Aktionsplan gegen Autoposer – Autolärm und illegale Rennen bekämpfen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Anna Hanusch, Sabine Krieger und Dr. Florian Roth (Fraktion die Grünen – rosa liste) vom 8.6.2018
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Ihr an das Kreisverwaltungsreferat gerichteter Antrag hat die Eindämmung von verkehrsbedingtem Lärm zum Ziel.
Das Kreisverwaltungsreferat als Straßenverkehrsbehörde trifft Maßnahmen auf öffentlichem Verkehrsgrund nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Der Vollzug der Straßenverkehrsordnung ist eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt.
Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist rechtlich nicht möglich.
Ich erlaube mir daher, Ihren Antrag in Abstimmung mit dem Herrn Oberbürgermeister auf dem Schriftwege zu beantworten.
In Ihrem Antrag Nr. 14-20/A 04162 vom 27.6.2017 fordern Sie:
„Die Landeshauptstadt München entwickelt gemeinsam mit der Polizei einen Aktionsplan gegen sogenannte ‚Auto-Poser‘, die mit extremem Lärm und illegalen Rennen die Gesundheit der Menschen gefährden.“
Das Kreisverwaltungsreferat nimmt wie folgt Stellung:
Vorauszuschicken ist, dass die Kontrolle und Überwachung des fließenden Verkehrs in die originäre Zuständigkeit der Polizei fließt. Die Einflussmöglichkeiten des Kreisverwaltungsreferats beschränken sich dabei auf die Aufgabenstellung beim Zulassungsverfahren sowie auf die Unterstützung der Polizei durch die kommunale Verkehrsüberwachung im Rahmen der übertragenen Aufgabenbereiche.
1. Zulassung getunter Fahrzeuge und Fahrzeugteile
Seitens der Verkehrsordnungsbehörden bestehen keine Möglichkeiten, gegen das vielfach als störend empfundene Lärmspektrum spezieller Aus-puffanlagen tätig zu werden, wenn diese rechtlich zugelassen sind.
Wurden derartige Auspuffanlagen bereits ab Werk beim Hersteller eingebaut, ist auch die Zulassung für den Straßenverkehr durch die Betriebserlaubnis des Fahrzeugtyps gegeben. Vergleichbares gilt für nachträgliche Änderungen oder Einbauten. Hier ist zunächst das Vorhandensein einer sogenannten „Allgemeinen Betriebserlaubnis“ bzw. einer „EG-Betriebserlaubnis“ für das Fahrzeugteil sowie eine Einzelabnahme durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen erforderlich.
Diese Einzelabnahme allein berechtigt dabei noch nicht zur Inbetriebnahme eines Fahrzeugs mit einem geänderten Anbauteil. Dazu ist eine neu erteilte Betriebserlaubnis der Zulassungsbehörde nach Vorlage des positiv abgeschlossenen Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen erforderlich.
Die KFZ-Zulassungsbehörde muss dem Antrag auf Zulassung oder Umschreibung eines Fahrzeugs sowie technischen Änderungen folgen, wenn das Fahrzeug einem genehmigten Typ entspricht und keine Anhaltspunkte für technische Mängel am Fahrzeug offensichtlich sind (z.B. durch Eintrag eines technischen Mangels im örtlichen Register der Zulassungsbehörde oder im Zentralen Register des Kraftfahrt-Bundesamtes).
Grundsätzlich wird im Rahmen der turnusmäßig wiederkehrenden Hauptuntersuchungen durch staatlich anerkannte Prüforganisationen wie zum Beispiel DEKRA, TÜV, GTÜ oder KÜS die Vorschriftsmäßigkeit und Umweltverträglichkeit des Kraftfahrzeugs überprüft und sichergestellt, dass Kraftfahrzeuge mit technischen Mängeln oder Sicherheitsmängeln nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Hier werden in der Regel auch die Betriebserlaubnisse bzw. erforderlichenfalls die technischen Gutachten für die am Fahrzeug vorgenommenen Änderungen und Einbauten mit überprüft.
2. Kontrolle der Poserszene
Im fließenden Verkehr obliegt die Kontrolle und Überwachung der Vekehrsteilnehmer und ihrer Fahrzeuge ausschließlich der Polizei. Diese kann im Rahmen einer Kontrolle ein Fahrzeug nur dann außer Betrieb setzen, wenn es verkehrsunsicher ist. In der Regel stellt die Verkehrsunsicherheit wiederum ein amtlich anerkannter Sachverständiger fest.
In Fällen von leichten oder erheblichen Mängeln, kann die Polizei ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnen und zudem der zuständigen Zulassungsbehörde eine Mängelanzeige in Kopie übersenden. Diese Anzeigensind der Anlass, dass die Zulassungsstelle prüft, ob ein Verfahren gem. § 5 FZV eingeleitet wird, bei dem als letzte Konsequenz auch Maßnahmen zur zwangsweisen Außerbetriebsetzung eingeleitet werden können.
Bevor dieses letzte Mittel angewandt wird, steht jedoch zuerst eine Anhörung des Betroffenen an, anschließend eine Betriebsuntersagung mit Androhung eines Zwangsgeldes und ggf. eine weitere Anordnung, in der bei Nichtbeachtung die zwangsweise Außerbetriebsetzung angedroht wird.
Diese Betriebsuntersagung kann nur dann vermieden werden, wenn der Halter des Fahrzeuges den vorschriftsmäßigen Zustand nachweisen kann oder das Fahrzeug durch den Halter selbst außer Betrieb gesetzt wird.
Ergänzend führt das Polizeipräsidium München Folgendes aus:
„Bereits im Jahr 2017 wurden vom Polizeipräsidium München Schwerpunktkontrollen zum Thema ‚Eindämmung von Fahrzeuglärm‘ durchgeführt, bei welchen die Kommunale Verkehrsüberwachung der Landeshauptstadt München unterstützend mitwirkte.
Schwerpunktmäßig standen hierbei Veränderungen an Fahrzeugen, welche das Geräuschverhalten beeinflussen, Geschwindigkeitsüberschreitungen und unnötiges Verursachen von Lärm im Vordergrund. So wurden beispielsweise während der Schwerpunktaktionen mehrere Fahrzeuge aufgrund technischer Veränderungen, die das Geräuschverhalten negativ beeinflussen, sichergestellt. Auf den Bereich der Leopoldstraße, Ludwigstraße und Münchner Freiheit wurde hierbei ein besonderes Augenmerk gelegt.
Ebenfalls wird weiterhin verstärkt im Rahmen des täglichen Streifendienstes und durch regionale Schwerpunkte das Fehlverhalten sog. ‚Autoposer und Profilierungsfahrer‘ im Fokus behalten und konsequent geahndet. Diese Schwerpunkte werden in der Regel medial durch die Pressestelle des Polizeipräsidiums München begleitet und aufbereitet.
Hierbei werden immer wieder Fahrzeuge aufgrund technischer Veränderungen ‚still gelegt‘ (also gem. § 14 FZV außer Betrieb gesetzt) bzw. zur Erstellung eines technischen Gutachtens sichergestellt. So werden im Schnitt pro Jahr circa 250 Kraftfahrzeuge zur Erstellung eines technischen Gutachtens aufgrund technischer Veränderungen, welche das Geräusch- und Abgasverhalten negativ beeinflussen oder die Verkehrssicherheit gefährden, durch das Polizeipräsidium München sichergestellt. Die meisten Veränderungen können hierbei an der Auspuff- bzw. Abgasanlage festge-stellt werden. Des Weiteren reichen die Beanstandungen vom Verursachen unnötigen Lärms bis hin zu Geschwindigkeitsverstößen.
Aus Sicht des Polizeipräsidiums München ist daher aus den bereits genannten Gründen die Umsetzung eines gezielten gemeinsamen Programms, wie gefordert, nicht notwendig. Die bislang durchgeführten Maßnahmen sind als ausreichend anzusehen.
Ferner gilt diesbezüglich auch, dass aufgrund der fehlenden Befugnisse der Kommunalen Verkehrsüberwachung der Landeshauptstadt München zur Anhaltung und Kontrolle von Fahrzeugen samt Fahrzeugführer, ein gemeinsames Programm nicht zielführend erscheint. Die Kommunale Verkehrsüberwachung kann hierbei jedoch unterstützend im Rahmen von Geschwindigkeitsüberwachungen tätig werden.
Wird die Polizei auf zu laute oder auffällige Fahrzeuge aufmerksam, werden auch Neufahrzeuge einer Kontrolle unterzogen. Besteht der Verdacht technischer Veränderungen, Manipulationen (z.B. Entfernen von Schalldämpfereinsätzen, Anbau nicht zugelassener Schalldämpfer, Nutzung von nicht zugelassenen ‚Fahrmodi‘) oder der Überschreitung des zugelassenen Geräuschpegels, so erlischt die Betriebserlaubnis und das Fahrzeug darf nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen.
Häufig sind Beschwerden auf oben genannte technische Veränderungen/ Manipulationen oder auf rücksichtsloses Verhalten durch Fahren mit extrem hohen Drehzahlen bzw. Geschwindigkeiten zurückzuführen. Aufgrund der technischen Weiterentwicklung und des Phänomens der Klappenauspuffanlagen kann aber auch ein kurzes ‚lauteres‘ Anfahren von Fahrzeugen an Lichtzeichenanlagen durch Bürgerinnen und Bürgern als ‚Rennen‘ wahrgenommen werden. Durch diese Auspuffanlagen ist vor allem im gut bebauten innerstädtischen Bereich oder in Tunnelanlagen ein erhöhtes Lärmpotential durchaus wahrzunehmen.
Ferner wird in diesem Zusammenhang auf Folgendes hingewiesen:
Die seit dem 1.7.2016 anzuwendende EU-Verordnung Nr. 540/2014 über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und der Austauschschalldämpferanlagen weist eine Senkung der Geräuschwerte auf. Hierbei soll das Fahrgeräusch von Pkws bis zum Jahr 2026 schrittweise auf eine Lautstärke von 68 Dezibel sinken. Dies gilt jedoch nicht für alle Fahrzeuge gleichermaßen.
Die EU teilt Pkw hierbei in verschiedene Klassen ein.Fahrzeuge mit maximal 120 kW (bis 163 PS) pro Tonne Gewicht müssen die strengen Lärmvorschriften einhalten. Seit dem 1. Juli 2016 gilt der Grenzwert von 72 Dezibel, ab 2020 von 70 Dezibel und ab 2024 der Grenzwert von maximal 68 Dezibel.
Bei 120 bis 160 kW (163 bis 218 PS) pro Tonne Gewicht steigt der Grenzwert um jeweils ein Dezibel. In dieser Klasse fahren sportliche Kompaktwagen und schnellere Mittelklasse-Limousinen.
Fahrzeuge mit mindestens 160 kW (ab 218 PS) pro Tonne Gewicht haben zwei weitere Dezibel Spielraum. Zu ihnen gehören die schnellsten Mittel- und Oberklasse-Fahrzeuge, zum Beispiel Mercedes E63 AMG und Audi RS6.
Diese Termine sind vorerst nur für Hersteller relevant. Sie beziehen sich auf die Typgenehmigung von komplett neuen Fahrzeug-Generationen. Die Phasen zwei und drei sind für Neuwagen mit einer Erstzulassung ab dem 1. Juli 2022 bzw. dem 1. Juli 2026 vorgeschrieben. Für alle älteren Fahrzeuge besteht Bestandschutz, bei ihnen ändert sich nichts.
Für Klappen- und Sportauspuffanlagen gilt dieselbe Regel wie bisher: Sie dürfen die vorgegebenen Grenzwerte nicht überschreiten.
Das Polizeipräsidium München sieht, angesichts der Beschwerdelage, die Durchführung von koordinierten Schwerpunktmaßnahmen zur Bekämpfung des überlauten Fahrzeuglärms durchaus als notwendig an.
Die Verkehrssicherheitsarbeit nimmt beim Polizeipräsidium München einen hohen Stellenwert ein. Aufgrund der Vielzahl an Aufgaben und der begrenzt vorhandenen personellen Ressourcen muss die Polizei aber Schwerpunkte setzen und kann Maßnahmen zur Verkehrsüberwachung nicht immer vorrangig behandeln.
Aus Sicht des Polizeipräsidiums München sind die bisher durchgeführten Maßnahmen im Rahmen der personellen und einsatztaktischen Möglichkeiten nach wie vor als ausreichend anzusehen, auch wenn die subjektiven Wahrnehmungen der Bevölkerung dies nicht widerspiegeln. Eine lückenlose Überwachung der hier beschriebenen Problematik ist weder möglich noch wünschenswert.“
Fazit
Die Verkehrsordnungsbehörde hat keine Möglichkeit, aktiv gegen den durch sogenannte Autoposer verursachten Autolärm und gegen illegale Rennen vorzugehen. Die Kontrolle des fließenden Verkehrs ist im Grundsatz die Aufgabe der Polizei. Die Polizei führt bereits jetzt regional koordinierte Schwerpunktmaßnahmen zur Bekämpfung des überlauten Fahrzeuglärms durch. Sofern hier eine Anforderung erfolgt, wird die Polizei dabei, wie auch bereits in der Vergangenheit, durch die Kommunale Verkehrsüberwachung der Landeshauptstadt München flankierend unterstützt.
Das Kreisverwaltungsreferat hält die bisherigen Maßnahmen insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des Polizeipräsidiums München für ausreichend und ein gesondertes Aktionsprogramm auch im Hinblick auf die bestehenden Zuständigkeiten für nicht notwendig.
Ich bitte um Kenntnisnahme und gehe davon aus, dass der Antrag damit erledigt ist.