Zweckentfremdung von Wohnraum durch Vermietung als Ferienwoh- nungen: Mit Kanonen auf Spatzen?
Anfrage Stadtrat Andre Wächter (damals Liberal-Konservative Reformer) vom 17.1.2019
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 17.1.2019 führen Sie Folgendes aus:
„Zweckentfremdung ist kein Kavaliersdelikt.
München hat einen enormen Wohnraummangel. Die Gründe hierfür sind vielschichtig:
Viel zu lang andauernde städtische Verfahren von der Planung bis zum Bau neuer Wohngebiete (zum Beispiel in Freiham) bremsen den notwendigen schnellen Wohnungsneubau aus. Die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB und der starke Nachfrageüberhang haben zu einem unfassbaren Preisanstieg bei den Eigentumswohnungen geführt (und die Preise steigen weiter)! Daraus folgen naturgemäß auch Mietsteigerungen. Diese Mietsteigerungen lassen sich mit staatlichen Eingriffen wie einer Mietpreisbremse lediglich verzögern, aber sicher nicht verhindern.
Zweckentfremdung von Wohnraum verschärft diese Entwicklung auf dem Mietmarkt.Zweckentfremdung liegt jedoch erst bei mehr als acht Wochen jährlicher Fremdvermietung vor. Gerade in einer so teuren Stadt wie München ist die temporäre Zwischenvermietung Ihrer Wohnung aber für viele Münchner zwingend notwendig.
Für die Stadtverwaltung und ihrer Sonderermittlungsgruppe ist es unverständlicherweise nicht leicht zu erkennen, welche Wohnung dauerhaft zum Beispiel an Medizintouristen vermietet wird und welche Wohnung nur temporär als Ferienwohnung dient.
Um mehr Hinweise auf vermutete Zweckentfremdung zu erhalten, hat die Stadt München eine Online-Meldeplatform frei geschaltet, auf der die Bevölkerung anonym, und damit niedrigschwellig, verdächtige Nachbarn ans Sozialreferat melden kann.
Während die ‚großen Fische‘ im Bereich des Medizintourismus allerdings so viele Probleme bereiten, dass auch ohne Online-Meldeplatform genügend Hinweise aus der Bevölkerung eingehen, werden auf der Online-Platform viele arbeitsintensive Vorgänge gemeldet.
Um diese Vorgänge abzuarbeiten hat das Sozialreferat mit Beschluss des Sozialausschusses vom 22.11.2018 eine Personalerhöhung im Sonderermittlungsteam genehmigt bekommen.
In dieser Beschlussvorlage wurde ab Seite 5 ein Fallbeispiel ausgeführt das belegen soll, wie arbeitsintensiv ein solcher Meldevorgang aus der Bevölkerung sein kann. Hierzu sind detailliert sämtliche vom Sozialreferat unternommenen Schritte dargestellt. Bis zur Vorlagenerstellung im Herbst haben im Jahr 2018 zum Beispiel vier ‚Ortsermittlungstermine‘ stattgefunden, ohne dass der entsprechenden Wohnungseigentümerin eine Zweckentfremdung nachgewiesen werden konnte.
Als der Kampf gegen die Zweckentfremdung aufgenommen wurde, hatte hoffentlich keiner die Absicht solch eine Ermittlungsbehörde ins Leben zu rufen. Nachdem das Kalenderjahr inzwischen vergangen ist, würden wir gerne wissen, ob der hohe Ressourceneinsatz in diesem speziellen Fall gerechtfertigt war.“
Zu Ihrer Anfrage vom 17.1.2019 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Welches Ergebnis wurde in dem Fall der Wohnungseigentümerin, der in dem Beschluss am 22.11.2018 ab Seite 5 beschrieben ist, erzielt?
Antwort:
Bei dem in dem Beschluss am 22.11.2018 beschriebenen Fall handelt es sich aus datenschutzrechtlichen Gründen um einen anonymisierten Beispielfall, der darstellen sollte, wie umfangreich und schwierig sich die Nachweisführung im Bereich der Zweckentfremdung von Wohnraum durch Nutzung als Ferienwohnung im Einzellfall gestalten kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Nutzer geltend machen, nur die erlaubten acht Wochen Touristen zu beherbergen, dies aber nicht glaubhaft erscheint. Damit muss das Sozialreferat nachweisen, dass die erlaubten acht Wochen überschritten wurden. Dieser Nachweis kann nur durch Antreffen von Touristen über acht Wochen hinaus erbracht werden.
Frage 2:
Wie bewertet das Sozialreferat in dem konkreten Fall das Verhältnis von aufgewendeter Arbeit zum Ergebnis?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 1.
Frage 3:
Wie viele Ortsermittlungen wurden im Jahr 2018 von der Sonderermittlungsgruppe im Bereich der klassischen Ferienwohnungen (nicht Medizintourismus) durchgeführt?
Antwort:
Die jährliche Bekanntgabe der statistischen Zahlen wird dem Stadtrat voraussichtlich im Mai 2019 vorgelegt. Derzeit (Stand 31.1.2019) ist die Auswertung der Daten des Jahres 2018 noch nicht abgeschlossen. 2017 fanden im gesamten Stadtgebiet insgesamt rund 21.200 Ortsermittlungen statt. Hierzu zählen alle im Außendienst aufgesuchten oder punktuell überprüften Anwesen. Eine Erfassung nur für klassische Ferienwohnungen erfolgt nicht. Aufgrund der Vielzahl von Hinweisen über die Meldeplattform und deren Nacharbeit wird dieser Wert 2018 wahrscheinlich nicht erreicht.
Frage 4:
Wie viele Wohnungen wurden aufgrund der Ortsermittlungstermine (siehe Frage 3) wieder in den Münchner Wohnungsmarkt zurückgeführt?
Antwort:
Diesbezügliche Zahlen „aufgrund der Ortsermittlungen“ werden nicht erhoben.
Es kann keine Aussage dazu getroffen werden, wie viele Ortsermittlungen ursächlich zu wie vielen Wohnungen geführt haben, welche dem Münchner Wohnungsmarkt zurückgeführt werden konnten, da diese zwei Faktoren nicht direkt in mittelbarem Zusammenhang stehen.
Grundsätzlich ist angemerkt, dass die nötigen Ortsermittlungen je nach Sachverhalt auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
Insgesamt wurden im Jahr 2018 jedoch bei 370 Wohneinheiten illegale Zweckentfremdungen beendet und die Wohneinheiten dem Wohnungs-
markt wieder zurückgeführt. Zum Vergleich: Die Herstellung von 370 Wohneinheiten im geförderten Wohnungsbau würde die Landeshauptstadt München rund 86.000.000 Euro kosten.Darüber hinaus möchte das Sozialreferat darauf hinweisen, dass die Landeshauptstadt München seit dem 1.1.1972 gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln vorgeht. Eine von vielen praktizierten Ermittlungsmöglichkeiten stellt die in Augenscheinnahme im Rahmen von Ortsermittlungen dar.
Die Fremdenbeherbergung stellt seit dem 1.1.1972 einen Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot dar und wurde regelmäßig unterbunden. Seit den letzten Jahren stellt das Sozialreferat jedoch einen eklatanten Anstieg in diesem Bereich fest, weshalb eine Sonderermittlungsgruppe für diese Art der Zweckentfremdung gebildet wurde.