Stadtentwicklung weiterdenken IV: Klimaangepasste Stadtplanung
Antrag Stadtrats-Mitglieder Dorothea Wiepcke und Walter Zöller (CSU-Fraktion) vom 17.9.2019
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Mit Schreiben vom 17.9.2019 haben Sie den folgenden Antrag gestellt, der dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) zur Bearbeitung zugeleitet wurde.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil er für die Stadt keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lässt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
In diesem Antrag fordern Sie:
„Die Landeshauptstadt München erarbeitet eine Hitzekarte, die es der Stadtplanung ermöglicht, kurzfristig lokal gezielte Maßnahmen für mehr Hitzeverträglichkeit umzusetzen und langfristig die entsprechenden Daten auch in der Stadtentwicklung entsprechend zu berücksichtigen. Die Hitzekarte soll nicht nur die Temperaturen kleinteilig erfassen, sondern auch wie viele Personen unter 14 und über 65 dort leben. Damit gibt die Karte nicht nur darüber Auskunft, wo es in der Stadt am heißesten ist, sondern vielmehr darüber, wo am meisten Menschen unter der Hitze leiden.“
In der Begründung wird auf die geringere Abkühlung nachts in dicht bebauten Bereichen, die fehlende nächtliche Erholung und die besondere Betroffenheit von Personen mit keinem bzw. wenig Zugang zu Grünräumen und Wasser hingewiesen. Ebenfalls wird auf die Möglichkeiten der Stadtplanung hingewiesen, durch Begrünung, Beschattung und Wasserelemente lang- und kurzfristig für Abkühlung zu sorgen.
Zu Ihrem Antrag darf ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Das Klima ändert sich, dies zeigen Veränderungen von Temperatur und Niederschlag in der Vergangenheit, von weitergehenden Veränderungen in der Zukunft wird ausgegangen.
Städte sind durch die negativen Folgen des Klimawandels besonders betroffen: einerseits aufgrund der klimatischen Besonderheiten des Stadtkli-mas („städtische Wärmeinsel“), andererseits aufgrund der Konzentration von Bevölkerung und Infrastruktur.
Durch die thermischen Veränderungen sind ältere Menschen, Personen mit gesundheitlichen Vorbelastungen und Schwerbehinderung besonders betroffen. Dies zeigen auch Ergebnisse einer Befragung im Rahmen der Gesundheits- und Umweltberichterstattung des RGU zur sozialen und gesundheitlichen Lage. Die Ergebnisse sind in der Münchner Statistik Heft 3/2016 veröffentlicht (https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Gesundheitsdaten/Veroeffentlichungen.html).
Mit der Klimafunktionskarte der Landeshauptstadt München liegt eine „Hitzekarte“ vor (s. Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats vom 17.12.2014, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 01810). In den thematischen Karten wird das Temperaturfeld während einer sommerlichen, austauscharmen Situation mittags, abends und frühmorgens dargestellt. Zudem wird die bioklimatische Situation in den Siedlungsbereichen bewertet. In dieser Bewertung wird die thermische Wirkung auf den Menschen berücksichtigt.
Eine Untersuchung im Sinne einer klassischen „Vulnerabilitätsanalyse“ wurde im Rahmen einer Diplomarbeit, die vom RGU fachlich mitbetreut wurde, im Jahr 2016 durchgeführt (Kühnhauser 2016). Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde, wie im Antrag gefordert, eine Verschneidung der Informationen zur thermischen Belastung und zu sozialen Faktoren (u.a. alte und junge Einwohnerinnen und Einwohner) durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen, dass die sensible Bevölkerung im Stadtgebiet verteilt ist. Zudem sind die Ergebnisse aus fachlichen Gründen nicht als Planungs- und Entscheidungsgrundlage geeignet, da sich im Ergebnis eine erhebliche Informationsreduktion zeigte. Eine Ursache ist die unterschiedliche Bezugsgröße der Daten und ihre Aggregation. Kernaussagen aus der Klimafunktionskarte gehen verloren. Daher wurde dieser Ansatz nicht weiterverfolgt.
Um als LH München auf die Veränderungen durch den Klimawandel vorbereitet zu sein, wurde das „Maßnahmenkonzept Anpassung an den Klimawandel in der Landeshauptstadt München“ unter Federführung des RGU und in enger Abstimmung mit den betroffenen Referaten erarbeitet (s. Beschluss der Vollversammlung des Stadtrats vom 15.11.2016, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 06819).Das Thema Hitze und Gesundheit hat einen wichtigen Stellenwert im Anpassungskonzept. Eine eigene Arbeitsgruppe behandelt das Thema. Wie eingangs erwähnt bedeuten Hitzeperioden eine besondere Belastung für ältere, pflegebedürftige Personen. Medizinisch-epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass in diesen Zeiträumen die Mortalität erhöht ist. Als Klimaanpassungsmaßnahme wurde auf Basis der Klimafunktionskarte ermittelt, welche Einrichtungen für besonders vulnerable Personengruppen (Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser) in bioklimatisch belasteten Bereichen liegen (vgl. Anhang Analyse der thermisch belasteten Pflegeeinrichtungen auf Basis der Klimafunktionskarte). Die Ergebnisse wurden den Einrichtungen (z.B. im Rahmen der Münchner Pflegekonferenz) vorgestellt. Dies diente der Sensibilisierung und weiteren internen Maßnahmen.
Eine weitere bereits umgesetzte Maßnahme ist die Veröffentlichung von „Informationen über geeignetes Verhalten an heißen Tagen (für breite Öffentlichkeit und gefährdete Personen)“. Die Texte wurden erarbeitet und stehen auf der RGU-Website (s.u.) zur Verfügung.
Aktuell bestehen zwischen dem RGU und der LMU, Klinikum der Universität München, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin zu folgenden Projekten erfolgreich laufende Kooperationen: „Hitzeassoziierte Gesundheitsprobleme in der Pflege – Maßnahmenplan für vollstationäre Pflegeeinrichtungen zur Anpassung an den Klimawandel“ und „Hitzeservice statt Hitzestress – was braucht die Kommune?“. Ziel der Projekte ist die „modellhafte Entwicklung, Umsetzung und Evaluierung eines verbindlichen und bundesweit übertragbaren Maßnahmenplans für Altenheime und Altenpflegeheime zur Vorbereitung auf Hitzeereignisse“ sowie die Bereitstellung von „Informationen für die breite Öffentlichkeit“ (vgl. Internet-Informationen des RGU unter www.muenchen.de/hitze).
Auch der Gesundheitsbeirat der Landeshauptstadt München befasst sich mit dieser Thematik. Für das Jahr 2020 wurde das Thema „Klima und Gesundheit – Auswirkungen des Klimas auf unsere Gesundheit“ festgelegt. Im Gesundheitsbeirat unter meinem Vorsitz sind die wesentlichen Akteurinnen und Akteure des Münchner Gesundheitswesens vertreten. Der Gesundheitsbeirat ist ein Vernetzungsgremium und berät den Stadtrat und die Stadtverwaltung in grundsätzlichen Fragen des Gesundheitswesens. Inhaltlich wird jedes Jahr ein ausgewähltes Thema als übergreifendes Jahresthema in den Fokus der Arbeit aller Gremien des Gesundheitsbeirats gestellt.Das Thema „Klima und Gesundheit – Auswirkungen des Klimas auf unsere Gesundheit“ soll in den verschiedenen Gremien des Gesundheitsbeirats, insbesondere in den sieben thematischen Arbeitskreisen, bearbeitet werden und im Fokus der übergreifenden Veranstaltungen des Gesundheitsbeirats stehen (z.B. „Gesundheit im Gespräch“, Gesundheitskonferenz). Gemeinsam mit der Münchner Fachöffentlichkeit sollen verschiedene Aspekte der gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels näher beleuchtet und diskutiert werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit fließen in ein Positionspapier des Vorstands des Gesundheitsbeirats sowie in den jährlichen Bericht des Gesundheitsbeirats ein, welcher dem Stadtrat Anfang 2021 bekanntgegeben wird.
Zur Frage, wie mit diesen Erkenntnissen in der Stadtplanung umgegangen wird, nimmt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt Stellung: „Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung greift für alle Planungsverfahren im Rahmen der Bauleitplanung auf die Klimafunktionskarte als einer wichtigen Planungsgrundlage zurück, um stadtklimatische Belange so frühzeitig wie möglich im weiteren Planungsprozess zu berücksichtigen.
„Auf Grundlage der Klimafunktionskarte werden mögliche stadtklimatische Auswirkungen – in Abstimmung mit dem RGU – berücksichtigt und auf ihre Erheblichkeit hin bewertet. Dies hat das Ziel, die klimatische Wirksamkeit von Flächen sowie den groß- und kleinräumigen Luftaustausch zu erhalten. Sind klimawirksame Freiflächen in besonderem Maße betroffen oder die Auswirkungen geplanter Bebauungen auf den Bestand als erheblich anzunehmen, wird ein vertiefendes mikroskaliges Klimagutachten in Auftrag gegeben.
Die Ergebnisse stadtklimatischer Ersteinschätzungen und vertiefender Klimagutachten fließen maßgeblich in den weiteren Planungsprozess ein. Dies betrifft künftig auch verstärkt die frühen Planungsphasen, sprich die Phasen vor der Auslobung städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerbe, der Erstellung von stadt- und landschaftsplanerischen Strukturkonzepten und der Aufstellung von Bebauungsplänen mit Grünordnung. Ziel ist es dabei immer, die Auswirkungen des Klimawandels bestmöglich und frühzeitig in der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Die Klimafunktionskarte in ihrer derzeitigen Darstellung stellt somit eine wichtige Abwägungsgrundlage für die bauliche Entwicklung in München und die Weiterentwicklung klimawirksamer Freiflächen und Siedlungsstrukturen dar.Ungeachtet einer soziodemographischen Bevölkerungsverteilung im Stadtgebiet ist das Referat für Stadtplanung und Bauordnung bestrebt, die Klimaanpassung auf allen Maßstabsebenen der Stadtplanung mit klimawirksamen Maßnahmen zu berücksichtigen.
Im Konzeptgutachten Freiraum M 2030 werden mit der Freiflächenkulisse alle wesentlichen Freiraumelemente auf gesamtstädtischer Ebene dargestellt, die nicht nur für eine zu sichernde künftige Freiraumversorgung wichtig sind, sondern auch für die Durchlüftung auf gesamtstädtischer Ebene, um die Überhitzung in den Sommermonaten zu mildern. Darüber hinaus werden darin gerade auch für die dicht bebauten Stadtquartiere kleinräumig qualifizierende Maßnahmen für die künftige Freiraumentwicklung gefordert, um wohnungsnah sowohl auf attraktive Aufenthaltsräume als auch auf attraktive Wegeverbindungen zu treffen.
Durch sogenannte Freiraumquartierskonzepte werden künftig die Potenziale und Möglichkeiten der Freiraumqualifizierung auf Quartiersebene untersucht und dargestellt. Prioritär werden dabei die städtischen Quartiere bearbeitet, die jetzt schon durch hohe Dichten bzw. einen hohen Versiegelungsgrad einer großen Hitzebelastung ausgesetzt sind (z.B. Altstadt/ Innenstadt). Wo immer es möglich ist, sollen damit alle Möglichkeiten einer verstärkten Begrünung und Durchgrünung von Stadtquartieren, Stra-ßenzügen sowie an und auf Gebäuden genutzt werden, die maßgeblich zu einer höheren Aufenthaltsqualität an Hitzetagen für alle Stadtbewohner beitragen können.“
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Betroffenheit der Bevölkerung durch thermische Veränderungen durch den Klimawandel für die LH München ein wichtiges Thema ist, wie umgesetzte Klimaanpassungsmaßnahmen und aktuelle Aktivitäten zeigen. Um Informationen zu betroffenen Personenkreisen zu erhalten, wurde die Lage der besonders sensiblen Einrichtungen mit Hilfe der Klimafunktionskarte analysiert und die Ergebnisse auf der Pflegekonferenz vorgestellt. Für Stadtentwicklung und Stadtplanung ist die Klimafunktionskarte eine sehr wichtige Basis. Sowohl, um die großräumigen klimatischen Funktionen im Stadtgebiet zu erhalten als auch kleinräumig, um die Grünausstattung zu verbessern. Klimaangepasste Grünflächen sind auch im Sinne der Gesundheitsvorsorge als Ruhe- und Bewegungsräume ein wichtiges Element der Gesundheitsförderung und -erhaltung.
Sowohl die Betroffenheit der Bevölkerung als auch der Umgang mit dem Klimawandel in Stadtentwicklung und Stadtplanung sind wichtige Themen des „Maßnahmenkonzepts Anpassung an den Klimawandel“. DieseThemen werden auch in der Fortschreibung einen wichtigen Stellenwert haben.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen von Ihrem Einverständnis aus, die Angelegenheit auf dem derzeitigen Stand als abgeschlossen zu betrachten.