Platzierung der Schadstoffmessstationen im Straßenverkehr Hat die Verwaltung die Überschreitungen selbst geschaffen?
Anfrage Stadträte Fritz Schmude und Andre Wächter (Liberal-Konservative Reformer) vom 7.3.2018
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Warum gerade deutsche Großstädte zu hohe NOx Werte nach Brüssel melden scheint geklärt.
Der Münchner Merkur hat aufgedeckt, dass bei einer korrekten Umsetzung der EU Vorgaben die Messwerte für NOx signifikant niedriger gewesen wären. Unter diesen Umständen hätte das Oberverwaltungsgericht in Leipzig sicher keine Fahrverbote ermöglicht.
NOx ist unbestritten gesundheitsgefährdend, aber bevor man Fahrverbote verhängt, sollte man sich darüber im Klaren sein, ob man dies aus EU-rechtlichen Vorgaben tut, oder weil man EU-Vorgaben versehentlich oder absichtlich weiter verschärft hat.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des für die LÜB-Messstationen zuständigen Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) wie folgt:
Frage 1:
Wer ist für die Aufstellung welcher Messeinheiten verantwortlich?
Antwort:
Zuständig für die Erfassung der Luftschadstoffbelastung ist in Bayern das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU). Dieses führt im Rahmen des bayernweiten Messnetzes LÜB (Lufthygienisches Landesüberwachungssystem Bayern) in München derzeit an fünf kontinuierlich registrierenden Stationen Messungen der Konzentrationen von zahlreichen relevanten Luftschadstoffen in der für die Beurteilung gemäß der 39. BImSchV erforderlichen Datenqualität durch. Diese Messstationen befinden sich in Johanneskirchen, an der Landshuter Allee, an der Lothstraße, am Stachus und in Allach. Das Bayerische Landesamt für Umwelt führt zu diesem Messnetz u. a. aus:
„Das Bayerische Landesamt für Umwelt betreibt seit 1974 das Lufthygienische Landesüberwachungssystem Bayern (LÜB) mit derzeit über 50 Mess-stationen. Sie liegen straßennah in Innenstädten, in Stadtrandzonen und Industriegebieten. Messstationen in ländlichen Bereichen zur Erfassung der großräumigen Hintergrundbelastung und an sehr stark verkehrsbelasteten Innenstadtstraßen mit ‚schluchtartiger‘ Randbebauung (sog. hot spots) runden das Messnetz ab. Das LÜB entspricht den EU-Luftqualitätsrichtlinien, die mit der 39. BImSchV (Bundesimmissionsschutz Verordnung) in nationales Recht umgesetzt wurde.“ (www.lfu.bayern.de/luft/immissi- onsmessungen/index.htm).
Um einen genaueren räumlichen Überblick über die Belastungssituation im gesamten Stadtgebiet zu erhalten und zur Überprüfung der Wirksamkeit getroffener Maßnahmen zur Verbesserung der Luftsituation hat die Stadt München im Juli 2017 auf freiwilliger Basis beschlossenen (Sitzungsvorlagen Nr. 14 - 20/09397 und 14 - 20/10440), ab 1.1.2018 ergänzende Messungen (20 NO2-Passivsammler) durchzuführen. Ziel der Messungen ist die Ermittlung des in München kritischen NO2-Jahresmittelwerts. Im Sinne der Transparenz wird das Referat für Gesundheit und Umwelt vorläufige Zwischenergebnisse der Messungen quartalsweise veröffentlichen.
Frage 2:
Sind der Verwaltung die beschriebenen Abweichungen von den EU-Vorgaben bekannt und was ist die Konsequenz dieser Verschärfungen?
Antwort:
Abweichungen des nationalen Rechts von der EU-Richtlinie bestehen nicht.
Im Einzelnen:
1. Ungehinderter Luftstrom um den Messeinlass: angebliche Differenz zwischen EU-Richtlinie (270°) und BImschV (270° oder 180°)
Die EU-Richtlinie (EU) 2015/1480 vom 28.8.2015 präzisiert die EU-Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008. Diese Präzisierung enthält die Formulierung:
„Der Luftstrom um den Messeinlass darf nicht beeinträchtigt werden (d.h., bei Probenahmestellen an der Baufluchtlinie sollte die Luft in einem Bogen von mindestens 270° oder 180° frei strömen).“
In nationales Recht wurde sie wie folgt umgesetzt:
„Der Luftstrom um den Messeinlass darf nicht beeinträchtigt werden, das heißt, bei Probenahmestellen an der Baufluchtlinie soll die Luft in einem Bogen von mindestens 270° oder 180° frei strömen.“
Eine Differenz ist folglich nicht vorhanden.2. Mindestentfernung von Hindernissen – die EU-Richtlinie enthielte hier eine Soll-Vorschrift, die deutsche BImschV eine Muss-Vorschrift;
Diese Aussage ist generell nicht zutreffend, da bei beiden Vorschriften die (identischen) Mindestentfernungen unter dem Absatz „Soweit möglich ist folgendes zu berücksichtigen ...“ aufgeführt werden.
Die EU-Richtlinie schreibt ebenso wie die 39. BImSchV vor, dass auch in Bereichen gemessen werden muss, in denen die höchsten Konzentrationen zu erwarten sind, denen die Bevölkerung direkt oder indirekt ausgesetzt wird. Hoch belastete Messstationen wie am Stachus und an der Landshuter Allee sind dementsprechend auch gemäß EU-Richtlinie erforderlich.
Das LfU führt hierzu aus:
„Die LÜB-Messstationen in München halten die gesetzlichen Vorgaben (39.BImSchV) ein. Die 39. BImSchV ist eine 1:1 Umsetzung der EU-Richtlinie. ...
Die umfangreichen qualitätssichernden Maßnahmen im LÜB scheiden falsche Messwerte zuverlässig aus. Zur Qualitätssicherung gehört auch die nach der 39. BImSchV regelmäßig geforderte Überprüfung der Standortkriterien. Falsche Messwerte werden daher nicht veröffentlicht und auch nicht über das Umweltbundesamt an die EU-Kommission weitergeleitet. …
Falls sich belastbare Anhaltspunkte auf nicht vorschriftsmäßig aufgestellte LÜB-Messstationen ergeben, wird das Landesamt für Umwelt bereits von sich aus tätig. Diese Anhaltspunkte liegen derzeit nicht vor. ... Das Landesamt für Umwelt ist eine unabhängige Fachinstitution, die sich seit Inkrafttreten der EU-Normen, auch der Normen, die vor der EU-Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG erlassen wurden, mit den Vorschriften befasst und sich auch mit anderen nationalen und internationalen Messnetzen und Gremien darüber austauscht. Sollte wider Erwarten eine andere Fachinstitution zu abweichenden Erkenntnissen kommen, sind wir gerne gesprächsbereit. Darüber hinaus wird die Einhaltung der Normen auch von der EU-Kommission überprüft. Eine kürzlich stattgefundene Überprüfung hat für den Ballungsraum München keine Beanstandung ergeben.“
Frage 3:
Kann die LHM eine Aufstellung von Messeinheiten veranlassen, die sich an dem EU-Mindeststandard orientieren?
Antwort:
Wie oben dargelegt ist das Bayerische Landesamt für Umwelt für die Aufstellung, Wartung und fachliche Betreuung der LÜB-Messstellen zuständig. Wie ebenfalls oben dargelegt gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mindeststandards nicht eingehalten würden, sodass auch keine Veranlassung zur Aufstellung anderer oder neuer Stationen gegeben ist.
Prinzipiell stünde es der Landeshauptstadt München frei, weitere zusätzliche Messstellen auf eigene Kosten einzurichten, die den Qualitätsstandards der LÜB-Messstellen entsprechen. Hierbei wäre jedoch mit Kosten im unteren sechsstelligen Bereich pro Station allein für die Einrichtung der Messstelle und deren Ausrüstung mit Messtechnik zu rechnen, zu denen sich erhebliche dauerhafte Kosten für Wartung, Betrieb und technisches Fachpersonal addierten. Wie unter Antwort auf Frage 1 ausgeführt, hat die Landeshauptstadt bereits eigene Messungen veranlasst.