Kreislaufwirtschaft als Chance begreifen I Stadtratshearing zum Thema Kreislaufwirtschaft
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff (ÖDP) und Cetin Oraner, Brigitte Wolf (Die Linke) vom 8.12.2016
Antwort Kommunalreferent Axel Markwardt:
In Ihrem Antrag Nr. 14-20/A 02712 vom 08.12.2016 fordern Sie:
„Die Verwaltung wird aufgefordert, ein Stadtratshearing zum Thema Kreis- laufwirtschaft zu organisieren und durchzuführen.“
Sie begründen Ihren Antrag damit, dass auf EU-Ebene derzeit die gesetzlichen Weichen für die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft gestellt werden. Unter Kreislaufwirtschaft verstehen wir in Deutschland hauptsächlich Mülltrennung und Recycling. Der englische Begriff „circular economy (ce)“ ist allerdings viel weitreichender, im Idealfall stellt die ce ein alternatives Wirtschaftsmodell dar, in dem es weder Verschwendung noch Abfall gibt. Es geht darum, Kreisläufe zu schließen und Produkte wie Ressourcen bestmöglich ohne Wertverlust zu nutzen und damit unser lineares Prinzip von Herstellung aus Rohstoffen, Nutzung und Beseitigung zu verändern. Im Folgenden wird Kreislaufwirtschaft mit dem englischen Begriff circular economy gleichgesetzt.
Im Dezember 2015 hat die Europäische Kommission ein ehrgeiziges Maßnahmenpaket beschlossen, um die endlichen Ressourcen intelligenter zu nutzen und den Wert von Produkten und Stoffen so lange wie möglich zu erhalten. Ziel ist es, sichere Arbeitsplätze zu schaffen, Innovationen zu fordern und das Schutzniveau für Mensch und Umwelt zu erhöhen.
Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft betrifft viele verschiedene Referate und Aufgaben der Stadt und viele ihrer Eigenbetriebe. Der Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) ist bereits im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses auf EU-Ebene tätig und setzt viele der Maßnahmen praktisch um. Das in München durchgeführte EU-Projekt ECCENTRIC zeigt in einem Pilotprojekt im Münchner Norden die Möglichkeit des „Sharings (Teilen)“ auf.In einem Stadtratshearing sollten mindestens folgende Punkte behandelt werden:
- die derzeitigen Aktivitäten der LH München im Bereich Kreislaufwirtschaft,
- die Herausforderungen und Chancen für die Zukunft und wie sich die Stadt München in diesem zukunftsträchtigen Feld positionieren kann (evtl. können auch erste Erfahrungen aus anderen europäischen Städten wie Amsterdam und Malmö einbezogen werden),
- welche Kriterien in der Beschaffung der LH München die Wiederverwendung von Produkten fördern könnten (Stichwort: Circular Procurement),
- welche Kriterien der Kreislaufwirtschaft im Ökoprofit Auditing aufgenommen werden sollten.
Nach § 60 Abs. 9 Geschäftsordnung (GeschO) dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft ein laufendes Geschäft des Eigenbetriebs, dessen Besorgung nach
Art. 88 Abs. 3 Satz 1 Gemeindeordnung (GO) in Verbindung mit der Betriebssatzung des AWM der Werkleitung obliegt, weshalb eine Behandlung auf diesem Wege erfolgt.
Stadtratshearing zum Thema Kreislaufwirtschaft
Das Kommunalreferat und der für die Abfallentsorgung in München zuständige Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) greifen die Idee eines Stadtratshearings zum Thema Kreislaufwirtschaft gerne auf. Das Hearing soll wegen der aktuellen Situation im 2. Halbjahr 2017 durchgeführt werden und sowohl die Entwicklungen in Deutschland als auch in Europa berücksichtigen. Der Termin sollte dabei noch möglichst flexibel gehalten werden, um auf die Ergebnisse der derzeitigen und zukünftigen Abstimmungen besser reagieren zu können und die Auswirkungen und möglichen Reaktionen der Landeshauptstadt München konkreter diskutieren zu können.
Begründung:
Derzeit befinden sich sowohl die deutsche als auch die europäische Abfallgesetzgebung im Umbruch. Das deutsche Verpackungsgesetz und die European Circular Economy befinden sich in der Konzeptions- und Abstimmungsphase.
Nach der am 26.1.2017 beschlossenen Empfehlung des Bundesratsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum deutschen Verpackungsgesetz sollen die bestehenden Verwertungsquoten deutlich erhöht und ein besseres und innovativeres Recycling erreicht werden. Auch sollen die kommunalen Interessen genauso wie der Wettbewerb von privaten Anbietern gewahrt werden. Aus der Sicht des AWM ist die Einschätzung des Umweltausschusses richtig, dass die Sammlung von Verpackungen und Wertstoffen aus privaten Haushalten als Teil der Daseinsvorsorge in die Hand der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gehört und die Entsorgung von Abfällen aus Papier, Pappe und Kartonagen aus dem Regelungsregime des Verpackungsgesetzes herausgenommen werden muss. In der Bundesratssitzung am 10.Februar 2017 soll darüber entschieden werden.
Am Dienstag, 24.1.2017, hat der Umweltausschuss (Envi) des Europäischen Parlaments in erster Lesung zum Kreislaufwirtschaftspaket abgestimmt. Es wurde auf Grund der Größe des Pakets in zwei Blöcken abgestimmt; am Morgen des 24.01. zur Abfallrahmenrichtlinie, zur Richtlinie für Deponien und Richtlinie für WEEE (Elektroaltgeräte) und am Nachmittag zur Verpackungsrichtlinie.
Insgesamt hat der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments ein ambitioniertes Paket verabschiedet. Die Berichterstatterin, Simona Bonafé, hat sich an dem Vorschlag zur Kreislaufwirtschaft der vorangegangenen Barroso Kommission orientiert. Der Umweltausschuss des EP hat sich in seiner Kompromissfindung insbesondere mit den kritischen Themen Recyclingquoten/Berechnungsmethode der Recyclingquoten, Definition von Siedlungsabfall (Mengenkriterium) und Erweiterte Herstellerverantwortung auseinandergesetzt.
Diese drei Themen werden im Rat ebenfalls kritisch diskutiert, sodass man die Abstimmung im Umweltausschuss nicht isoliert betrachten kann, sondern auch Diskussionen im Umweltrat mit in die Auswertung einbeziehen muss.Bei der Definition zum Siedlungsabfall tendiert der Rat aktuell ebenso zu einer Definition ohne Mengenkriterium, jedoch ist der Rat bei den Recyclingquoten in Zusammenspiel mit der Berechnungsmethode „Input in ein abschließendes Recyclingverfahren“ zurückhaltender. Insbesondere die ambitionierten Recyclingquoten sind für viele Mitgliedstaaten eine große Herausforderung. Zusätzlich wird die neu gewählte Schnittstelle zur Quotenberechnung die Erreichung der Recyclingziele auch für Mitgliedstaaten, die derzeit hohe Recyclingquoten haben, erschweren. So ist davon auszugehen, dass der Umweltausschuss des EP sich bewusst für ambitionierte Forderungen entschieden hat, sodass in der Kompromissfindung zwischen EP und Rat realistische Recyclingziele sowie Ziele zur Einschränkung der Deponierung ermittelt werden können.
Nachdem der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments zu den Änderungsanträgen und Kompromissen zu den legislativen Vorschlägen der EU-Kommission im Rahmen des Kreislaufwirtschaftspakets abgestimmt hat, wird zu diesem Bericht im Plenum des Europaparlaments voraussichtlich im März 2017 abgestimmt. Gleichzeitig laufen die Verhandlungen im Umweltrat, der sich voraussichtlich offiziell zu Beginn des Sommers 2017 zu den Legislativvorschlägen positionieren wird. Haben beide, das EP und der Rat, ihre Positionen offiziell verabschiedet, beginnen die Verhandlungen zwischen beiden Institutionen. Dieses Verfahren wird sich voraussichtlich bis Ende dieses Jahres erstrecken.
Bis dahin begleitete und begleitet der AWM zusammen mit verschiedenen Akteuren der deutschen und europäischen kommunalen Abfallwirtschaft die beiden Gesetzgebungsverfahren. Seit Dezember 2015 waren intensive Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Kommission, Parlamentariern und deren Mitarbeitern sowie vielen anderen Akteuren der zukünftigen europäischen Kreislaufwirtschaft nötig, um die Diskussionsgrundlage zu schaffen.
Im Januar 2016 präsentierten zum Beispiel die Mitgliedsstädte der Eurocities Waste Working Group, darunter auch München, ihre Vorstellungen auf einer von Municipal Waste Europe (mwe) und eurocities organisierten Konferenz mit mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Brüssel. Der hier begonnene intensive Dialog wurde anschließend über das ganze Jahr hinweg teilweise in Einzelgesprächen fortgesetzt. Die Positionen der kommunalen Abfallwirtschaftsbetriebe in Europa lassen sich wie folgt zusammenfassen:-Einstellung der Deponierung sämtlicher biologisch abbaubarer sowie stofflich und thermisch verwertbarer Abfälle, um klimaschädliche Emissionen zu reduzieren
- Definition des Begriffs „Siedlungsabfall“ im Einklang mit der entsprechenden oecd-Definition nur anhand von qualitativen, nicht quantitativen Kriterien, um Kleingewerbeabfälle nicht von den Recyclingzielen auszuschließen
- Aufnahme einer Bestimmung zur verpflichtenden Zertifizierung von Recyclinganlagen, um eine hochwertige Weiterverarbeitung zu sichern und eine missbräuchliche Anwendung der Berechnungsmethode durch Umdeklarierung von Verfahrensschritten zu unterbinden
- Zeitnahe Anpassung der Ökodesignrichtlinie sowie der europäischen Ecolabel-Bestimmungen, um die Reparierbarkeit und das Recycling von Produkten zu verbessern und Verbrauchern eine bewusste Auswahl ressourcenschonender Alternativen zu ermöglichen
- Einrichtung und Förderung einer Wissensplattform der europäischen Kreislaufwirtschaft für den Austausch von Best-Practice-Beispielen zwischen allen Mitgliedsstaaten, besonders auf regionaler und kommunaler Ebene
- Anerkennung der von der EU-Kommission im Februar 2016 veröffentlichten Roadmap „Exploiting the Potential of Waste to Energy under the Energy Union Framework Strategy and the Circular Economy“, die die Abfallverbrennung im Kontext des Kreislaufpakets ebenfalls berücksichtigen soll
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten; damit ist die Angelegenheit abgeschlossen.