Kein Verfall von genehmigtem Überstundenabbau für städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankheitsfall
Antrag Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Hans Dieter Kaplan und Bettina Messinger (SPD-Fraktion) vom 14.9.2015
Antwort Personal- und Organisationsreferent Dr. Thomas Böhle:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Inhalt Ihres Antrags ist, die städtischen Regularien bei Krankheit von Beschäftigten an einem Gleittag zu überprüfen und mitarbeiterfreundlicher zu gestalten. Hierbei handelt es sich um eine Angelegenheit, die als Arbeitszeitregelung der Dienstaufsicht zuzuordnen ist, denn die Dienstaufsicht umfasst u.a. die Leitung und Organisation der Kommunalverwaltung im durch Art. 39 Abs. 2, Art. 43 und Art. 46 Abs. 1 GO abgesteckten Rahmen, sowie die Personalführung und Weisungsbefugnis gegenüber den Bediensteten. Nachdem die Dienstaufsicht in die grundsätzliche Zuständigkeit des Oberbürgermeisters nach Art. 37 Abs. 4 GO fällt, ist eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ausgeschlossen.
Aufgrund des vom Stadtrat beschlossenen Geschäftsverteilungsplans hat der Oberbürgermeister seine sich aus der Dienstaufsicht ergebenden Befugnisse gemäß Art. 39 Abs. 2 Halbsatz 1 GO auf den Personal- und Organisationsreferaten übertragen, weshalb ich auf Ihren Antrag wie folgt eingehen möchte:
Mit Ihrem Antrag fordern Sie die Stadtverwaltung dazu auf, die städtischen Regularien bei Krankheit von Beschäftigten an einem Gleittag zu überprüfen und mitarbeiterfreundlicher zu gestalten, da das derzeit praktizierte Verfahren, dass bei Erkrankungen keine Wiedergutschrift von eingebrachten Zeitguthaben erfolgt, zwar juristisch korrekt ist, jedoch bei den Beschäftigten auf Unverständnis stößt.
Dem Personal- und Organisationsreferat ist aus langjähriger Erfahrung heraus bewusst, dass der Verfall von Zeitguthaben im Falle einer nach Genehmigung des Ausgleichs eingetretenen Erkrankung von vielen Beschäftigten nicht nachvollzogen werden kann. Der regelmäßig gezogene Vergleich zum Erholungsurlaub, der „gerettet“ werden kann, prägt hierbei verständlicherweise die Wahrnehmung.
Durch die vom Freistaat Bayern vorgenommenen Neuerungen in den bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR) wärees nun zutreffend möglich auch für unsere städtischen Beamtinnen und Beamten im Rahmen einer Dienstvereinbarung zu regeln, dass im Falle einer durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen Erkrankung an einem Gleittag die erteilte Genehmigung zum Freizeitausgleich widerrufen wird und damit eine Wiedergutschrift der zunächst eingebrachten Zeitguthaben erfolgt. Diese Regelung kann jedoch nicht ohne weiteres auf die Tarifbeschäftigten entsprechend angewendet werden. Nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) kann von einer Minderung eines Zeitguthabens bei Erkrankung nur dann abgesehen werden, wenn das eingebrachte Zeitguthaben aus einem Arbeitszeitkonto gemäß § 10 Abs. 1 TVöD resultiert (vgl. § 10 Abs. 4 TVöD). Der TVöD enthält insoweit eine abschließende Regelung, die nicht auf Zeitkonten übertragen werden kann, die nicht den Vorgaben des § 10 Absätze 1 bis 5 TVöD entsprechen. Insoweit möchten wir auch auf das beigefügte Rundschreiben Nr. A2/2014 des Kommunalen Arbeitgeberverbands Bayern e.V (KAV Bayern) vom 13.2.2014 verweisen. Mit Schreiben vom 28.10.2015 wurde uns darüber hinaus auf Nachfrage vom KAV Bayern mitgeteilt, dass eine „allgemeine Wiedergutschrift von eingebrachten Zeitguthaben bei durch ärztliches Zeugnis nachgewiesener Erkrankung seitens des Arbeitgebers im tariflichen Bereich (...) – trotz der Regelung des Freistaats Bayern – außerhalb eines Arbeitszeitkontos gem. § 10 Absätze 1 bis 5 TVöD – auch weiterhin als unzulässige übertarifliche Leistung anzusehen (ist).“
Hierzu ist festzustellen, dass die bei der Stadt bestehenden Gleitzeitkonten, wie sie beispielsweise in der Dienstvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit bei der Stadtverwaltung München (DV-FLEX) geregelt sind und primär der Zeiterfassung dienen, derzeit nicht die Voraussetzungen erfüllen, die an ein Arbeitszeitkonto nach § 10 Absätze 1 bis 5 TVöD gestellt werden. Bei diesem handelt es sich um ein spezielles Arbeitszeitkonto, welches durch den TVöD mit konkreten Vorgaben ausgestaltet ist. So bietet das Arbeitszeitkonto den Beschäftigten sowohl die Möglichkeit des Ansparens von über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehenden Zeiten, aber auch von in Zeit umgerechneten Zuschlägen. Damit eröffnet ein Arbeitszeitkonto den Beschäftigten eine größere Arbeitszeitsouveränität, da sie in einem größeren Umfang Zeiten ansparen können, die dann – soweit es der dienstliche Ablauf erlaubt – zu einem späteren Zeitpunkt im persönlichen Interesse wieder in Freizeit eingebracht werden können. Aufgrund der daraus resultierenden Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers sieht der TVöD die verpflichtende Einführung eines Arbeitszeitkontos nur im Falle eines eingerichteten wöchentlichen Arbeitszeitkorridors (§ 6 Absätze 6 TVöD) oder einer täglichen Rahmenzeit (§ 6 Absätze 7 TVöD) vor, die der Vermeidung von Überstundenzuschlägen dienen. Hinsichtlich der Rahmenzeitbedeutet dies beispielsweise, dass dem Arbeitgeber durch die Einrichtung einer täglichen Rahmenzeit in einem Umfang von bis zu 12 Stunden die Möglichkeit eröffnet wird, von den Beschäftigten zusätzliche Arbeitsstunden abzuverlangen, ohne dass es sich hierbei um zuschlagspflichtige Überstunden handeln würde.
Insoweit hat der KAV Bayern in seinem o.g. Schreiben auch noch einmal klargestellt, dass die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos gemäß § 10 Absätze 1 bis 5 TVöD in erster Linie nur dann in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber im Gegenzug die Vorteile eines Arbeitszeitkorridors oder einer Rahmenzeit zur Vermeidung von Überstunden nutzen kann. Die Einführung von Arbeitszeitkonten nur zum Zwecke der „Wiedergutschrift“ von eingebrachten Zeitguthaben in den Fällen einer durch ärztliches Attest nachgewiesener Erkrankung würde eine nur schwer zu rechtfertigende Anwendung tariflicher Vorschriften allein zu Lasten des Arbeitgebers bedeuten.
Dieser Auffassung möchte ich mich anschließen, aber auch klar stellen, dass ich einer Fortentwicklung der flexiblen Arbeitszeit bei der Landeshauptstadt München unter ergänzender Einführung eines Arbeitszeitkontos nach § 10 Absätze 1 bis 5 TVöD und der damit verbundenen Möglichkeit der Wiedergutschrift von eingebrachten Zeitguthaben bei Erkrankungen grundsätzlich positiv gegenüberstehe. Bei einer Umsetzung, die selbstverständlich nur unter Einbindung des Gesamtpersonalrats erfolgen kann, sind aber auch weiterhin die Grundsätze der DV-FLEX zu beachten, dass die unterschiedlichen Interessenlagen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Arbeitgeberin bzw. Dienstherrin München und der Münchner Bürgerinnen und Bürger miteinander im Einklang stehen müssen. In diesem Sinne wird sich mein Referat in einen intensiven Dialog mit dem Gesamtpersonalrat begeben, mit der Zielsetzung gemeinsam Lösungen umzusetzen, die sowohl eine Wiedergutschrift von eingebrachten Zeitguthaben bei Erkrankungen auch für unsere Tarifbeschäftigten ermöglichen, als auch zu einer sinnvollen Fortentwicklung der flexiblen Arbeitszeit führen, die den verschiedenen Interessen und vielfältigen Entwicklungen im Bereich der Arbeitszeit gerecht werden.
Ein erster Gedankenaustausch auf Arbeitsebene zwischen Gesamtpersonalrat und Personal- und Organisationsreferat hat hierzu bereits stattgefunden.
Was die grundsätzlich mögliche, aber nicht verpflichtende Einführung einer Wiedergutschrift von Zeitguthaben bei Erkrankungen von Beamtinnen und Beamten anbelangt, möchte ich mich Ihrer im Antrag enthaltenden Aufforderung zu einer Gleichbehandlung der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anschließen. Solange eine entsprechende Regelung für unsereBeschäftigten im Tarifbereich mangels tariflichem Arbeitszeitkonto nicht möglich ist, sollte auch m.E. von der Einführung einer entsprechenden Regelung nur für unsere städtischen Beamtinnen und Beamten abgesehen werden.
Regelungen, die das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung betreffen, und dabei an eine individuelle Situation anknüpfen, die die betroffenen Beschäftigten selbst nicht beeinflussen können, sollten unabhängig von ihrem Status als Tarifbeschäftigte oder Beamte für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich gelten, solange die rechtlichen Vorgaben kein anderes Vorgehen erfordern.
Fazit:
Bis auf Weiteres finden aus tariflichen Gründen die derzeit geltenden Regelungen, dass eine Wiedergutschrift von Zeitguthaben im Falle einer Erkrankung nicht erfolgen kann, trotz der durch den Bayerischen Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten, weiterhin auf alle städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anwendung. Das Personal- und Organisationsreferat nimmt Ihr Anliegen jedoch zum Anlass, insgesamt eine Fortentwicklung der DV-FLEX anzustoßen. Hierzu soll in einem Gesamtkonzept und unter Mitwirkung des Gesamtpersonalrats auch geprüft werden, inwieweit eine Entwicklung in Richtung eines Arbeitszeitkontos nach § 10 Absätze 1 bis 5 TVöD möglich und umsetzbar wäre, um ggf. künftig allen städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die angedachte Wiedergutschrift von Zeitguthaben im Falle einer Erkrankung gewähren zu können.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass Ihr Anliegen damit geschäftsordnungsgemäß erledigt ist.