Europa 4: Europaarbeit der Zivilgesellschaft unterstützen – Ressourcen bereitstellen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Jutta Koller, Angelika Pilz-Strasser und Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 22.5.2019
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
Da es sich im vorliegenden Fall um eine laufende Angelegenheit der Verwaltung (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO, § 22 GeschO) handelt, die nicht gemäß §60Abs.9 GeschO im Stadtrat zu behandeln ist, erlaube ich mir, Ihre o.g. Anträge anstelle einer Stadtratsvorlage als Brief zu beantworten.
Mit dem Antrag „Europaarbeit der Zivilgesellschaft unterstützen, Ressourcen bereitstellen“ fordern die Antragssteller die Landeshauptstadt München auf, einen zweckgebundenen Fonds gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung zu stellen, der diese dabei unterstützt, EU-Projekte erfolgreich durchzuführen. Der Hintergrund des Antrags liegt in den Fördermodalitäten der Europäischen Union. In Abhängigkeit von dem jeweiligen Programm vergibt die EU – und auch die mit der Verwaltung der EU-Gelder beauftragten nationalen Einrichtungen – die Fördermittel nach bestimmten Tranchen, die sich nach dem Projektfortschritt richten. Dabei sind die Zuschussnehmer gezwungen, Projektbestandteile vorzufinanzieren. Die Kosten der Vorfinanzierung sind in der Regel nicht förderfähig, die Zahlungen der EU sind an den Projektfortschritten gekoppelt und können dadurch auch niedriger ausfallen als beantragt. Gerade für kleine Träger bedeuten diese Vorleistungen ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko, das im Exremfall sogar existenzbedrohend für derartige Träger sein kann. Ohne eine Absicherung des finanziellen Risikos ist für diese Träger die Durchführung von EU-Projekten nur bedingt empfehlenswert. Zweckgebundene Fonds können Projektträgern in Form folgender Finanzierungsinstrumente zur Verfügung gestellt werden:
Bereitstellung eines Darlehens
Zur Schließung der Zwischenfinanzierungslücke wäre die städtische Gewährung eines zinslosen oder zinsvergünstigten Darlehens an Projektträger denkbar.
Diese Form der Unterstützung wird von der Landeshauptstadt München auf dem Gebiet der Existenzgründungsförderung bereits erfolgreich praktiziert. Grundlage für derartige Finanzierungszusagen seitens der Landes-hauptstadt bilden ein aussagekräftiger Geschäftsplan und eine fundierte Marktanalyse der Erfolgschancen der Geschäftsidee. Ähnlich den Organisationen der Zivilgesellschaft weisen auch die neu gegründeten Unternehmen ein geringes Eigenkapital auf. Die Firmen verfügen auch kaum über pfändbare Sicherheiten, so dass hier aufgrund von Marktversagen – Banken weigern sich aufgrund fehlender Sicherheiten entsprechende Kredite zu vergeben – die öffentliche Hand die Überbrückungsfinanzierung und eine Ausfallbürgschaft gewähren muss. Dies wird durch den gemeinsamen Existenzgründerfonds der Stadtsparkasse München und der Landeshauptstadt München geleistet.
Bei EU-Projektfinanzierungen findet der EU-Förderbescheid Anwendung, dessen Vorgaben die Maßgabe für die nachträgliche EU-Förderung sind. Finanzierungszusagen seitens der Landeshauptstadt müssen auf der Analyse der vollständigen EU-Fördervorgaben basieren.
Ein städtisches Darlehen könnte aufgrund des (vorläufigen) Förderbescheides der EU oder der mit der Umsetzung beauftragen nationalen Einrichtung gewährt werden. Da der Projektträger Vertragspartner des Fördergebers ist, sind Vorkehrungen zu treffen, dass bei der Auszahlung der Fördersumme an den Projektträger dieser Betrag zweckgebunden zur Rückzahlung des Darlehens verwendet wird. Die Darlehenshöhe wäre bereits im Voraus an die tatsächliche Fördersumme anzupassen, deren Höhe sich erst nach Abschluss der Maßnahme bestimmen lässt. Das erfordert allerdings die Einrichtung eines geeigneten Projekt-Controlling, mit dem sichergestellt werden kann, dass die Projektträger sich bei der Umsetzung der Projekte an die Vorgaben des EU-Förderbescheides halten, der für die spätere Auszahlung des EU-Zuschusses maßgeblich ist. Bei verzinsten Darlehen ist zu berücksichtigen, dass die Kosten für das Darlehen selbst nicht förderfähig sind.
Vorgezogener städtischer Zuschuss
Projektträger, die im Rahmen des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms EU-Fördermöglichkeiten in Anspruch nehmen, erhalten vom Referat für Arbeit und Wirtschaft einen städtischen Kofinanzierungsanteil. Die Auszahlung dieses Anteils kann als Vorschussdarlehen erfolgen, wobei auch hier darauf zu achten ist, dass sich die Maßnahmen des Trägers an die Vorgaben des Förderbescheides richten.
Mit dem Stadtratsbeschluss 02-08/V 07297 vom 28. Juni 2005 wird das Referat für Arbeit und Wirtschaft ermächtigt, in Einzelfällen, die durch EU-Förderbedingungen auftretende technische Finanzierungslücke einesProjektträgers mittels Vor- oder Zwischenfinanzierung zu decken. Die Intention des dem Beschluss zugrundeliegenden Stadtratsantrages „Sicherung der Equal-Projekte“ ist mit dem Antrag „Europaarbeit der Zivilgesellschaft unterstützen“ nahezu identisch, wenngleich er sich prinzipiell an Träger richtet, die im Rahmen des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms Projekte zur Verbesserung der Integration in den lokalen Arbeitsmarkt durchführen. Bislang hat das Referat für Arbeit und Wirtschaft noch nicht von dieser Unterstützungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Zur Zeit liegt jedoch ein Antrag eines kleineren Trägers vor, ihm auf Grundlage der Zwischenfinanzierungsermächtigung bei einem ESF-Projekt eine Vorfinanzierungslücke zu finanzieren. Die Prüfung des Antrags sowie eine evtl. positive Zwischenfinanzierungszusage erfordert die Entwicklung eines geeigneten Kriterien-Katalogs, der derzeit im Referat für Arbeit und Wirtschaft in Bearbeitung ist. Da das Referat für Arbeit und Wirtschaft über das MBQ eng bei der Umsetzung der Vorhaben der kleinen Träger zusammenarbeitet, besteht auch eine gewisse Steuerungsmöglichkeit, um das finanzielle Risiko zu mindern. Es wird daher vorgeschlagen zunächst zu evaluieren, inwieweit Bedarf für eine Zwischenfinanzierung besteht und welcher Aufwand mit der Umsetzung eines derartigen Zwischenfinanzierungsfonds verbunden ist. Hierzu wäre dem Stadtrat zu gegebener Zeit zu berichten.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei der Durchführung von geförderten EU-Projekten sich die Bereitstellung einer geeigneten Zwischenfinanzierung gerade für kleinere Träger und Institutionen, die mehrere Projekte parallel durchführen, als Hürde erweisen kann, Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Aufgrund der Förderbestimmungen, bei denen die Förderhöhe sich erst im Nachhinein nach Beendigung der Maßnahme konkretisieren lässt, bedarf es aber geeigneter städtischer Controllinginstrumente, um die Höhe einer Zwischenfinanzierung risikoneutral vorab bestimmen und deren Auszahlungsmodalitäten festlegen zu können. Das Referat für Arbeit und Wirtschaft prüft gerade die praktische Umsetzung einer projektbezogenen Zwischenfinanzierung. Nach Beendigung der Maßnahme werden die damit gemachten Erfahrungen evaluiert, um entscheiden zu können, ob diese Instrumente auch für andere Maßnahmen in Fragen kommen könnten und welcher administrative Aufwand eine städtische Zwischenfinanzierung erfordert. Über das Ergebnis wird mein Referat in der Stadtratskommission Europa zeitnah berichten.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.