Fortschreibung Grundsatzbeschluss Radverkehr 2017 IV Zustand und Sanierung des Münchner Radverkehrsnetzes
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Anna Hanusch und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen/(Rosa Liste) vom 18.11.2016
Antwort Baureferentin Rosemarie Hingerl:
In Ihrer Anfrage vom 18.11.2016 führen Sie aus:
„Auf das Radverkehrsnetz kommen infolge
- wachsender Radverkehrsmengen,
- der auf modernen Gangschaltungen und Pedelecs basierenden höheren Geschwindigkeiten
- der zunehmenden Geschwindigkeitsdifferenzen im Radverkehr und
- der zunehmenden Verbreitung mehrspuriger Räder (z. B. Lastenräder) und Fahrradanhänger große Herausforderungen zu. Die in großen Teilen nicht mehr zweckmäßigen, weil zu schmalen baulichen Radwege, die vom Gehweg abgezwackt oder per weißer Linie abgetrennt wurden, müssten an vielen Stellen durch ausreichend breite Radfahr- oder Schutzstreifen, die ein sicheres Überholen ermöglichen, ersetzt werden. Häufig ist ein paralleles Vorgehen sinnvoll, das neue Angebote auf der Fahrbahn eröffnet und – zumindest für eine Übergangszeit – die bestehenden baulichen Radwege fortbestehen lässt.
Hinsichtlich der Sanierung von Radwegen fragen wir daher den Oberbürgermeister.“
Für die von Ihnen gewährte Fristverlängerung möchten wir uns bedanken.
Hierzu nimmt das Baureferat wie folgt Stellung:
Zur Anordnung ausreichend breiter Radfahr- und Schutzstreifen auf der Fahrbahn, in Ergänzung oder als Ersatz für bauliche Radwege, hat das dafür zuständige Kreisverwaltungsreferat im Beschluss des Referates für Stadtplanung und Bauordnung „Radverkehr München Bericht zur Umsetzung und Aktualisierung von Zielen“ in der Vollversammlung des Stadtrates vom 26.6.2013 (Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 12242) Folgendes ausgeführt:
„Der Radverkehr soll überall dort, wo es möglich ist, auf der Straße im fließenden Verkehr mitgeführt werden. Laut Unfallstatistik und Aussagen von Experten fahren Radlerinnen und Radler auf der Straße häufig am si-chersten, weil sie dort vom Kfz-Verkehr besser gesehen werden. Im Stadtgebiet gibt es rund 360 benutzungspflichtige Radverkehrsanlagen. Das Kreisverwaltungsreferat überprüft gemäß dem Auftrag aus dem Grundsatzbeschluss Radverkehr alle benutzungspflichtigen Radverkehrsanlagen im Stadtgebiet systematisch auf die Aufrechterhaltung/Aufhebung der Benutzungspflicht. Hierfür ist stets eine detaillierte Einzelfallprüfung auf Grundlage der besonderen örtlichen Verhältnisse erforderlich.
Die Wahl der Führungsform für den Radverkehr hängt dabei von vielen unterschiedlichen Kriterien ab, u. a. von der vorherrschenden Geschwindigkeit, der Kfz-Stärke und der Flächenverfügbarkeit. Die verkehrsrechtliche Umsetzung muss am Aspekt der Verkehrssicherheit gemessen werden, wobei auch die Verkehrsverträglichkeit beachtet wird. Die Ausgestaltung von Radverkehrsanlagen (baulich oder markierungstechnisch) ist ebenso wie deren Beschilderung eine ortsspezifische Einzelfallentscheidung. Viele konkurrierende Interessen und Gegebenheiten in der angrenzenden Bebauung und der Gebäudenutzung sind neben dem Verkehrsaufkommen im Rahmen einer objektiven Ermessensfindung zu berücksichtigen. (…) Zusammenfassend muss erwähnt werden, dass nicht jede Lösung für jede Stelle geeignet und auf alle Verkehrsverhältnisse 1:1 übertragbar ist. Eine Verallgemeinerung oder Generallösung ist daher nicht möglich, weshalb der Überprüfungsvorgang zum Teil längere Zeit in Anspruch nimmt. (…) Neben der oben angegebenen Einzelfallprüfung überprüft das Kreisverwaltungsreferat in einer internen Arbeitsgruppe systematisch die benutzungspflichtigen Radwege stadtviertelweise. (…)“
Nach der verkehrsrechtlichen Prüfung durch das Kreisverwaltungsreferat erfolgt die bauliche und markierungstechnische Umsetzung eines Radfahr- oder Schutzstreifens durch das Baureferat gemäß der verkehrsrechtlichen Anordnung des Kreisverwaltungsreferates. Die Abwägung über den Rückbau des nicht mehr benutzungspflichtigen Radweges wird im Rahmen von Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen in Abstimmung mit dem jeweiligen Bezirksausschuss getroffen.
Um die Qualität und die Leistungsfähigkeit der Radverkehrsinfrastruktur und insbesondere auch des Radwegenetzes zu verbessern, unternimmt das Baureferat seit Jahren große Anstrengungen. Diese und die durch die Erhöhung der Nahmobilitätspauschale möglich gewordenen, weiteren zusätzlichen Schwerpunkte wurden bereits mit Beschluss „Nahmobilitätspauschale“ vom 29.7.2015 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 02702) ausführlich dargestellt. Durch diese Erhöhung von 4,28 Mio. Euro auf 10 Mio. Euro konnte auch die Sanierung bzw. die Verbesserung der Radwege zu einem wichtigen Schwerpunktthema des Baureferates gemacht werden.Um die zusätzlichen Mittel für die Sanierung des Radwegenetzes möglichst zielgerichtet einzusetzen, hat das Baureferat, wie im oben genannten Beschluss dargestellt, im Jahr 2015 den Zustand des gesamten Radwegnetzes vollständig und systematisch erfasst und bewertet. Diese Bewertung bildet die Grundlage für das jährliche Sanierungsprogramm der Radwege.
Zu Ihren Fragen antworten wir im Einzelnen:
Frage 1:
Gibt es eine Bestandsanalyse zu den baulichen Radwegen in München? Wie viele Kilometer der baulichen Radwege entsprechen der Mindest- breite gemäß ERA 2010? Wie viele Kilometer den empfohlenen Maßen gemäß ERA 2010?
Antwort:
Im Unterschied zu anderen Bundesländern (z. B. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg) sind die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ Ausgabe 2010 (ERA 2010) im Freistaat Bayern von der zuständigen Staatsregierung bisher nicht eingeführt worden. Für bestehende Straßen haben die ERA 2010 lediglich empfehlenden Charakter. Die dabei empfohlenen Breitenmaße für Radwege unterscheiden sich je nach Anlagentyp, Verkehrsstärke und notwendige Breite für den Sicherheitsraum und variieren je nach örtlicher Situation. Da sowohl die empfohlenen Radwegbreiten als auch die Bestandsbreiten örtlich sehr stark variieren, ist eine komplette Erfassung für die 970 km baulichen Radwege nicht vorhanden. Aus diesem Grund erfolgt im Rahmen von Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen in
Abstimmung mit den Planungsbeteiligten, vor allem mit dem Kreisverwaltungsreferat, jeweils eine Einzelfallprüfung.
Auch wenn keine komfortable Radwegbreite vorhanden ist, ist die Verkehrssicherheit davon nicht beeinträchtigt.
Frage 2:
In welchem Zustand befinden sich die Münchner Radwege? Gibt es hier entsprechende Kategorien oder Klassen und welche Kriterien liegen diesen zu Grunde?
Antwort:
Die Kontrolle der Verkehrssicherheit bei baulichen Radwegen erfolgt durch das Baureferat im Zuge turnusmäßiger Begehungen und Befahrungen mit dem Rad. Zusätzlich dazu erfolgte im Jahr 2015 eine Zustandserfassung und -bewertung aller baulichen Radwege. Dies wurde ausgeführt durchein externes Büro, nach definierten Zustandskriterien, angelehnt an das gültige Regelwerk „Empfehlungen für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen“ (EEMI 2012) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. Die Zustandskriterien und das Bewertungsmodell wurden in einer vorgelagerten Konzeptionsphase entwickelt, da es für den kommunalen Bereich noch keine verbindlichen Standards gibt. Im Rahmen dieses Projektes wurde, erstmals für eine deutsche Kommune, der Zustand der gesamten baulichen Radwege nach den o. g. Kriterien bzw. Richtlinien erfasst.
Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass der Zustand
- bei ca. 70% aller Radwege sehr gut bis gut
- bei ca. 18% aller Radwege zufriedenstellend und
- bei ca. 12% aller Radwege ausreichend ist.
Frage 3:
Nach welchen Kriterien (Monitoring, Zeitplan, Priorität im Vergleich zu ande- ren Projekten) erfolgt die Radwegsanierung durch das Baureferat?
Antwort:
Die vorrangigen Ziele der Straßen- und Radwegsanierung sind die Gewährleistung der Verkehrssicherheit, die Befahrbarkeit und die wirtschaftliche Substanzerhaltung.
Frage 4:
Welche Priorität hat die Sanierung von Radwegen im Vergleich zur Sanie- rung oder dem Neubau von Fahrbahnen/Straßen des Autoverkehrs?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 11.
Frage 5:
Wird vor der Sanierung von Radwegen durch das Baureferat geprüft, ob eine Verbreiterung möglich ist? Falls nein, warum nicht?
Antwort:
Wie ausgeführt, werden im Rahmen jeder Sanierung mögliche Verbesserungen der bestehenden Radverkehrsverbindung geprüft und entsprechend umgesetzt.
Frage 6:
An wie vielen Stellen werden zu schmale Radwege erhalten ohne Alterna- tiven zu eröffnen und damit wenig zukunftsgerichtete Investitionen getätigt?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 5.
Frage 7:
Sollten diese Gelder nicht besser in eine zukunftsfähige und an den wach- senden Bedarf angepasste Infrastruktur investiert werden?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 10.
Frage 8:
Wird bei einer Fahrbahnsanierung automatisch geprüft, ob die begleiten- den Radwege ggf. saniert werden müssen oder ersetzt werden sollten, wenn sie nicht mehr benutzungspflichtig sind? Werden hier die sinnvollen Synergie-Effekte genutzt, um Zeit und Kosten zu sparen?
Antwort:
Auf vorstehende Stellungnahme wird verwiesen.
Frage 9:
Liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen im Bereich der Bestandserhaltung (Status quo wird manifestiert) oder in einem Ausbau, der dem Wachstum des Radverkehrs gerecht wird?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 10.
Frage 10:
Wie viel Geld aus der Nahmobilitätspauschale wurde seit 2010 in die Sa- nierung von Radwegen gesteckt und wie viel in neue Projekte?
Antwort:
Wie das Baureferat im Beschluss „Nahmobilitätpauschale“ ausgeführt hat, werden die zur Verfügung stehenden 10 Mio. Euro pro Jahr wie folgt eingesetzt:
- ca. 3 Mio. Euro für die Sanierung und Verbesserung von Radver-
kehrsverbindungen im Straßenraum und
- ca. 2 Mio. Euro für die Sanierung und Verbesserung von Radver-
kehrsverbindungen in Grünzügen und Grünanlagen.
Die weiteren 5 Mio. Euro der Nahmobilitätspauschale werden ausschließlich für Verbesserungen der Infrastruktur (Geh- und Radwege) verwendet.
Hinzu kommt, dass die Radverkehrsinfrastruktur ein integraler Bestandteil der Straßen- und Verkehrsplanung ist und damit bei allen neuen Infrastrukturprojekten entsprechend mit berücksichtigt wird. So sind sowohl bei den Tunnelprojekten am Mittleren Ring Radverkehrsführungen integriert, wie auch der Neu- und Umbau von Straßen in Tempo-30-Zonen einen wesentlichen Beitrag zu einer zeitgemäßen Radverkehrsführung leistet. Auch bei der zunehmenden Realisierung von Radfahr- und Schutzstreifen im Straßenneubau sind die Kosten für die Radverkehrsinfrastruktur untrennbar mit den Straßenbaukosten verbunden.
Frage 11:
Zum Vergleich: Wie viel Geld wurde und wird in die Sanierung und Erhal- tung des Münchner Straßennetzes investiert (Bilanzierung für die Jahre 2010 – 2016)?
Antwort:
Das Münchner Straßennetz hat bei einer Länge von ca. 2.340 km eine Fahrbahnfläche von ca. 18 Mio. m². Die Fläche der 970 km baulichen Radwege beträgt mit 1,8 Mio. m² rund 10% der Fahrbahnflächen. Wie im Beschluss „Weiterführung der Zusatzfinanzierung für den Straßenunterhalt“ vom 28.11.2012 (Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 09714) aufgezeigt, setzt das Baureferat für die Erhaltung der Fahrbahnflächen pro Jahr Haushaltsmittel in Höhe von 14 Mio. Euro und damit im Mittel ca. 0,80 Euro/m² ein. Das bedeutet, dass allein mit den 3 Mio. Euro pro Jahr für die Sanierung und Verbesserung der Radverkehrsverbindungen im Straßenraum im Mittel 1,70 Euro/m², also über das Doppelte an Finanzmitteln im Vergleich zu den Fahrbahnflächen, eingesetzt wird.
Des Weiteren sind bei den 14 Mio. Euro für die Fahrbahnen Mittel in Höhe von 2 Mio. Euro ausschließlich für den Straßenunterhalt in Nebenstraßen enthalten. Auch diese kommen dem Radverkehr in besonderem Maße zugute.