Krankenversichert bleiben! Privat versicherte Seniorinnen und Senioren dabei unterstützen
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Rathaus Umschau 10 / 2017, veröffentlicht am 16.01.2017
Krankenversichert bleiben! Privat versicherte Seniorinnen und Senioren dabei unterstützen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Verena Dietl, Anne Hübner, Christian Müller, Cumali Naz und Dr. Constanze Söllner-Schaar (SPD-Fraktion) vom 4.11.2016
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen, dass das Sozialreferat beauftragt werden solle, privat versicherte Seniorinnen und Senioren im Konfliktfall rechtlich zu beraten, damit diese im Basistarif der privaten Krankenversicherung weiterhin krankenversichert sind. Die Beratung von Münchner Bürgerinnen und Bürgern, die Probleme mit der Finanzierung ihrer Krankenkassen- bzw. ihrer Krankenversicherungsbeiträge haben oder nicht krankenversichert sind, zählt zu den originären Aufgaben des Sozialreferates.
Der Inhalt des Antrages betrifft deshalb eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 4.11.2016 teile ich Ihnen aber Folgendes mit:
Die Beratung von privat versicherten Leistungsberechtigten oder auch von Personen, die aufgrund einer gefährdeten oder fehlenden privaten Krankenversicherung leistungsberechtigt werden können, zählt schon jetzt zum Aufgabenbereich der SGB XII-Sachbearbeiterinnen und -Sachbearbeiter.
Nach einer entsprechenden Regelung für die gesetzliche Krankenversicherung wurde zum 1.1.2009 auch die Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung eingeführt. Die Krankenversicherungsunternehmen müssen nach § 152 Versicherungsaufsichtsgesetz einen Tarif anbieten und gewähren, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sind. Andererseits sind alle Personen, die nicht gesetzlich krankenversichert sind, gemäß § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz verpflichtet, sich bei einem privaten Versicherungsunternehmen krankenzuversichern. Leider bewerben weder die Versicherungsunternehmen den Basistarif noch kommen die Betroffenen, insbesondere selbständig tätige Personen, ihrer Versicherungs-pflicht nach. Dies führt dazu, dass weiterhin viele Menschen in Deutschland trotz geltender Versicherungspflicht nicht krankenversichert sind. Nach der Rechtsprechung und ab 1.1.2018 auch nach den gesetzlichen Vorgaben ist der halbierte Basistarif der privaten Krankenversicherungsunternehmen (2017: 341 Euro) der Höhe nach angemessen i.S.d. SGB XII und deshalb nach § 32 Abs. 5 SGB XII bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen. Ausnahmsweise können höhere Beiträge übernommen werden, wenn die Leistungsberechtigung voraussichtlich nur für eine kurze Zeit besteht. Es besteht keine Verpflichtung, in den Basistarif zu wechseln, allerdings werden höchstens die Aufwendungen bis zum halben Basistarif als Bedarf berücksichtigt. Auch wenn der tatsächliche Versicherungsbeitrag inkl. Selbstbehalt niedriger ist als der halbierte Basistarif (äußerst selten), muss der Leistungsberechtigte nicht in diesen Tarif wechseln.
Sofern eine Seniorin bzw. ein Senior im Sozialbürgerhaus vorspricht, die bzw. der noch privat krankenversichert ist, aber Probleme mit den i.d.R. hohen Versicherungsbeiträgen hat, wird zunächst berechnet, ob trotz der in § 152 Versicherungsaufsichtsgesetz vorgeschriebenen Halbierung des Basistarifs Hilfebedürftigkeit entsteht. Ist das der Fall, wird der Versicherungsbeitrag im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bewilligt. Dabei wird wie oben dargestellt der Basistarif, der von den Versicherungsunternehmen auf die Hälfte reduziert werden muss, als Bedarf berücksichtigt. Schulden entstehen nicht. Ergäbe sich die Hilfeberechtigung erst durch die Verpflichtung, den vollen Tarif zu bezahlen, muss nach entsprechender Bescheinigung vom Sozialbürgerhaus der Basistarif durch das Versicherungsunternehmen ebenfalls halbiert werden.
Sofern die bzw. der Betroffene vom Krankenversicherungsunternehmen wegen Beitragsschulden bereits in den Notlagentarif nach § 153 Versicherungsaufsichtsgesetz, den es seit 2013 gibt, eingestuft wurde, wird dies bei Hilfebedürftigkeit hinfällig und die bzw. der Versicherte kann in den Basistarif wechseln.
Zusammenfassend ist die Weiterführung eines bestehenden privaten Krankenversicherungsverhältnisses meistens unproblematisch, auch wenn unverändert gerade ältere Menschen den Weg zum Sozialbürgerhaus scheuen.
Vor großen Problemen steht dagegen eine Person, die ihren Versicherungsschutz noch vor dem Jahr 2013 verloren hat oder die sich, etwa zu Beginn einer selbständigen Tätigkeit, gar nicht privat krankenversichert hat. Wie bereits oben dargestellt, kommt in diesen Fällen zum Pflichtversäumnisder Bürgerinnen und Bürger die abwehrende Haltung der privaten Krankenversicherungsunternehmen, die aus finanziellen Gründen versuchen, den Vertragsabschluss mit einer finanziell schlechter gestellten und meist älteren Person zu verhindern.
Äußerst abschreckend wirkt dabei der in § 193 Versicherungsvertragsgesetz gesetzlich verankerte Prämienzuschlag, der bei Nichtversicherung bis zu 15 Monatsbeiträge, also bis zu ca. 5.000 Euro, betragen kann. Es ist grundsätzlich möglich, vom Versicherer eine Stundung des Prämienzuschlags zu verlangen. Die Versicherungsunternehmen sind jedoch auch hier sehr zurückhaltend, so dass regelmäßig der Klageweg beschritten werden muss, um den Anspruch auf eine Versicherung durchzusetzen. Die Betroffenen werden im Sozialbürgerhaus entsprechend beraten, die Durchsetzung des Versicherungsanspruchs vor Gericht liegt jedoch bei ihnen selbst. Eine Übernahme des Prämienzuschlags aus Sozialhilfemitteln ist wegen des Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage leider nicht möglich.
Auch ein Verzicht auf den Abschluss einer privaten Krankenversicherung bei SGB XII-leistungsberechtigten Personen ist wegen des Nachrangs der Sozialhilfe nicht möglich. Alternativ müssten im Rahmen der sog. Versorgung nach § 264 SGV vom Sozialhilfeträger die vollständigen Kosten für ambulante und stationäre Behandlungen zzgl. Verwaltungskosten in Höhe von 5% an eine gesetzliche Krankenkasse gezahlt werden. Schon die Pauschale für einen kurzen Krankenhausaufenthalt übersteigt die Aufwendungen für den halbierten Basistarif. Auch eine im Vergleich zur gesetzlichen Variante deutlich teurere private Versicherung hat deshalb stets Vorrang vor Leistungen der Krankenhilfe im Rahmen des SGB XII.
Auch diese Gelegenheit sei genutzt, um erneut darauf hinzuweisen, dass schon eine Aufnahme aller Rentnerinnen und Rentner in die Krankenversicherung der Rentner das Problem vieler Betroffener lösen würde. Zahlreiche zuletzt selbständig tätige Personen waren zu Beginn ihres Arbeitslebens als Angestellte beschäftigt und haben in dieser Zeit – z.T. nicht unerhebliche – Rentenansprüche erworben. Trotzdem erfüllen sie die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung der Rentner nicht und haben keinen Zugang mehr zur gesetzlichen Krankenversicherung.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.