Neubaugebiet Bayernkaserne – Stellt der hohe Grundwasserspiegel eine Gefahr für die Nachbarsiedlungen dar?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Heike Kainz, Richard Quaas und Dorothea Wiepcke (CSU-Fraktion) vom 19.1.2018
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 19.1.2018 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„In diesem Jahr soll begonnen werden, auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne ein neues Wohngebiet mit Schulen und anderen sozialen Einrichtungen zu bauen. Da die Wohnungsnot in München außerordentlich groß ist, ein wichtiges Unterfangen, auch wenn Freimann dadurch ein anderes Gesicht bekommt. Neben einem Gymnasium und zwei Grundschulen werden Wohngebäude das Gebiet hauptsächlich prägen. Darunter auch 3 oder 4 Gebäude – sogenannte Hochpunkte – mit angeblich 88 und 66 Metern Höhe. Dagegen ist von unserer Sicht auch nichts einzuwenden. Dennoch muss beachtet werden, dass hier natürlich Tiefgaragen entstehen müssen, die bei dieser Haushöhe, vermutlich 3 und 4 Stockwerke tief im Baugrund stehen. Und hier könnte ein Problem seinen Anfang nehmen, das auch schon in anderen, hoch grundwasserführenden Gebieten der Stadt, zu erheblichem Ärger mit den benachbarten Anwohnern geführt hat. Durch die Sperrwirkung der in die Tiefe reichenden Keller, verändert sich der Grundwasserfluß. Das kann dazu führen, dass z.B. in der Grusonsied- lung und auch am Carl-Orff-Bogen die Keller durch Steigen des Grundwassers in Mitleidenschaft gezogen werden, sprich, es besteht die Gefahr von feuchten Kellern in den nördlich und westlich gelegenen Wohngebieten. Nachdem offenbar nicht geplant ist, einen leistungsfähigen Grundwasserschutz, bzw. Grundwassersammler vor Baubeginn an den Rändern der ehemaligen Kaserne zu errichten, ist die Gefahr evident.“
Frage 1:
Wie hoch ist der Grundwasserspiegel auf dem Gelände der Bayernkaserne derzeit?
Antwort:
Der für ein notwendiges wasserrechtliches Verfahren maßgebliche Höchstgrundwasserstand (HW 40) wird im Norden des Geländes bei ca. 3,50 m und im Südwesten des Areals bei lediglich 2 m unter Gelände angetroffen.
Frage 2:
In welche Himmelsrichtung geht der Hauptabfluß des Grundwassers vom Gelände der Bayernkaserne?
Antwort:
Die Grundwasserfließrichtung im östlichen Bereich des Geländes ist vorherrschend von Südwesten nach Ostnordost und im mittleren und westlichen Bereich des Geländes generell von Südsüdwest nach Nord.
Frage 3:
Ist es richtig, dass als sog. Hochpunkte, ein Hochhaus mit ca. 88 Metern und zwei oder gar drei Hochhäuser mit jeweils ca. 66 Metern dort gebaut werden sollen?
Antwort:
Die aktuelle Planung sieht im Bereich der künftigen Zugangssituation im Norden an der Heidemannstraße ein Gebäude mit einer maximalen Wandhöhe von bis zu 88 m vor. Im Bereich des künftigen zentralen Stadtplatzes sollen 3 Hochpunkte mit einer Wandhöhe von bis zu 66 m entstehen.
Frage 4:
Wenn ja, müssten dann für die notwendigen Stellplätze nicht 3 – 4 geschossige Tiefgaragen unter den Kellern der Gebäude errichtet werden?
Antwort:
Die aktuelle Planung sieht auf Grundlage eines Mobilitätskonzeptes die Reduzierung des Stellplatzschlüssels auf mindestens 80% der real herzustellenden Stellplätze hervor. Darüber hinaus soll über die Umsetzung eines weitergehenden Mobilitätskonzeptes die Anzahl der Stellplätze im Einzelfall weiter reduziert werden können. Durch diese Maßnahmen wird davon ausgegangen, dass max. dreigeschossige Tiefgaragen nur in wenig begrenzten Einzelfällen erforderlich sind. Im überwiegenden Teil des Planungsgebietes können die erforderlichen Stellplätze in zwei- ggf. auch eingeschossigen Tiefgaragen nachgewiesen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Ausbildung einer Tiefgarage unter dem künftigen zentralen Stadtplatz als ergänzendes Angebot zur Unterbringung von Anwohner- und Besucherstellplätzen.
Frage 5:
Wenn nein, wo und wie sollen diese Stellplätze geschaffen werden, wenn das Planungsreferat erst jüngst in einer Studie festgestellt hat, dass das Nutzerverhalten von Bewohnern sich beim Auto, nicht so, wie erwartet geändert hat und alternative Fortbewegungsmodelle, nur bedingt oder zusätzlich zum eigenen Auto Anklang finden?
Antwort:
Siehe hierzu Frage 4.
Frage 6:
Ist es richtig, dass solche Keller, die weit in grundwasserführende Schich- ten gebaut werden, eine Sperrwirkung für das Grundwasser haben und dazu ursächlich beitragen können, dass sich sowohl die Fließrichtung, als auch die Höhe des Grundwasserspiegels am Ort, aber auch in den angrenzenden Wohngebieten und dem Euroindustriepark, sich grundlegend ver- ändern können?
Antwort:
Grundsätzlich bewirken Bauwerke, die weit in grundwasserführende Schichten ragen, einen Aufstau, der anhand von hydrogeologischen Daten mathematisch berechnet werden kann.
Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ist für die Nachbarbebauung im Regelfall ein Aufstau von höchstens 10 cm durch den Neubau noch tolerierbar, da er sich in Fließrichtung sukzessive abbaut. Da sich das Grundwasser den Weg des geringsten Widerstandes sucht, werden durch Tiefbauwerke lokale Strömungsrichtungen gestört, die aber räumlich begrenzt und ebenfalls berechenbar sind. Die genauen Werte sind auf die jeweiligen Bebauungsverhältnisse und Grundwasserstände (mittlerer bzw. höchster Grundwasserstand) abzustellen. Für das Bebauungsplanverfahren ist ein Worst-Case Szenario zugrunde gelegt, um Beeinträchtigungen im Umfeld sicher auszuschließen.
Frage 7:
Kann die Stadt nach den bisherigen Planungen so ein Szenario, das die Nachbarschaft existentiell betreffen kann, sicher ausschließen?
Antwort:
Hierzu wurde im Rahmen des Bebauungsplans ein hydrogeologisches Gutachten erstellt. Demnach ist es grundsätzlich möglich, den Grundwasseraufstau bei Hochwasserverhältnissen unter 10 cm zu reduzieren. Dazu sind sog. Grundwasser-Überleitungen (z. B. Düker) notwendig, die dasGrundwasser in weniger gefährdete Bereiche transportieren. Für die weitere Umsetzung sind vertiefende Untersuchungen notwendig. Daher wird auf der Grundlage des oben genannten Gutachtens in Abstimmung mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt ein lokales Grundwassermodell zur Berechnung der hydrogeologischen Verhältnisse veranlasst. Hierdurch können die zugrunde gelegten Verhältnisse und geeignete Abhilfemaßnahmen für die Umgebungsbebauung berechnet werden. Die Erkenntnisse hieraus werden dann der späteren Baugenehmigung sowie dem erforderlichen wasserrechtlichen Verfahren zu Grunde gelegt. Darüber hinaus trifft der Bebauungsplan weitere unterstützende Festsetzungen und Maßnahmen für die Umgebungsbebauung und den Grundwassertransport, wie z. B. keine Unterbauung der sog. Grünen Gassen, die in Nord-Süd-Richtung verlaufen und somit den Grundwasserabfluss gewährleisten, und eine Hinterfüllung von Freiräumen mit stark durchlässigem Kies.
Sobald die Neubebauung fertiggestellt ist, sollten durch die auf der Grundlage des genannten Gutachtens festzulegenden Maßnahmen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine negativen Auswirkungen für die Nachbarbebauung entstehen. Risiken ergeben sich insbesondere durch die Bauwasserhaltung im Zuge der Herstellung der einzelnen Baufelder. Daher sind im Zuge der Herstellung der einzelnen Baufelder Koordinierungsmaßnahmen zu deren zeitversetzter Umsetzung notwendig, da die Bauwerke aufgrund des vorliegenden Grundwasseranfalls nicht alle gleichzeitig erstellt werden können. Hierzu wird die Möglichkeit eines sogenannten Baumanagements geprüft, um die jeweilige Nachbarbebauung während der Herstellung der neuen Gebäude vor Schäden zu sichern. Ein solches dringend benötigtes Baumanagement würde im Bauablauf Risiken hinsichtlich des Grundwasseranfalls wirkungsvoll minimieren können.
Frage 8:
Wenn ja, aufgrund welcher wissenschaftlicher Erkenntnisse?
Antwort:
Ein lokales numerisches Grundwassermodell ist ein erprobtes Mittel, um Störungen im Untergrund und der Grundwasserverhältnisse aufzuzeigen und Abhilfemaßnahmen zu erarbeiten. Je mehr Grundwasserdaten vorhanden sind, desto aussagekräftiger ist ein solches Rechenmodell. Die Vorlage eines Grundwassermodells gehört inzwischen zu den Standardvorgaben des Referates für Gesundheit und Umwelt für schwierige Grundwasserverhältnisse bzw. Baugebiete und muss aufgrund der derzeitigen Bauverdichtung immer häufiger gefordert werden. Das Grundwassermodell wird derzeit erarbeitet.
Frage 9:
Wenn nein, was wird von der Stadt vor dem eigentlichen Baubeginn unternommen, um eine so hohe Gefahr für die Nachbarschaft auszuschließen?
Antwort:
Siehe hierzu Frage 7.
Frage 10:
Gibt oder gab es Überlegungen, einen Grundwasserschutz, bzw. einen wirksamen Sammler für das hohe Grundwasser um oder im Gebiet der ehemaligen Kaserne zu bauen?
Antwort:
Wie zu Frage 7 bereits ausgeführt, wird eine Grundwasserüberleitungsmaßnahme für das Baugebiet bzw. einzelne Baufelder notwendig werden. Dazu gibt es Überlegungen, einen Grundwassersammler in Form eines übergreifenden Dükersystems zu bauen. Die Effektivität muss jedoch anhand des Grundwassermodells verifiziert werden.
Frage 11:
Wenn ja, warum werden diese Überlegungen nicht baulich umgesetzt?
Antwort:
Die bauliche Umsetzung aller technisch notwendigen Maßnahmen erfolgt im Bauvollzug nach Schaffung des Baurechts, soweit und sobald die baulichen Maßnahmen erforderlich sind.
Frage 12:
Wenn nein, beauftragt die Stadt bei einem unabhängigen Institut oder bei der staatlichen Wasserwirtschaftsbehörde ein vorsorgliches Gutachten?
Antwort:
Ein erstes hydrogeologisches Gutachten eines Sachverständigen liegt bereits vor. Aus Sicht des Gutachters und des Referates für Gesundheit und Umwelt ist aber ein Grundwassermodell für die bauliche Umsetzung unverzichtbar. Dementsprechend wird dieses Modell von einem Fachgutachter erstellt und mit dem sukzessiven Baufortschritt auch kontinuierlich fortgeschrieben werden. Das Wasserwirtschaftsamt München erstellt im Übrigen keine Gutachten, sondern überprüft die vorgelegten Gutachten als amtlich-technischer Sachverständiger in Wasserrechtsverfahren.
Frage 13:
Ist der Stadtplanung eigentlich klar, in welch „Teufels Küche“ deshalb die bisherigen Planungen, sowohl die verantwortlichen Politiker, als auch die verantwortlichen Behördenspitzen bringen können, ganz zu Schweigen von den möglicher Weise betroffenen Anwohnern in Freimann?
Antwort:
Es wird auf die oben stehenden Ausführungen verwiesen.
Das Schreiben ist mit dem Referat für Gesundheit und Umwelt abgestimmt.