„Share Deals“: Ist München auch betroffen?
Anfrage Stadträtinnen Simone Burger und Heide Rieke (SPD-Fraktion) vom 15.11.2017
Antwort Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz:
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
„Im Zuge der Veröffentlichung der ‚Paradise Papers‘ wurde der Berliner Fall von ‚Phoenix Spree‘ bekannt. Phoenix Spree sitzt im Offshore-Paradies Jersey. Phoenix Spree kauft, modernisiert und vermietet dann die Woh- nungen, sehr oft zu höheren Preisen. Bei diesem Fall wurde bekannt, dass über Share Deals die Grunderwerbssteuer komplett vermieden werden konnte. So kauft eine Immobilienfirma nicht direkt die Wohnungen oder Häuser, sondern sie kauft Anteile (Shares) an der Firma, die die Wohnung hält. Erst wenn über 94,9 Prozent der Anteile gehandelt werden, fällt die Grunderwerbssteuer an. In Bayern beträgt die Grunderwerbssteuer 3,5Prozent des Kaufpreises. Das eigentliche Ziel von Share Deals war es, den gewöhnlichen Aktienhandel zu vereinfachen. Diese Lücke wird nun von Immobilienfirmen genützt. Während normale Bürger die Grunderwerbssteuer zahlen, gilt das für große Immobilienentwickler, die solche schwierigen Konstruktionen aufsetzen können, nicht. Diese Gerechtigkeitslücke muss geschlossen werden. Für große Firmen und Reiche dürfen keine Sonderrechte gelten.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Sind der Stadt München durch sogenannte Share Deals Steuereinnahmen entgangen?
Antwort:
Die Bundesregierung hat am 11.4.2017 anlässlich einer Antwort auf eine kleine Anfrage des Bundestags eine Übersicht der in den letzten Jahren durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung dokumentierten Share Deals veröffentlicht (vgl. BT – Drucksache 18 / 11919). Aufgrund dieser Veröffentlichung sind daher Sachverhalte bekannt, bei denen unterhalb der 95-Prozent-Grenze eine Übertragung von Anteilen an Gesellschaften mit Grundbesitz in München stattgefunden hat (wie zum Beispiel die Veräußerung des Wohnungsportfolios der GBW – Wohnungen von der Bayerischen Landesbank an die Patrizia Immobilien GmbH im Jahr 2013).Aus der Antwort der Bundesregierung geht unter anderem auch hervor, dass bei Transaktionen von Wohnungsportfolios mit besonders vielen Wohnungen bereits seit längerer Zeit fast schon standardisiert auch Share Deals zur Anwendung kommen. So wurden beispielsweise in den Jahren 1999 bis 2016 32 Prozent aller Übertragungen von Wohnungsportfolios mit mehr als 800 Wohnungen über Share Deals abgewickelt. Davon entfielen 14 Prozent auf grunderwerbsteuerpflichtige Share Deals und 18 Prozent auf nicht grunderwerbsteuerpflichtige Share Deals.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Landeshauptstadt München gemäß Artikel, 8 BayFAG mit einem Anteil von 8/21 am örtlichen Aufkommen der Grunderwerbsteuer beteiligt ist. Insoweit ist davon auszugehen, dass sich durch in der Vergangenheit abgeschlossene Share Deals indirekt auch der städtische Anteil an der Grunderwerbsteuer reduziert hat.
Frage 2:
Und wenn ja in welcher Höhe?
Antwort:
Genaue Berechnungen der mit Share Deals für die Landeshauptstadt München verbundenen Mindereinnahmen liegen nicht vor. Da keine Anzeigepflicht von Steuergestaltungsmodellen besteht, ist eine genaue Ermittlung der aufgrund von Share Deals dem Fiskus entgangenen Grunderwerbsteuer nicht möglich. Infolgedessen lässt sich auch die Höhe der sich dadurch beim städtischen Anteil an der Grunderwerbsteuer ergebenden Mindereinnahmen nicht feststellen.
Frage 3:
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den Bund zum Schließen dieser Gesetzeslücke zu bewegen?
Antwort:
Das Thema ist schon seit längerem auf der politischen Agenda. Im September 2016 schließlich hat die Finanzministerkonferenz beschlossen, dass die Länder hierzu im Rahmen einer möglichen Grunderwerbsteuerreform gemeinsam Lösungsvorschläge erarbeiten sollen. Der Gesetzgeber prüft somit bereits Maßnahmen gegen missbräuchliche Gestaltungen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer durch Share Deals. Von Seiten der Landeshauptstadt München sind daher hierzu derzeit noch keine weiteren Schritte geplant.Ich möchte Sie um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.