Stadtratssitzungen für RollstuhlfahrerInnen öffnen!
Antrag Stadtrat-Mitglieder Jutta Koller und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 23.2.2017
Antwort Kommunalreferent Axel Markwardt:
In Ihrem Antrag vom 23.2.2017 führen Sie Folgendes aus:
„Die Verwaltung wird gebeten, ein Konzept zu entwickeln, wie RollstuhlfahrerInnen und andere stark mobilitätseingeschränkte Menschen Sitzungen des Münchner Stadtrats als ZuschauerInnen verfolgen können.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihren Antrag zur federführenden Beantwortung übermittelt. Für die gewährte Fristverlängerung bedanke ich mich.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine „laufende“ Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und
§ 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb eine Behandlung mittels Antwortschreiben erfolgt.
Ich darf zunächst auf die aktuelle Situation eingehen, da den berechtigten Forderungen aus Ihrem Antrag bereits weitestgehend entsprochen wird:
Besucher können die öffentlichen Stadtratssitzungen von der Galerie des kleinen und des großen Sitzungssaales aus verfolgen. Die Presse sitzt bereits jetzt im Sitzungssaal – ebenso wird Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern bereits jetzt durch den Sitzungsdienst ein Platz im jeweiligen Sitzungssaal zur Verfügung gestellt.
Laut Direktorium, das für die „Bespielung“ der Sitzungssäle zuständig ist, haben bisher höchstens vier bis fünf Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer gleichzeitig bei Sitzungen teilgenommen, was ca. einmal in einem halben Jahr vorkommt und vom jeweiligen Ausschuss abhängig ist (z.B. ist bei Sitzungen des Sozialausschusses eher mit einer Teilnahme zu rechnen). Das Direktorium kann aktuell bei einer Ausschusssitzung in beiden Sitzungssälen jeweils acht bis zehn Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer zur Verfügung stellen. Bei der Vollversammlung im großen Sitzungssaal kann ein Platz zur Verfügung gestellt werden.Basierend auf Ihrem Antrag haben das Direktorium und das Kommunalreferat in Abstimmung mit dem Baureferat und dem Sozialreferat folgende Lösungsansätze untersucht, um die derzeitige Situation für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sowie für andere stark mobilitätseingeschränkte Menschen weiter zu verbessern.
Bauliche Maßnahmen – Barrierefreier Umbau der Galerien oder Live- Übertragung in einen anderen Raum:
Eine – in den Zuständigkeitsbereich des Kommunalreferats fallende – bauliche Lösung für eine barrierefreie Ausgestaltung der beiden Galerien ist angesichts des Baubestands im Einzeldenkmal Neues Rathaus kaum realisierbar und scheidet daher aus.
Die Galerien der Sitzungssäle sind aufgrund von Stufen (Zugang Galerie sowie beim kleinen Sitzungssaal auch auf der Galerie selbst) und fehlenden Bewegungsflächen nicht barrierefrei erreichbar (vgl. Anlage 1: Fotodokumentation Bestand Großer Sitzungssaal und Anlage 2: Fotodokumentation Bestand Kleiner Sitzungssaal).
Aufgrund der Treppenhöhe ist eine barrierefreie Erschließung mittels Rampe bei Einhaltung der zulässigen Neigung von maximal 6% nicht möglich. Treppenlifte würden erhebliche bauliche Eingriffe in die Bausubstanz (Einzeldenkmal) bedeuten und sind angesichts fehlender Bewegungsflächen auf der Besuchergalerie (es sind deutlich weniger als die erforderlich 150cm x 150cm bei Richtungsänderung und Begegnung vorhanden, Absturzgefahr bei den offenen, steilen Treppenabgängen zu den Galeriereihen) nicht zielführend. Ferner müssen Flucht-/Verkehrswege auf der ohnehin sehr beengten obersten Galerieebene freigehalten werden (Länge Rollstuhl ca. 120 cm).
Die grundsätzlich denkbare Lösung, eine Live-Übertragung in einen nahegelegen Raum zu realisieren (vgl. hierzu auch das als Anlage 4 beigefügte Schreiben des Behindertenbeirats der Landeshauptstadt München vom 24.4.2017), wurde verworfen, da dies weder als physische Teilnahme („live dabei sein“) empfunden/angesehen werden kann noch dem Inklusionsgedanken entspricht und darüber hinaus (bereits) eine deutlich besser geeignete organisatorische Lösung (vgl. oben und im Folgenden) existiert.
Organisatorische Lösung:
Die Sitzungssäle sind bei öffentlichen Stadtratssitzungen grundsätzlich barrierefrei erreichbar (vgl. Anlage 3: Fotodokumentation Zugang Sitzungssäle). Aufgrund der o.g. Problemstellungen im Bestand erscheint eineorganisatorische Lösung – wie es vom Sitzungsdienst des Direktoriums bereits jetzt je nach tatsächlichem Bedarf kurzfristig praktiziert wird – am sinnvollsten. Im Falle von nichtöffentlichen Tagesordnungspunkten müssten die Personen im worst-case den Raum nochmals verlassen (analog Presse).
Wie oben bereits ausgeführt, bietet das Direktorium basierend auf den bisherigen Besucherzahlen für die Ausschusssitzungen bereits ausreichend Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer an.
Angesichts der während der Vollversammlung herrschenden sehr beengten Raumsituation ist es schwierig, im Bestand eine Erhöhung der Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer herbeizuführen. Es darf darauf hingewiesen werden, dass insbesondere das vorhandene Mobiliar für die erforderlichen Unterlagen der Stadträtinnen und Stadträte hinsichtlich der Tischtiefe bereits „optimiert“ ist und die Referate dazu angehalten sind, die Anwesenheit von Beschäftigten der Verwaltung auf das absolut notwendige Mindestmaß zu beschränken.
Nichts desto trotz konnte für die Vollversammlung bei einer gemeinsamen Ortsbegehung mit dem Direktorium eine Verbesserung dahingehend erzielt werden, dass – wie vom Behindertenbeirat der Landeshauptstadt München im Schreiben vom 24.4.2017 vorgeschlagen – durch das Entfernen zweier Stühle im Bereich der südwestlichen Türe (Fluchtweg zur Türe muss freigehalten werden!) unter dem Wandgemälde ein weiterer Platz ermöglicht wird. Somit können für die Vollversammlung zukünftig zwei Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer angeboten werden.
Dieses Schreiben ist mit dem Direktorium und dem Behindertenbeirat der Landeshauptstadt München abgestimmt.
Ich möchte Sie um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.