Keine Kurzstreckenflüge vom Münchner Flughafen
Antrag Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) vom 5.2.2020
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
Gem. Ihrem o.g. Antrag soll sich der Oberbürgermeister als Mitglied des Aufsichtsrates der Flughafen München GmbH (FMG) dafür einsetzen, dass Flüge vom Flughafen München zu Zielen, die per Bahn in weniger als 4½ Stunden erreichbar sind, nicht mehr angeboten werden und dass der verbleibende Flugverkehr nicht ausgeweitet wird.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Das Angebot von Flugverbindungen am Münchner Flughafen fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates oder als laufende Angelegenheit in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters, sondern betrifft den operativen Geschäftsbereich der FMG. Da eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat daher rechtlich nicht möglich ist, wird der Antrag als Brief beantwortet.
Vorbemerkung
Die Bereitstellung eines Netzes an Verkehrsflughäfen gehört zur Daseinsvorsorge. Das heißt, der Staat muss sicherstellen, dass eine ausgewogene und funktionierende Infrastruktur mit entsprechenden verkehrlichen Anbindungen aufrechterhalten bleibt.
Für den Wirtschaftsstandort Deutschland, für die bayerische und auch für die Münchner Wirtschaft ist angesichts einer weiter zunehmenden arbeitsteiligen Weltwirtschaft die Gewährleistung größtmöglicher Konnektivität durch eine entsprechende Infrastruktur essentiell. Zudem hat der Luftverkehr eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung (u.a. Erhalt/Schaffung von Arbeitsplätzen) und ist auch für München als Touristendestination sehr wichtig.
Notwendigkeit von Kurzstreckenflügen aufgrund fehlender Alternativen Die in der Diskussion um Kurzstreckenflüge regelmäßig gemeinten Inlandsflüge sind kaum von den Feederverkehren (Zu- und Abbringerflüge von Umsteigern) abzugrenzen: Nahezu der gesamte Inlandsverkehr von/ ab München wird von der Lufthansa-Gruppe angeboten, die am Flughafen München ihr Drehkreuz betreibt. Insoweit ist faktisch beinahe jeder Inlandsflug nicht nur ein Punkt zu Punkt-Verkehr, sondern auch ein Zubringerflug; letztere sind substantiell für den Betrieb eines Hub-Flughafens,da ohne diese kein effizienter Betrieb von Langstreckenverkehren möglich und in Folge die Konnektivität des Standortes Deutschland gefährdet wäre.
Reisende können ihre Verkehrsmittel frei wählen. Eine Verlagerung von Feederverkehren auf alternative Verkehrsmittel wäre nur dann zu erreichen, wenn für die Reisenden damit keine größeren Einbußen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Reisekomfort oder Reisezeit verbunden sind. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass (vorausgesetzt, die Deutsche Bahn könnte ausreichend Transportkapazitäten zur Verfügung stellen) derzeit alle IC/ICE-Züge am Münchner Hauptbahnhof enden. Eine substantielle Verlagerung des Zubringerverkehrs auf die Schiene könnte aber nur erreicht werden, wenn die Bahnreisenden mit dem Fernzug direkt bis zum Flughafen München fahren könnten, um die Gesamtreisezeit in akzeptablen Grenzen zu halten. Ein entsprechender nahtloser Übergang ist am Flughafen München trotz derzeit geführter Diskussionen über Realisierungsmöglichkeiten auf absehbare Zeit (10 bis 20 Jahre) jedoch nicht in Sicht. Hinzu kommt, dass mit signifikanten Verbesserungen der S-Bahn-Verbindung zum Flughafen nicht vor Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke zu rechnen ist, so dass auch insoweit bis heute eine gewisse Erschwernis bei der Anreise zum Flughafen selbst aus München besteht.
Eine grundsätzlich ebenfalls in Betracht kommende Anreise mit dem Fernbus direkt zum Flughafen München ist zwar mittlerweile von einigen Zielen in Süddeutschland, Österreich, der Schweiz und Norditalien möglich. Die entsprechenden Linien werden jedoch nicht ausreichend häufig angeboten. Zudem ist bei der Anreise mit dem Fernbus die Frage einer Kostenerstattung bei verpasstem Flug infolge von Verspätungen bei der Anreise mit Bussen im Falle überlasteter Straßen nicht geklärt. Das entsprechende finanzielle Risiko tragen damit grundsätzlich die Passagiere.
Erfahrungen der FMG aus der Praxis zur Nutzung von reinen Kurzstreckenflügen legen nahe, dass Reisende ab drei bis vier Stunden Gesamtreisezeit beginnen, das Flugzeug vorzuziehen; dies deckt sich mit Daten des Flughafens München, wonach die kürzesten Routen (insbes. München-Nürnberg) fast ausschließlich von Umsteigern genutzt werden.
Reine Kurzstreckenflüge sind vor allem auch für Geschäftsreisende von Bedeutung, denen das Flugzeug ermöglicht, innerhalb eines Tages einen Geschäftstermin wahrzunehmen, ohne dass viele Überstunden anfallen bzw. eine Hotelübernachtung gebucht werden muss. So beträgt beispielsweise die Reisezeit auf der Strecke München – Berlin 4,5 Std, die reine Flugzeit 1 Stunde 5 Minuten, das Gleiche gilt in etwa auch für die Strecke München – Köln.Fazit
Eine Verlagerung von Kurzstrecken-Flugverkehren auf Bus und Bahn ist derzeit aufgrund des zeitweise überlasteten Straßennetzes sowie aufgrund der fehlenden Anschlüsse der Flughäfen an das überregionale Schienennetz nicht vollständig möglich. Hinzu kommt, dass die Reisezeiten mit der Bahn im Fernverkehr insbesondere im Bereich des Zubringerverkehrs einschließlich entsprechender Umsteigenotwendigkeit für Reisende nur sehr eingeschränkt attraktiv sind. Voraussetzung hierfür wäre der Anschluss des Münchner Flughafens an das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn.
Eine grundsätzliche Unterbindung von (innerdeutschen) Kurzstrecken-Flügen würde die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland negativ beeinträchtigen, zu Abwanderungen von Firmen ins Ausland führen und damit lediglich eine Verlagerung des Verkehrs hervorrufen. Aus Sicht der FMG wäre es stattdessen zielführend, attraktive Angebote auf der Schiene gerade in Bezug auf Reisezeit und Preis zu schaffen, um den Kunden geeignete Alternativen anbieten zu können. Der Flughafen München würde – wie stets betont – einen Fernbahnanschluss des Flughafens sehr begrü-ßen.
Eine Verlagerung von reinen Start-Ziel-Kurzstreckenflügen auf die Bahn ist für Reisende dann attraktiv, wenn damit ein Komfortgewinn verbunden ist (direkte Verbindung von Stadtzentrum zu Stadtzentrum, keine deutlich höheren Reisezeiten, attraktive Angebote der Deutschen Bahn, WLAN-Nutzung etc.) und abhängig von der Entscheidung des Einzelnen. Für eine vollständige Vergleichbarkeit von Kurzstreckenflügen und Bahnreisen müssen auch die Rüst- und Wartezeiten am Airport sowie die An- und Abreisezeiten zum und vom Flughafen hinzugerechnet werden, um die eigentlichen Zielorte in den Innenstädten zu erreichen. Je nach Anbindung und Lage des Flughafens kann sich bei Reisedauern bis zu 4,5 Stunden ein vergleichbares Weg-Zeit-Verhältnis zwischen reinen Kurzstreckenflügen und Bahnfahrten ergeben, das unter Klimaschutzaspekten für den Einzelnen die bessere Wahl sein kann.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass im Zuge des Lufthansa-Rettungspakets von Auflagen in Bezug auf Kurzstreckenflüge explizit abgesehen wurde. Nicht beurteilt werden kann, wie sich der Reiseverkehr angesichts der Corona-Pandemie, insbesondere bei Geschäftsreisenden, weiter entwickeln wird.
Die FMG hat sich zudem als Teil der europäischen Flughafengemeinschaft dazu verpflichtet, Maßnahmen zu einer deutlichen Reduktion von CO2-Emissionen zu ergreifen, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Deshalb strebt die FMG unter anderem an, in dernächsten Entgeltordnung (voraussichtlich ab Mitte 2021) umweltpolitische Zielsetzungen noch stärker zu berücksichtigen.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.