Wie ist der Ablauf bei Planungen/Projektentwicklungen durch die SWM bei Windparks in Norwegen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Dominik Krause Sabine Krieger und Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 22.1.2019
Antwort Referat für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 22.1.2019 führten Sie als Begründung aus:
„Die Stadtwerke München haben in ihrem Pressegespräch am 9. Januar über ihre bayerische-norwegische Windkraftkooperation mit der TrØnder- Energi aus Norwegen berichtet. Zu den bereits 4 existierenden On-Shore Windparks (Bessakerfjellet, Skomakerfjellet, Valsneset, Ytre Vikna) in Norwegen mit insgesamt 51 Windturbinen, kommen nun vier neue Standorte dazu: FrØya, Stokkfjellet, SØrmarkfjellet, Hundhammerfjellet. Die SWM haben hier jeweils einen Anteil von 70%. Mit diesen Anlagen werden die SWM dann 70% des in München gebrauchten Stroms erneuerbar erzeugen. Das ist erfreulich. Doch finden diese Projekte auf Grund und Boden statt, der bisher teilweise unberührte Natur mit seltenen Arten beherbergt und Grundlage für die traditionelle Lebens- und Wirtschafts- weise der Samen mit ihren Rentierherden ist. Der norwegische Bund Naturschutz (Friends of the Earth Norway/Norges Naturvernforbund) hat am 14. Januar 2019 dazu eine Presseerklärung herausgegeben.1 Darin wird unter anderem auf die erheblichen Auswirkungen der Windanlagen und der dazugehörenden Infrastruktur wie Straßen und Stromleitungen hinge- wiesen und hervorgehoben, dass nicht nur die einzelnen Anlagen, sondern auch die Auswirkungen der Gesamtbelastung durch die hohe Zahl der Windprojekte in diesem Gebiet geprüft werden müssen. ‚In TrØndelag wurden bereits sieben Windkraftprojekte entwickelt, und 13 neuen Anlagen wurde eine Lizenz erteilt. Darüber hinaus werden sieben neue Lizenzanträge von der norwegischen Direktion für Wasserressourcen und Energie (NVE) geprüft.‘ Zudem weisen sie darauf hin, dass auf diese Weise ein Gebiet mit einer besonders wertvollen Artenvielfalt, Lebensraum für bedrohte Arten, und natürliche Grundlage für die Rentierhaltung der Samen zu einem Gebiet mit industrieller Energieerzeugung umgewandelt wird.
Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker hat im Dezember 2018 auf den Konflikt zwischen der traditionellen Rentierzucht und einem geplanten Windpark auf der norwegischen Insel Storheia aufmerksam gemacht. Dies allerdings in einem Gebiet, das nicht den Windpark der SWM betrifft, je- doch das Konfliktpotential aufzeigt. Diese Situation könnte ebenfalls in an- deren Gebieten entstehen und ist auch schon aus vielen unterschiedlichen Projekten in Skandinavien bekannt.2 Storheia wird gerade im Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte behandelt. Da wir keinen Einblick in den Ablauf der Projektentwicklung bei den neu projektierten Windprojekten der SWM vor Ort in Norwegen haben, fragen wir:“
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können nach Rückmeldung der SWM wie folgt beantwortet werden:
Vorbemerkung der SWM: Zum Verständnis des Genehmigungsprozesses für Onshore Windparks in Norwegen ist es hilfreich, das gesetzlich geregelte Vorgehen einführend kurz vorzustellen:
Die Genehmigung eines Windparks in Norwegen unterliegt einem rechtlichen Prozess, der durch das NVE („Norwegian Water Resources and Energy Directorate“) durchgeführt wird. Das NVE ist eine Behörde des Norwegischen Energieministeriums. In jedem Genehmigungsprozess wird eine umfängliche EIA (Environmental Impact Analysis ~ Umweltverträglichkeitsanalyse) durchgeführt. Auch werden alle betroffenen Gruppen (Nachbarn, Sami, Landeigentümer, Kommunen, …) in einem offiziellen Prozess angehört und involviert.
Im Rahmen des Genehmigungsprozesses werden alle Beeinträchtigungen der Natur und Nachbarschaft berücksichtigt, bewertet und den positiven Folgen (Energiewende) gegenübergestellt.
In Norwegen führt dies dazu, dass deutlich mehr Windparkprojekte – im Rahmen des Genehmigungsprozesses – abgelehnt werden als eine Genehmigung erhalten. Nur die Projekte, die in ihrer Gesamtheit ein besonders vorteilhaftes Verhältnis zwischen grüner Stromproduktion und Einschränkungen für Natur und Nachbarschaft aufweisen, erhalten eine Genehmigung und dürfen gebaut werden. In den Genehmigungen werden darüber hinaus Vorgaben (für Bau und Betrieb) definiert, die die vorhandenen negativen Folgen weiter reduzieren.
Die Projekte, die im Rahmen des MIDGARD Portfolios errichtet werden sollen, haben alle die Prüfungen des NVE bzw. des Ministeriums bestanden und haben – nach Prüfung, Gewichtung und Bewertung der Folgen – eine Genehmigung erhalten. Das gesamte MIDGARD Portfolio umfasst 4 Bestandsparks und 4 Bauprojekte, lediglich 3 der Bauprojekte liegen in Gebieten, die auch für die Rentierhaltung genutzt werden.
Frage 1:
Liegen die projektierten Windparks auf Gebiet, das ein wichtiger Lebensraum für das indigene Volk der Samen ist und die Samen für ihre Rentierzucht als wichtige Lebensgrundlage bisher nutzen?
Antwort der SWM:
„Zwei Windparks (Sørmarkfjellet and Hundhammerfjellet) liegen in Gebieten, in denen die Sami/Reindeerherders formal das Recht haben, ihre Herden zu weiden. Für die beiden erstgenannten Windparkprojekte liegt bereits eine Einigung mit den Sami/Reindeerherders vor. Ein dritter Windpark (Stokkfjellet) liegt an der Grenze zu einem Gebiet, in dem die Sami Rentier Haltergemeinschaft formal das Recht hat, ihre Herde zu weiden. Die Stromleitung dieses Windparks wird (parallel zu einer bereits bestehenden Leitung) durch das für die Rentierhaltung vorgesehene Gebiet führen.
Für die Windparks, die unmittelbar im Gebiet der Sami/Reindeerherders liegen, wurden bereits Einigungen mit den Sami/Reindeerherders unterzeichnet. Für den Windpark Stockfjellet, der nur mit seiner Stromleitung das Gebiet der Sami/Reindeerherders betrifft, liegt die Einigung noch nicht vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch hier in absehbarer Zeit eine Einigung erreicht werden kann.“
Frage 1.1:
Wenn ja, wurden die Samen vor den Planungen konsultiert wie durch Art. 14 und Art. 15 der ILO-Konvention 169 und Art. 5 lit. D Ziff. 5 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 des internationalen Übereinkommens zur Beseitigung je- der Form von Rassendiskriminierung vorgeschrieben? Wenn ja, wer hat sie konsultiert und ist die Konsultation dokumentiert und kann vom Stadtrat eingesehen und dem Stadtrat vorgestellt werden?
Antwort der SWM:
„Die Sami/Reindeerherders wurden mehrfach während des Genehmigungsprozesses involviert und angehört.
- Mehrmalige Treffen zwischen den Projektentwicklern und den Sami/ Reindeerherders.
- Zweimalige Konsultation durch das NVE während des offiziellen Genehmigungsprozesses.
- Formale Konsultation im Rahmen des offiziellen Widerspruchsprozesses der Regierung.- Formale Anhörung während des MTA-Prozesses (Prozess zur Definition der Auflagen an die Windparks – zur Minimierung der Auswirkungen auf die Umwelt/Nachbarschaft)
- Im Rahmen der Projektgenehmigung für „Stokkfjellet“ wurde ergänzend eine Konsultation nach den Regelungen des Königlichen Dekrets von 2005 („Prosedyrer for Konnsultasjoner med Sametinget“) durchgeführt. Dieses Königliche Dekret setzt die ILO-Konvention in Norwegisches Recht um.
Zur Dokumentation und Veröffentlichung der Ergebnisse wird auf die Antworten zu den Fragen 1.3 und 3. verwiesen.“
Frage 1.2:
Wie viele Samen und ihre Rentierherden sind davon betroffen und wurden die Auswirkungen der Projekte auf die Rentierzucht untersucht?
Antwort der SWM:
„Die Sami/Reindeerherders in Norwegen sind in Distrikte und Familiengruppen (Siidas) unterteilt.
- Stockfjellet liegt in einem Distrikt, in dem 10 Sami Familien ihre Herden (in Summe ca. 5.000 Tiere) halten.
- Sørmarkfjellet liegt in einem Distrikt, in dem 3 Sami Familien ihre Herden (in Summe ca. 2.100 Tiere) halten.
- Hundhammerfjellet liegt in einem Distrikt, in dem 6 Sami Familien ihre Herden (in Summe ca. 2.400) halten.
Wichtig ist zu beachten, dass die Gebietsauswahl und die Frequenz zur Nutzung für die Herden sich regional und saisonal unterscheidet. Die spezifischen Nutzungsprofile sind Gegenstand der Untersuchung und Bewertung durch die Genehmigungsbehörde.
Die Auswirkungen auf die betroffenen Sami/Reindeerherders wurden im Rahmen der EIA Studie für jedes Projekt untersucht. Unter dem folgenden Link kann ein Beispiel des Berichtes (von der Web-Page des NVE) heruntergeladen werden.
http://webfileservice.nve.no/API/PublishedFiles/Download/201405455/1257643
Die zu erwartenden Auswirkungen auf die Rentierzucht werden durch die Vorgabe entsprechender Bauzeitenfenster und der baulichen Ausgestal-tung mitigiert. Speziell im Fall Stokkfjellet bedeutet dies, dass zwischen dem Windpark und dem Stromleitungsmast Nr. 75 während der Zeit in der die Rentiere kalben (25. April – 15. Juni) keine Bauarbeiten erfolgen werden. Darüber hinaus wurde das Parklayout (Anordnung der Windenergieanlagen) so angepasst, dass der Einfluss auf benachbarte Weidegebiete der Rentiere minimiert wird.“
Frage 1.3:
Wie hat die Norwegische NVE (Norges vassdragsog energidirektorat = norwegische Regierungsbehörde für Wasserressourcen und Energie) die Auswirkungen auf die Samen geprüft?
Antwort der SWM:
„Die Auswirkungen auf die Sami/Reindeerherders wurden durch das NVE und durch die Regierung detailliert untersucht. Im entsprechenden Genehmigungsdokument werden die Ergebnisse der Untersuchung aufgeführt. Nach Einschätzung von NVE sind die Auswirkungen der Windkraftanlage für die Rentierhaltung moderat.
NVE wird in einer möglichen Lizenz Bedingungen dafür festlegen, wie die Stromleitung auf der Strecke zwischen Steinsdalen und Roan erstellt werden soll.
Das Königliche Energieministerium ist der Ansicht, dass die negativen Auswirkungen auf die Rentierhaltung durch die Vereinbarung von Minderungsmaßnahmen für die Bau- und Betriebszeit begrenzt werden können.
Im Ergebnis wird sichtbar, dass sowohl die Auswirkungen auf Flora und Fauna als auch auf die Sami/Reindeerherders von den Genehmigungsbehörden untersucht, bewertet und in Relation zu den positiven Effekten der Erzeugung Erneuerbarer Energien gesetzt wurden. Sowohl des NVE als auch das Energieministerium bewerten die positiven Effekte höher als die Beeinträchtigungen durch den Bau der Windparks.“
Frage 2:
Inwiefern werden die Auswirkungen der Infrastruktur wie Erschließungsstraßen und Stromtrassen in den Genehmigungsprozessen berücksichtigt? Wie werden diese Auswirkungen im Genehmigungsprozess gewichtet? Werden auch die Auswirkungen der hohen Anzahl der Windanlagen, die Gesamtbelastung für das Gebiet, im Genehmigungsprozess betrachtet und gewichtet?
Antwort der SWM:
„Im Rahmen des Genehmigungsprozesses wird jede Form von Infrastrukturmaßnahme in die Untersuchung eingezogen, auch Erschließungsstraßen und Leitungstrassen. Die Bewertung durch das NVE erfolgt gemäß demselben Vorgehen wie die Untersuchung/Bewertung des Windparks
selbst.
Die Auswirkungen des Gesamtparks und auch der benachbarten Projekte werden durch die Genehmigungsbehörden untersucht und bei der Erteilung der Genehmigung berücksichtigt.
Die Genehmigung weist spezielle Auflagen (Bauzeit, Bauausführung, Betriebsbeschränkungen, …) für alle Gewerke auf, die für die Bauherren/ Betreiber der Windparks bindend sind.“
Frage 3:
Wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die Gebiete der projektierten Windparks durchgeführt?
Wenn ja, beinhaltet die UVP eine Kartierung in Bezug auf Fauna und Flora? Wenn ja, sind besonders schützenswerte Arten auf diesen Flächen zu finden und wenn ja, welche und wie viele?
Wenn ja, ist die UVP von dem Stadtrat einzusehen und kann dem Stadtrat vorgestellt werden?
Antwort der SWM:
„Im Rahmen jedes Genehmigungsprozesses wird eine umfängliche Umweltverträglichkeitsanalyse durchgeführt. Diese beinhaltet auch ein Mapping von Flora und Fauna. Etwaige vorkommende seltene oder besonders schützenswerte Arten werden untersucht, ausgewiesen und in der Bewertung bzw. die Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung einbezogen. Sofern die Genehmigungsbehörde Handlungsbedarfe zum Schutz dieser Arten sieht, werden diese in der Genehmigung bzw. dem dazugehörigen MTA Plan aufgenommen. Die Genehmigungsdokumentation ist öffentlich im Internet (Wep Präsenz des NVE) zugängig. Hier der Link zum EIA Report für Stokkfjellet.
http://webfileservice.nve.no/API/PublishedFiles/Download/201405455/1257641
Er wurde durch ein unabhängiges Institut erstellt. In den einzelnen Kapiteln wird die biologische Vielfalt, schützenswerte Arten und gefährdete Artenbeschrieben und bezüglich der Auswirkungen des Windparkprojektes untersucht.
Im Übrigen hat das NVE inzwischen ein Projekt gestartet mit dem Ziel, einen Rahmenplan für die Windkraft an Land (‚Nasjonal ramme for vindkraft på land‘) zu erarbeiten. Nähere Informationen sind unter folgendem Link zu finden: https://www.nve.no/nasjonal-ramme-for-vindkraft-pa-land.
In diesem Projekt wird ganz Norwegen kartiert und schrittweise Ausschluss- und Eignungsgebiete herausgearbeitet. Die Ergebnisse werden bindend für zukünftige Genehmigungen sein (bereits erteilte Genehmigungen sind unverändert gültig).“
Frage 4:
Inwieweit werden bei den Projekten in Norwegen die norwegische Öffentlichkeit und Bürger*innenschaft mit eingebunden wie z.B. Möglichkeiten von Stellungnahmen des norwegischen Bund Naturschutzes?
Antwort der SWM:
„Umweltverbände/Öffentlichkeit werden im Rahmen des geschilderten Genehmigungsprozesses gehört. Entsprechende Anmerkungen von dieser Seite fließen in die Genehmigung und den MTA Plan mit ein.“
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.
1„Umfangreiche Windkraftentwicklung zerstört wertvolle Natur in TrØndelag“ https://naturvernforbundet.no/uttalelser-fra-styrende-organer/sentralstyreuttalelse-omfattende-vind-kraftutbygging-odelegger-verdifull-natur-i-trondelag-article38742-2128.html 2 https://www.newsdeeply.com/arctic/articles/2016/04/19/fighting-for-the-right-to-be-cold