Gesetzesänderung bei Leiharbeitern – Wie ist die LHM betroffen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom 6.4.2017
Antwort Personal- und Organisationsreferent Dr. Alexander Dietrich:
Ihre an Herrn Oberbürgermeister gerichtete Anfrage vom 6.4.2017 wurde dem Personal- und Organisationsreferat zur Beantwortung zugeleitet. Sie haben folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Seit 1.4.2017 gilt das geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, wel- ches die Belange von Leiharbeitern regelt. Eine Kernänderung ist, dass Leiharbeiter nach neun Monaten im Betrieb den gleichen Lohn erhalten müssen, wie die Kollegen der Stammbelegschaft. Wobei unter bestimm- ten Umständen vom Gesetz abgewichen werden kann, wenn sich Ent- leiher und Verleiher an einen Tarifvertrag gebunden haben. Ein weiterer zentraler Punkt im geänderten Gesetz ist, dass Leiharbeitnehmer höchs- tens noch 18 Monate einem anderen Betrieb überlassen werden dürfen. Danach müssen diese übernommen oder abgezogen werden. Eine Abwei- chung ist auch hier wieder durch einen Tarifvertrag möglich. Gegen die Ver- wendung von Leiharbeitern sprechen vor allem die Kosten. Z.B. bei Pfle- geberufen kostet ein Leiharbeitnehmer die Landeshauptstadt München doppelt so viel wie ein Angestellter, wobei das gezahlte Geld nur zu einem weit geringeren Teil bei diesem ankommt.“
Ihrer Anfrage voranstellend möchten wir auf den Beschluss des Verwaltungs- und Personalausschusses (VPA) vom 20.1.2016 bzw. der Vollversammlung vom 27.1.2016 „Arbeitnehmerüberlassung (AÜG); Regelungen zur Beschäftigung von Leiharbeitskräften in der Stadtverwaltung München“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 04875) hinweisen. Darin wurde festgelegt, dass bei der Landeshauptstadt München (LHM) eine Beschäftigung von Leiharbeitskräften nur unter engen Voraussetzungen in folgenden begründeten Ausnahmefällen möglich ist:
1. Beschäftigung von Leiharbeitskräften bis zur Besetzung einer vakanten Stelle.
2. Beschäftigung von Leiharbeitskräften in Vertretungsfällen.
3. Beschäftigung von Leiharbeitskräften für eine unvorhergesehene, zusätzlich auftretende und/oder zeitlich befristet zu erfüllende Aufgabe, für die ein Stellenbesetzungsverfahren nicht zielführend ist.
4. Beschäftigung von Leiharbeitskräften aufgrund gesonderter Beschlussfassung durch den Stadtrat.Der in 2016 gefasste Beschluss bleibt von der Reform des AÜG unberührt. Vor diesem Hintergrund beantworten wir Ihre Fragen wie folgt:
Frage 1:
Wie viele und in welchen Bereichen setzt die Landeshauptstadt München Leiharbeiter, auch bei ihren Tochterunternehmen ein?
Antwort:
In Ziffer 4 des Sachvortrags des o.g. Beschluss wurde die bereits seit 2013 bestehende Berichtspflicht der Stadtverwaltung dahingehend konkretisiert, die Zahlen der im Hoheitsbereich beschäftigten Leiharbeitskräfte jährlich, die Zahlen der in Tochter- und Enkelunternehmen sowie ihren Beteiligungsgesellschaften und Eigenbetrieben beschäftigten Leiharbeitskräften in einem Turnus von 3 Jahren, erstmals in 2016, zu veröffentlichen. Die Vorlage der Zahlen zur Leiharbeit erfolgt durch das Personal- und Organisationsreferat (POR) im Rahmen der regelmäßigen Bekanntgabe über die „Mittelfristige Personalplanung“ im Verwaltungs- und Personalausschuss bzw. in der Vollversammlung.
In 2017 werden die Zahlen für den Hoheitsbereich im VPA voraussichtlich am 19. Juli bekanntgegeben, über die Anzahl der bei den Tochterunternehmen beschäftigten Leiharbeitskräfte wurde 2016 berichtet. Eine außerturnusmäßige Umfrage bei den Referaten, Eigenbetrieben und Beteiligungsgesellschaften sowie den Tochter- und Enkelunternehmen ist durch die ausdrückliche Festlegung des Stadtrates zur Berichtspflicht nicht geboten und im Rahmen der Fristen zur Beantwortung einer Anfrage auch nicht leistbar.
Frage 2:
Bestehen für diese Leiharbeiter Tarifverträge, mit welchen die neuen Gesetzesänderungen umgangen werden können?
Antwort:
Nach der seit 1. April 2017 geltenden Neuregelung darf der Verleiher dieselbe Leiharbeitskraft nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen. Von der Überlassungshöchstdauer kann durch Tarifvertrag oder durch eine auf Grund eines Tarifvertrages getroffene Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden. Weder der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD – VKA) noch der Tarifvertrag – Versorgungsbetriebe (TV – V) enthalten eine Regelung oder Öffnungsklausel für eine 18 Monate überschreitende Höchstüberlassungsdauer.Bereits bisher galt, dass die überlassene Leiharbeitskraft Anspruch auf die gleichen wesentlichen Arbeitsbedingungen, insbesondere auf das vergleichbaren Beschäftigten im Entleiherbetrieb gezahlte Arbeitsentgelt (Equal Pay) hat. Von diesem Gleichstellungsgrundsatz kann durch Tarifvertrag abgewichen werden. Neu ist, dass die tarifliche Abweichungsmöglichkeit auf grundsätzlich neun Monate begrenzt ist. Sieht allerdings ein Tarifvertrag Lohnaufstockungen bereits nach längstens sechs Wochen vor, muss – nach tarifvertraglicher Regelung – spätestens nach einer Einsatzdauer von 15 Monaten eine Vergütung gewährt werden, die sich am tariflichen Entgeltrahmen der Einsatzbranche orientiert.
Welche Tarifverträge die als Verleiher fungierenden Arbeitgeber anwenden, ist dem Personal- und Organisationsreferat nicht bekannt. Die Gewinnung und der Einsatz einer Leiharbeitskraft einschließlich Verhandlungsführung und Vertragsabschluss mit einem Leiharbeitsunternehmen erfolgt unter Beachtung der Vergaberichtlinien und nach Maßgabe des eingangs erwähnten Stadtratsbeschlusses in eigener Zuständigkeit und in eigener Verantwortung des jeweiligen Referates bzw. Eigenbetriebs (dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung).
Frage 3:
Welche Auswirkungen hat das geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für die LHM und deren Töchter?
Antwort:
Bisher waren sämtliche der im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes vorgesehenen Optionen der Abordnung, Zuweisung und Personalgestellung außerhalb von hoheitlichen Tätigkeiten für kommunale Arbeitgeber von der Erlaubnispflicht des AÜG erfasst. Gleiches galt für kommunale Unternehmen, gleichgültig, ob sie den TVöD oder ein anderes Tarifrecht angewendet haben.
Mit der Novellierung des AÜG zum 1. April 2017 sind Abordnungen, Zuweisungen und Personalgestellungen nun teilweise vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen und damit nicht mehr erlaubnispflichtig.
Das AÜG findet keine Anwendung mehr auf Personalgestellungen auf Grund eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes. Der TVöD (VKA) enthält bereits eine entsprechende Regelung. Die Erlaubnisfreiheit gilt jedoch nicht im Bereich des TV – V, da eine dem TVöD (VKA) entsprechende Grundlage fehlt.Unabhängig davon findet das AÜG keine Anwendung, wenn Personalgestellungen gesetzlich vorgesehen sind und Arbeitnehmer aufgrund dieser spezialgesetzlichen Regelung von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts einer anderen juristischen Person zur Verfügung gestellt bzw. zugewiesen werden. Ein typischer Anwendungsfall hierfür ist die Zuweisung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu gemeinsamen Einrichtungen nach § 44g SGB II (Jobcenter).
Abordnungen und Zuweisungen sind dann erlaubnisfrei, wenn sie zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfolgen, sofern diese Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anwenden. Ein einheitliches Tarifwerk ist dabei nicht erforderlich. Die Personalgestellung zu kommunalen Unternehmen und Betrieben in privater Rechtsform bleibt damit weiterhin erlaubnispflichtig.
Frage 4:
Können Leiharbeitnehmer von der LHM und deren Töchtern gleich übernommen werden, um sich dadurch die zukünftigen Übernahmekosten zu sparen und die mehr als 2.000 offenen Stellen zu besetzen?
Antwort:
Leiharbeitskräfte haben die Möglichkeit, sich in gleicher Weise wie die Stammbelegschaft des Entleihers zu bewerben. Die LHM als Entleiher hat nach § 13a AÜG Leiharbeitskräfte über Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, zu informieren. Leiharbeitskräfte sind Beschäftigten der Stammbelegschaft insoweit gleichgestellt.
Ein Bewerbungsvorrang gegenüber der Stammbelegschaft oder anderen externen Bewerberinnen und Bewerbern ergibt sich daraus nicht. Die Bewerberauswahlentscheidung des Arbeitgebers wird durch § 13a AÜG nicht eingeschränkt und erfolgt ausschließlich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung.
Frage 5:
Wie will die LHM und ihre Töchter zukünftig mit der Zuhilfenahme von Leiharbeitern, auch im Hinblick auf den höheren Kostenfaktor, umgehen?
Antwort:
Der Einsatz von Leiharbeitskräften kann immer nur eine Einzelfalllösung sein, um personelle Engpässe kurzfristig zu überwinden. Nach dem Gebot zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung kann die Beschäftigung von Leiharbeitskräften nur unter engen Voraussetzungen in begründeten Ausnahmefällen erfolgen, da im Vergleich zu stadteigenem Personal der Einsatz von Leiharbeitskräften in der Regel mit einem höherem Kostenaufwand verbunden ist. Schon aus diesem Grund ist es unumgänglich, vor Beschäftigung einer Leiharbeitskraft intensiv zu prüfen, ob – unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten – der Einsatz städtischen Personals möglich ist.
Der Stadtrat hat mit dem in der Vorbemerkung zu dieser Anfrage zitierten Beschluss die möglichen Fallkonstellationen bereits abschließend beschrieben und damit für die praktische Personalgewinnung die Grundlage geschaffen, das Instrument der Leiharbeit verantwortungsvoll zu nutzen. Mit dem dort beschriebenen Verfahren ist sichergestellt, dass Leiharbeit dann tatsächlich die einzige wirtschaftliche Möglichkeit ist, einen gegebenen besonderen Personalbedarf zu decken.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.