Auswirkungen von Feuerwerk auf Tiere in der Stadt
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dominik Krause, Sabine Krieger und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 20.6.2016
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihrer Anfrage schicken Sie folgenden Sachverhalt voraus:
„In vielen Städten gibt es Einschränkungen des Silvester-Feuerwerks, bei- spielsweise rund um Krankenhäuser, Altenheime oder feuerempfindliche historische Bauten. Immer wieder gibt es außerdem Kritik von Tierschüt- zern, die bemängeln, dass die Knallerei zu Panik und Angst bei Tieren in der Stadt führt. Gleichzeitig stellt das Feuerwerk jedoch für viele Men- schen einen Höhepunkt der Silvester-Nacht dar.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen nehmen wir wie folgt Stellung:
Frage 1:
Gibt es in München Einschränkungen des Silvester-Feuerwerks, beispiels- weise rund um Krankenhäuser, Altenheime, Notunterkünfte, historische Bauten oder Grünflächen?
Antwort:
Gemäß § 23 der ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz ist das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie Reet- und Fachwerkhäusern verboten. Ein derartiges, bereits gesetzlich normiertes Verbot existiert hingegen nicht für Notunterkünfte, historische Bauten oder Grünflächen.
Frage 2:
Gibt es eine wissenschaftliche Auseinandersetzung damit, welche Auswir- kungen die Silvester-Knaller auf Tiere (Haustiere, Tierpark, Wildtiere) in der Stadt haben?
Antwort:
Das Städtische Veterinäramt hat eine Publikation von Dr. Karl Fikuart mit der Überschrift „Tierschutz und Feuerwerk“ ausfindig gemacht (aus Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle, 9. Jahrgang, 1/2002). Bei der gezielten Suche nach wissenschaftlichen Untersuchungen über das Verhalten von Tieren in der Stadt während des Silvesterfeuerwerks konnten einschlägige Literatur bzw. Veröffentlichungen aber nicht vorgefunden werden. Der Verfasser der oben genannten Veröffentlichung wurde voneinem Landkreis um eine gutachterliche Stellungnahme zu einem Höhenfeuerwerk gebeten, dass regelmäßig im Spätsommer in der Nähe eines Tierparks abgebrannt wurde. Die Feuerwerkskörper wurden in der Zeit von 22 bis 22.12 Uhr von einem Platz aus abgeschossen, der ca. 500 m Luftlinie vom Tierpark entfernt liegt. Die überwiegende Zahl der beobachteten Tiere (Schweine, Enten, Schwarzwild, Ziegen, Mufflon, Greifvögel) beruhigte sich nach anfänglicher Unruhe und teilweiser Orientierungslosigkeit noch im Laufe des Feuerwerks (nach etwa zwei Minuten) und fing vereinzelt sogar wieder an zu fressen. Das Rotwild war während des gesamten Feuerwerks gering- bis mittelgradig beunruhigt.
Tiere reagieren auf gewohnte optische oder akustische Reize in adäquater Weise. Sie wissen diese Reize in ihr Lebensumfeld einzuordnen, ohne in Angst oder Panik zu verfallen. Ungewohnte oder inadäquate Reize erzeugen hingegen Angst und führen zu überzogenen (inadäquaten) Reaktionen wie Panik, kopfloses Davonstürzen, Anrennen oder Anfliegen gegen Hindernisse. Reize, die beim Abbrennen eines Feuerwerks auf die Tiere einwirken, sind zweifelsohne inadäquat. Ausweichen durch Flucht ist für gegatterte oder in Volieren gehaltene Tiere nur sehr begrenzt möglich. Gemindert werden kann die Wirkung auf die Tiere dadurch, dass man sie mindestens für die Zeit des Ereignisses z.B. in beleuchteten Räumen unterbringt. Wichtig ist, dass der Stall bzw. Raum den Tieren vertraut ist.
Nach Auffassung des Autors fügten die im Verlauf des Feuerwerks auf die Tiere des begutachteten Tierparks einwirkenden optischen und akustischen Reize den Tieren länger anhaltende Leiden zu, die vermeidbar oder zumindest minimierbar wären, sofern ein entsprechender Sicherheitsabstand eingehalten wird. Unter den gegebenen besonderen landschaftlichen Verhältnissen (kesselartige Tallage, Echobildung durch Reflexion des Schalls von den umgebenden Hängen) empfiehlt der Verfasser einen Sicherheitsabstand von 1.000 m zum Tierpark, um auch eine Abdrift der Feuerwerkskörper in Richtung Tierpark bei erhöhter Luftbewegung sicher auszuschließen.
In Bezug auf den Münchner Tierpark Hellabrunn liegen dem Städtischen Veterinäramt München bislang keine konkreten Hinweise vor, dass das Silvesterfeuerwerk trotz betrieblicher Vorkehrungen zum Schutz der Tiere (z.B. Verbringen der Tiere in die Innenbereiche der Gehege) eine übermäßig hohe, lang anhaltende und nicht mehr zumutbare Belastung für die dort gehaltenen Tiere darstellt. Wenngleich ein angemessener Sicherheitsabstand beim Abfeuern von Raketen und Zünden von Knallkörpern zum Tierparkgrundsätzlich begrüßenswert ist, können Absperrungen aus tierschutzfachlicher Sicht daher nicht zwingend gefordert werden.
Natürlich beeinträchtigen Feuerwerkskörper und Böller an Silvester auch Tiere in freier Wildbahn. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich insbesondere die Wildvögel zurückziehen, sollte die Ausnahmesituation an Silvester für sie zu unangenehm werden. Nicht akzeptabel ist, wenn, wie eine Bürgerin vor Silvester 2015 aufmerksam machte, Feuerwerkskörper und Böller angeblich unmittelbar aus einem Schwarm von Schwänen heraus an der Isar abgefeuert werden. Statt Absperrungen können verstärkte Kontrollen im Rahmen der Grünanlagenaufsicht und der Isarbestreifung an Silvester ein probates Mittel sein, Wildvögel vor gezielten und womöglich mit Absicht herbeigeführten extremen Beeinträchtigungen durch Feuerwerkskörper bzw. Böller zu schützen.
Anlässlich eines Sommer-Feuerwerks auf der Trabrennbahn München- Daglfing in 2010 suchte das Veterinäramt drei Tierhaltungen (u.a. Tierheim München, Galopprennbahn München Riem) auf, um festzustellen, welche Auswirkungen die pyrotechnische Veranstaltung auf das Verhalten der in unmittelbarer Nähe gehaltenen Tiere, vor allem Pferde hat. Alle Tierhalter waren über diese Veranstaltung rechtzeitig informiert und hatten Maßnahmen wie oben beschrieben ergriffen, um die Belastung der Tiere auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Aus den Beobachtungen des Veterinäramtes ergaben sich keine Hinweise auf erhebliche Leiden, Schmerzen oder Schäden bei den Tieren.
Nicht wenige Hunde ängstigen sich stark vor bestimmten Geräuschen und sind besonders rund um Silvester großem Stress ausgesetzt. Viele Besitzer wissen um die Geräuschphobie ihrer Hunde beim Knallen von Feuerwerkskörpern an Silvester. In solchen Fällen kann der Hundehalter fachkundige Hilfe bei einem/einer verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarzt/ Tierärztin suchen. Diese(r) stellt dann einen individuellen Maßnahmenplan für den geräuschempfindlichen Hund zusammen, so dass der Hund das Knallen an Silvester weitgehend stressfrei übersteht.
Im Ergebnis gibt es derzeit aus tierschutzfachlicher Sicht keine zwingenden Gründe, ausgewählte Verbotszonen für das Silvester-Feuerwerk auszuweisen.Frage 3:
Gäbe es rechtlich eine Möglichkeit, spezielle Flächen vom Silvester-Feuer- werk auszunehmen, beispielsweise entlang der Isar beziehungsweise in der Nähe des Tierparks?
Antwort:
Gemäß § 24 Absatz 2 Nr. 1 der ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz kann die zuständige Behörde allgemein oder im Einzelfall anordnen, dass pyrotechnische Gegenstände der Kategorie 2 (das sind die Silvesterkracher und Silvesterraketen) in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandempfindlich sind, und nach Absatz 2 Nr. 2 solche mit ausschließlicher Knallwirkung (das wären nur die Silvesterkracher, nicht die Silvesterraketen) in bestimmten dichtbesiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden zu bestimmten Zeiten auch am 31.12. und 1.1. nicht abgebrannt werden dürfen.
Im Gegensatz zu Städten mit einem mittelalterlichen Stadtkern mit Gebäuden aus Holz oder Holzteilen, wie zum Beispiel Fachwerkhäusern, weist München solche Stadtteile mit hoher Brandlast nicht auf, ein Verbot von Silvester-Feuerwerk ist diesbezüglich nicht möglich.
Für die Silvesterkracher ist ein generelles Verbot nicht zulässig, lediglich eine zeitliche Einschränkung wäre zulässig in dichtbesiedelten Gemeinden oder Gemeindeteilen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein Verbot von Silvester-Feuerwerk für bestimmte Flächen in München nach den sprengstoffrechtlichen Bestimmungen nicht möglich ist.