonialismus im Mittelpunkt der Recherchen. In diese bindet der GSM sowohl das Bundesarchiv als auch das Stadtarchiv und weitere städtische Fachdienstellen ein. Wollen wir eine Straße nach einer Person benennen, muss zunächst der Ältestenrat zustimmen. Die letztendliche Entscheidung liegt dann beim Kommunalausschuss“, erläutert Kommunalreferent Axel Markwardt. „Nicht immer waren Stadtverwaltung und Politik jedoch bei der Auswahl von Personen so sorgfältig wie heute. Insbesondere die Rollen einzelner Personen während der NS-Zeit haben zu Entscheidungen geführt, die aus heutiger Sicht problematisch erscheinen.“ Das soll nun grundlegend geändert werden. Ein Ziel des neuen Projekts, das unter der Federführung des Stadtarchivs München durchgeführt wird, ist eine umfassende Bestandsaufnahme aller als problematisch erachteten Straßennamen. „Zwar führen Entnennungen beziehungsweise Umbenennungen von Straßen zu einer grundsätzlichen Problematik“, so der Leiter des Stadtarchivs, Michael Stephan. „Denn die Tilgung eines Straßennamens stellt eine erinnerungskulturelle Intervention mit nachhaltiger Wirkung dar.“ Exemplarisch lassen sich in diesem Zusammenhang die Mei- serstraße oder zuletzt der Leonhard-Moll-Bogen nennen. Michael Stephan weiter: „Die Tatsache, dass sich Bürgerschaft, politische Entscheider oder Verwaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt für oder gegen einen Straßennamen aussprechen, ist stets Ausdruck eines zeitgebundenen Werte- und Normensystems. Sobald spätere Akteure Korrekturen an diesen Positionsbestimmungen vornehmen, erfolgt damit auch eine Art ,Flurbereinigung‘ der Erinnerung. Dies kann nicht im Sinne einer Stadtgesellschaft sein, die sich zu einem offenen und kritischen Umgang mit der Vergangenheit bekennt.“ Daher sollen im Rahmen des geplanten Projekts auch konkrete Vorschläge erarbeitet werden, wie die Stadt München künftig mit historisch belasteten Straßennamen umgeht.