Briefwahl vereinfachen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider und Tobias Ruff (ÖDP) vom 6.3.2017
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihr Antrag vom 6.3.2017 lautet wie folgt:
„Briefwahl vereinfachen
Bei den kommenden Wahlen und Abstimmungen werden die Briefwahlunterlagen bereits mit der Wahlbenachrichtigung verschickt. Begründung
Seit 2009 müssen Wählerinnen und Wähler nicht mehr begründen, weshalb er oder sie per Brief wählen möchte. Jeder Antrag wird genehmigt. Damit ist es möglich, die Briefwahlunterlagen zusammen mit der Wahlbenachrichtigung zu verschicken.
Eine Steigerung der Wahlbeteiligung, wie in anderen Ländern geschehen, ist zu erwarten und die Briefwahl wird damit wesentlich vereinfacht. Gleichzeitig senkt diese Maßnahme die Kosten und den Personalaufwand der Wahlbehörde beim Verschicken der Unterlagen sowie bei der Auszäh- lung der Stimmen.“( https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/ZD_EINWURF_03_2016.pdf )
Nach § 60 Abs. 9 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Landeshauptstadt München (GeschO) dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt des Antrags betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit der Verwaltung, nämlich die Durchführung der Briefwahl sowie die Erstellung und den Versand von Wahlbenachrichtigungen bei künftigen Wahlen und Abstimmungen. Die Besorgung dieser Angelegenheit obliegt nach Art. 37 Abs. 1 Gemeindeordnung und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag möchte ich auf Folgendes hinweisen:
Der Ablauf der Wahlvorbereitung ist einschließlich der Briefwahlausstellung abschließend gesetzlich geregelt. Für die anstehende Bundestagswahl finden sich die Regelungen im Bundeswahlgesetz (BWG) und der Bundeswahlordnung (BWO).Die Gemeindebehörde macht danach ca. 4 Wochen vor dem Wahltermin öffentlich bekannt, wie durch Briefwahl gewählt wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 5, § 66 BWO). Ist die wahlberechtigte Person im Wählerverzeichnis eingetragen, erhält sie mit der Wahlbenachrichtigung auch Informationen sowie ein Formular für die Beantragung eines Wahlscheins und der Briefwahlunterlagen (§ 19 Abs. 1 Nr. 8 BWO). Die Wahl per Briefwahl setzt die Erteilung eines Wahlscheins voraus (§ 14 Abs. 1, 3b i.V.m. § 36 Abs. BWG). Der Wahlschein wird wiederum nur auf schriftlich oder mündlich (nicht telefonisch) gestellten Antrag erteilt (§§ 27 ff. BWO).
Auch bei Landtagswahlen, Bezirkswahlen, Volksentscheiden, Kommunalwahlen, Bürgerentscheiden und Europawahlen ist das Verfahren entsprechend gleich in den jeweiligen Wahlgesetzen und Wahlordnungen geregelt (vgl. u.a. §§ 17, 24 ff Landeswahlordnung; §§ 23, 27 ff Gemeinde- und Landkreiswahlordnung). Als Voraussetzung für die Teilnahme an der Wahl per Brief ist jeweils ein Wahl- bzw. Abstimmungsschein. Dieser darf nur auf gesonderten Antrag des Wahlberechtigten ausgestellt werden.
Die verbindlichen Regelungen zu den übergeordneten Wahlen und Abstimmungen sind bundes- bzw. landesweit gleich, alle Abläufe und Vorgänge finden in allen Gemeinden zum gleichen Zeitpunkt statt und sind aufeinander abgestimmt. Ein Abweichen von dem vorgegebenen Verfahren in der Landeshauptstadt München ist daher rechtlich nicht zulässig.
Die von Ihnen erwartete und in der Bertelsmannstudie angenommene Kostenersparnis durch Übermittlung der Briefwahlunterlagen an alle Wahlberechtigten ohne einen notwendigen gesonderten Antrag ist aufgrund der Erfahrungswerte vergangener Wahlen nicht nachvollziehbar.
Nach unserer Prognose würden sich die zu erwartenden Kosten für Druckprodukte, Postdienstleistungen, Wahlhelferentschädigungen und Sonstiges (wie z.B. Mietkosten) um mindestens 40% erhöhen.
Die Annahme der angeführten Studie, dass bei einer steigenden Wahlbeteiligung, selbst wenn diese sich auf die Briefwahl verlagert, weniger Wahlhelferinnen und Wahlhelfer für die Auszählung benötigt werden, ist nicht plausibel. Auch wenn Wahllokale eingespart werden, müssen wenigstens genauso viele oder mehr Wahlvorstände für die Auszählung der Briefwahl bereitgestellt werden. Da die Entschädigungsleistungen für Wahlvorstände im Wahllokal und bei der Briefwahl identisch sind, sind keinerlei Einsparungen möglich.Gleiches gilt für die Mietkosten der Wahllokale bzw. Briefwahlzentren in München. Auch wenn sich die Zahl der benötigten Wahllokale reduzieren ließe, ist wegen des höheren Briefwahlaufkommens die Anmietung größerer Räume für die Briefwahlauszählung (i.d.R. Messehallen) notwendig. Eine Kostensteigerung für die Anmietung dieser größeren Räume ist daher zu erwarten, da die Mietkosten für große Messehallen wesentlich höher liegen als die Mietkosten für die meist in städtischen Gebäuden (vor allem in Schulen) untergebrachten Wahllokale.
Hinsichtlich der notwendigen Aufwendungen im Wahlamt und in den Bezirksinspektionen bei der Briefwahlausstellung ist zu berücksichtigen, dass zwar die Einzelanträge von Briefwahlunterlagen entfallen, dafür sind jedoch vermehrt Sonderfälle, vor allem bei Verlust der Wahlunterlagen oder von Postrückläufern, zu bearbeiten. Die erforderliche Fortschreibung des Wählerverzeichnisses bis zum Wahltag ist außerdem mit höheren Aufwendungen im Rahmen des Wahlamtes verbunden, da bei Verlust der Wahlberechtigung vor dem Wahltag nicht nur eine Streichung im Wählerverzeichnis erforderlich wird, sondern auch der bereits ausgestellte Wahlschein ungültig zu machen ist.
Die anfallenden Kosten für das notwendige Personal werden sich daher nicht nennenswert ändern.
Wir bitten, von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit erledigt ist.