„Von wegen Fußgängerzone“ – trifft die Schilderung der Süddeutschen Zeitung zu?
Antrag Stadtrat Richard Quaas (CSU-Fraktion) vom 28.6.2018
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Zunächst dürfen wir uns dafür bedanken, dass Sie einer Fristverlängerung zugestimmt haben, und uns zugleich dafür entschuldigen, dass wir die gewährte Fristverlängerung noch etwas überzogen haben.
Ihrer Anfrage vom 28.6.2018 legen Sie nachfolgende Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung zu Grunde:
„Die Süddeutsche Zeitung berichtet unter der Überschrift ,von wegen Fußgängerzone‘ über geradezu hanebüchende Zustände in der Münchner Fußgängerzone, hauptsächlich während der Anlieferungszeiten, aber auch darüber hinaus. So wird im Detail beschrieben, wie Liefer- und Entsorgungsfahrzeuge, Lastwagen, Geldtransporter, Baumaschinen und so weiter aber auch PKW in großer Zahl die Fußgängerzone befahren, rangieren, aber auch, dass Fahrzeuge dort stundenlang abgestellt werden, sich gegenseitig und insbesondere die Fußgänger – die dort eigentlich einen geschützten Raum haben – erheblich behindern. Nach der Schilderung herrscht zumindest bis 10:15 Uhr, beziehungsweise an anderer Stelle bis 12:15 Uhr, das blanke Chaos, unzumutbar für die Passanten. Nicht beschrieben wird, dass sich zu allem Überfluss auch noch reichlich Radfahrer durch diesen unübersichtlichen Verhau schlängeln und die Fußgänger zusätzlich in Gefahr bringen.“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Trifft nach Ansicht des Kreisverwaltungsreferates und der Polizei diese Schilderung in der Zeitung in dieser Schärfe zu?
Antwort:
Der Zeitungsartikel in der Süddeutschen Zeitung beschreibt sachlich die tägliche Situation in der Münchner Fußgängerzone zu den Lieferzeiten. Diesem Artikel ist nicht zu entnehmen, dass dort das „blanke Chaos“ herrscht. Tatsache ist, dass während der Lieferzeiten zeitgleich eine Vielzahl von Lieferfahrzeugen, Handwerkerfahrzeugen, Entsorgungsfahrzeugen und Baustellenfahrzeugen auf der ganzen Länge der Fußgängerzone unterwegs sind und dort ihren Aufgaben – Beliefern, Entsorgen, Reparieren,Bauen – nachkommen. Fußgänger müssen diesen Fahrzeugen ausweichen. Die zur Verfügung stehende Fläche reicht dafür gerade noch aus. Vor allem die Zahl der Lieferfahrzeuge hat sich augenscheinlich in den vergangenen Jahren erhöht. Dies hängt offensichtlich mit einem veränderten Bestellverhalten der Händler zusammen. Früher war es üblich, dass die Waren bei einem Großhändler bestellt und dann in einer Lieferung zum Kunden gebracht wurden. Heute hingegen werden verschiedene Kleinmengen per Internet bei unterschiedlichen Händlern geordert und von verschiedenen Speditionen oder Paketdiensten angeliefert.
Die sich in der Planung befindliche Ausweitung neuer Laden- und Gastronomieflächen (zum Beispiel Alte Akademie, Georg-Kronawitter-Platz, Weinstraße) führt zu einer weiteren Zunahme des Liefer- und sonstigen Verkehrs; jede weitere Art von Möblierung (zum Beispiel Sitzgelegenheiten, Freischankflächen, Werbeständen) schränkt die zur Verfügung stehenden Flächen ein.
Frage 2:
Wenn nein, war der geschilderte Zustand einer Sondersituation geschildert?
Antwort:
Weder das Kreisverwaltungsreferat, das Planungsreferat, das Baureferat und das Polizeipräsidium München führen Aufzeichnungen über das Liefer- und Baustellenverkehrsaufkommen in den Fußgängerzonen der Altstadt. Dies gilt für die Zu- und Abfahrten während der offiziellen Lieferzeiten, aber auch für die Zu- und Abfahrten im Rahmen der Dauergenehmigungen.
Frage 3:
Wenn ja, wird dieser Zustand in den Fußgängerzonenbereichen von der Stadt geduldet und hingenommen oder woran liegt es, dass diesem Treiben kein Einhalt geboten werden kann, beziehungsweise wird?
Antwort:
Wie unter Ziffer 1 bereits dargestellt, handelt es sich nicht um „wildes Treiben“, sondern um notwendigen Liefer-, Entsorgungs-, Baustellen- und Handwerkerverkehr. Es ist nicht möglich, bei jedem Fahrzeug, das während der Lieferzeiten in die Fußgängerzone einfährt, festzustellen, ob es auch Möglichkeiten außerhalb der Fußgängerzone gibt. Das Polizeipräsidium München teilt mit, dass selbst bei einem nicht offensichtlichen Liefervorgang die Überprüfung, ob sich ein Fahrzeug während der Lieferzeit berechtigt in einer Fußgängerzone aufhält, sehr aufwändig ist. Es muss beider angegebenen Liefer- beziehungsweise Abholadresse nachgefragt und überprüft werden, ob ein Liefervorgang stattfand oder nicht, damit der Tatnachweis einer Ordnungswidrigkeit gesichert ist. Lieferverkehr ist auch mit Privatfahrzeugen zulässig.
Frage 4:
Ist es richtig, dass auch Radfahrer zu dieser schlechten Situation für Fußgänger noch zusätzlich dazu beitragen, da eine nicht geringe Zahl, verbotswidrig die Fußgängerzone befahren?
Antwort:
Das Radfahren ist in allen Fußgängerzonen bis 9.00 Uhr, in der Residenzstraße und Maffeistraße, in denen auf Grund der vielen kleineren Fachgeschäfte ein erheblicher Lieferverkehr herrscht, ganztags erlaubt. Es ist richtig, dass auch Radfahrer verbotswidrig die Fußgängerzone benutzen. Erfahrungsgemäß sind unberechtigte Radfahrer aber eher in Bereichen mit einem geringen Lieferverkehr- und Fußgängeraufkommen, und weniger in den stark frequentierten Bereichen, anzutreffen.
Unberechtigtes Radfahren wird im Rahmen der Fußstreife des Polizeipräsidiums München und bei Schwerpunktaktionen in Zusammenarbeit mit der Kommunalen Verkehrsüberwachung regelmäßig kontrolliert und geahndet.
Frage 5:
Wer ist für die Überwachung des fahrenden und ruhenden „Verkehrs“ in der Fußgängerzone zuständig?
Antwort:
Das Polizeipräsidium München – hier die Polizeiinspektion 11 und die Kommunale Verkehrsüberwachung – überwachen die Fußgängerbereiche täglich durch Fußstreifen. Dabei wird auch der Lieferverkehr überwacht.
Frage 6:
Wird die Gewichtsbegrenzung der Fahrzeuge, die dem Schutz des Plattenbelags dient und der Zweck der Befahrung des Bereichs laufend kontrolliert?
Antwort:
Im Zuge der unter Frage 5 genannten Kontrollen wird auch das zulässige Gesamtgewicht von bis zu 7,5 Tonnen geprüft. Fahrzeuge über 7,5 Tonnen sind an ihrer Größe erkennbar.
Frage 7:
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Antwort:
Es werden keine gesonderten Aufzeichnungen für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen geführt.
Frage 8:
Wie viele Verwarnungen, beziehungsweise Bußgeldbescheide wurden im letzten Jahr deshalb ausgesprochen?
Antwort:
Siehe Antwort Frage 7
Frage 9:
Wenn nein, woran liegt das, am fehlenden Personal oder an Gründen die nicht gleich erkennbar sind?
Antwort:
Siehe Antwort Frage 7
Frage 10:
Werden Sondergenehmigungen und Dauergenehmigungen zum Befahren der Zonen zu einfach vergeben, beziehungsweise muss der Zweck beim Antrag belegt werden?
Antwort:
Dauergenehmigungen für die Zeit außerhalb der beschilderten Liefer- und Ladezeiten erteilt das Kreisverwaltungsreferat für maximal ein Jahr. Sie werden nur sehr restriktiv ausgegeben und ausschließlich für Anwohner zur häuslichen Versorgung, für private Stellplatzzufahrten, Lieferungen von Arzneimitteln, gekühlten Implantaten, Blutkonserven und leicht verderblichen Lebensmitteln sowie für Geld- und Werttransporte erteilt. Zufahrtserlaubnisse für Baustellenbeschickungen und ähnliches werden zeitlich so eng wie möglich gefasst. Bei allen Anträgen wird die Plausibilität des Fahrtzwecks geprüft.
Frage 11:
Wie viele Dauergenehmigungen sind derzeit erteilt, wie hoch ist die durchschnittliche Zahl in den letzten fünf Jahren, für temporäre Genehmigungen gewesen?
Antwort:
Im Jahr 2017 wurden 1.502 temporäre Erlaubnisse für Zufahrten außerhalb der Lieferzeiten erteilt. Für das Jahr 2018 zeichnet sich eine ähnliche Zahl ab. Für den Zeitraum 2013 bis 2017 (fünf Jahre) wurden insgesamt 8.283 temporäre Zufahrtserlaubnisse erteilt.
Dauererlaubnisse werden nicht in einer Statistik erfasst. Sie geben auch keine Aussage darüber, wie oft mit einer Dauererlaubnis in die Fußgängerzone gefahren wird.
Frage 12:
Sieht die Stadt hier insgesamt Handlungsbedarf, wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant die Situation wieder grundlegend zu verbessern?
Antwort:
Das Kreisverwaltungsreferat sieht derzeit die Lieferkapazitäten in der Fußgängerzone an der Grenze. Sie sind das Ergebnis der besonderen Attraktivität dieser Fußgängerzone im Vergleich mit anderen Fußgängerzonen im Bundesgebiet. Faktisch besteht nur die Möglichkeit, die Lieferzeiten zu beschränken. Dies würde zu erheblichen Problemen für die Geschäfte und zu einer weiteren Belastung der angrenzenden Nebenstraßen führen.