Altkleiderstau in München? – Circular Munich Now!
Anfrage Stadträtin Nicola Holtmann (Fraktion ÖDP/FW) vom 17.8.2020
Antwort Kommunalreferentin Kristina Frank:
In Ihrer Anfrage schreiben Sie, dass während des Corona-Shutdowns die Altkleiderbranche in vielen Regionen Deutschlands kurz vor dem Kollaps gestanden habe. Sie teilten weiter mit, dass Kleiderschränke vermehrt ausgemistet worden und gleichzeitig die üblichen Verteilungswege (Second-Hand-Läden, Export) weggefallen seien. Laut dem Dachverband Fair-Wertung, einem Zusammenschluss gemeinnütziger Kleidersammler und -verwerter, würde die Problematik auch nach Ende der Beschränkungen weiterhin anhalten.
Sie bitten in diesem Zusammenhang um die Beantwortung der folgenden Fragen:
Frage 1:
Wie wird vom Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) die aktuelle Situation bei der Altkleidersammlung eingeschätzt? Kann die anfallende Menge bewältigt werden?
Antwort:
Der Alttextilmarkt ist von großer Verunsicherung geprägt und befindet sich bereits seit 2018 in einem stetigen Abwärtstrend. Der Presse, aber auch den Rückmeldungen der Vertragspartner des AWM ist zu entnehmen, dass sich insbesondere die Qualität der Sammelware verschlechtert hat. Der Trend zu Fast Fashion, aber auch die Coronakrise, bringen die Textilrecycler zunehmend in Bedrängnis. Zu Beginn der Coronakrise sind die Mengen in den Sammelbehältern stark gestiegen. Aktuell haben sich die Mengen normalisiert. Durch die Schließung der Grenzen während der Krise ist der Absatzmarkt z.B. nach Italien und in die osteuropäischen Länder nahezu zum Erliegen gekommen und es wurde auf Lager sortiert. Zu den enormen Mengen an liegengebliebener Ware kommt eine schwache Nachfrage nach sortierter Bekleidung.
Der AWM, der die Entleerung der Sammelbehälter durchführt, konnte die großen Mengen an Altkleidern gut bewältigen.
Frage 2:
Sieht der AWM Absatzprobleme bei der von ihm durchgeführten Altkleidersammlung?
Antwort:
Auch bei den vom AWM eingesetzten Vertragspartnern sind die Lager gut gefüllt und es bestehen die oben beschriebenen Probleme. Allerdings bestätigen sämtliche Verwerter der Münchner Ware immer noch eine vergleichsweise hohe Qualität, die sich zumeist auch gut vermarkten lässt. Weiterhin hat der AWM die Sammelpraxis optimiert. Dadurch konnte der AWM in der neuesten Ausschreibung positive Verwertungspreise erreichen. Sie sind zwar deutlich niedriger als in den Vorjahren, aber dennoch nennenswert im Plus.
Frage 3:
Wie hoch ist die Wiederverwendungsquote der Altkleider und wohin werden diese momentan gebracht?
Antwort:
Die Verwertungsquote ist abhängig von der Qualität der eingesammelten Ware. Die Wiederverwendungsquote beträgt nach Angaben der Vertragspartner 5% bei Schuhen und 53% bei Bekleidung. Derzeit gehen die gesammelten Mengen hauptsächlich zu Sortierbetrieben in Bulgarien und werden von dort aus weiter vermarktet.
Frage 4:
Welchen Anteil haben aktuell regionale Wiederverwendungen gegenüber längeren Transportwegen und Export?
Antwort:
Für die eigene Alttextilsammlung liegen dem AWM hierzu keine Informationen vor. Die beiden Vertragspartner besitzen keine eigenen Secondhand-Kaufhäuser. Allgemein werden nur ca. 2% bis 3% aus der Textilsammlung an gut erhaltenen Kleidungsstücken in Deutschland in Secondhand-Läden verkauft. Da die Billigtextilien aus Asien den Markt weltweit beeinflussen, ist der Export qualitativ hochwertiger Altkleider-Ware nach Afrika oder nach Osteuropa nicht schädlich. Der einheimische Textilmarkt in Afrika wird dadurch wohl nicht tangiert, denn durch den Einbruch der lokalen Textilindustrie seien nicht nur Arbeitsplätze weggefallen, sondern auch neue Jobs in Handel und Weiterverarbeitung entstanden (lt. Artikel vom 6.6.20 in der SZ).
Frage 5:
Kann der AWM die Wiederverwendungsquote der von ihm gesammelten Altkleider erhöhen, etwa durch Unterstützung und Belieferung von Kleiderkammern, Second-Hand-Läden und Flohmärkten in München?
Antwort:
Die Kleiderkammern sind gut gefüllt und die Nachfrage ist eher gering. Eine Wiederverwendung von Gebrauchtkleidung findet vermehrt auf Internetplattformen statt. Die Consumer-to-Consumer (Konsument-zu-Konsument C2C) Warenzirkulation ist für den Konsumenten lukrativ. Da hier aber zumeist bessere Qualitäten den Besitzer wechseln, fehlt diese Ware immer häufiger in der Textilsammlung und kann somit nicht mehr das Recyclinggeschäft quer finanzieren.
Frage 6:
Stellen günstig hergestellte Textilien („Fast Fashion“) für den AWM bei der stofflichen Verwertung ein besonderes Problem dar, z.B. wegen des hohen Synthetikanteils?
Antwort:
Die Qualitätsminderung durch Fast Fashion und der Anstieg der tatsächlichen Sammelmenge sind gemäß einer Alttextilstudie des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Verwertung eine Gefahr für das hochwertige Textilrecycling. Die Sortierung erfordert bei minderwertiger Fast Fashion einen höheren (finanziellen) Aufwand und es fallen zudem insgesamt mehr Sortierreste an.
Frage 7:
Bestehen beim AWM bereits Überlegungen, wie man in München das Aufkommen an Altkleidern an seiner Wurzel reduzieren kann, z.B. durch eine Aufklärungskampagne zum Thema Fast Fashion?
Antwort:
Der AWM führte bereits in der Vergangenheit zum Thema Altkleider Informationskampagnen in verschiedenen Ausprägungen durch. Die Schwerpunkte lagen dabei auf der richtigen Sammlung und Verpackung der Kleidung, damit sie entsprechend verwertet werden kann. Aktuell gibt es keine konkreten Planungen für eine Kampagne, die das Ziel verfolgt, das Aufkommen an Altkleidern zu reduzieren. Zudem müsste vorab genau geprüft werden, ob der AWM in diesem Zusammenhang überhaupt über die passenden Mittel und Wege verfügt, um in der Münchner Bevölkerung eine dauerhafte Verhaltensänderung in Sachen Einkauf und Nutzung von Kleidungsstücken zu bewirken und ob dies gebührenrechtlich finanziert werden darf. Derartige Überlegungen werden im Rahmen der Entwicklung des Zero-Waste-Konzepts und der Circular-Economy-Strategie der Landeshauptstadt München angestellt werden.