Nachbarbeteiligung vor Erteilung von Baugenehmigungen sicherstellen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Burkhardt und Frieder Vogelsgesang (CSU-Fraktion) vom 17.10.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Sie beantragten, dass die Lokalbaukommission sicherstellt, dass bei Einreichung eines Bauantrags die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Nachbarinnen und Nachbarn durch Bauwerberinnen und Bauwerber durchgeführt wird. Die Lokalbaukommission solle ein Verfahren entwickeln, um der nicht zulässigen Nicht-Beteiligung entgegenzuwirken. Vor einer hinreichend ausreichenden Information der Nachbarn eines beantragten Bauvorhabens solle keine Genehmigung erteilt werden. Den Eigentümern eines benachbarten Grundstücks sei hierbei ausreichend Zeit von zumindest einer Woche einzuräumen, um sich mit den Planinhalten zu befassen. Die Nachbarn müssten die Möglichkeit haben, ihre Rechte hinreichend wahrzunehmen.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft den Vollzug der Bayerischen Bauordnung und damit eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und §22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 17.10.2019 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Einleitend möchten wir darauf hinweisen, dass eine konsequente Umsetzung der gesetzlich vorgesehenen Nachbarbeteiligung nicht nur im Interesse der betroffenen Nachbarinnen und Nachbarn, sondern maßgeblich auch im Interesse der Lokalbaukommission (und letztlich auch der Bauherrin und des Bauherrn) liegt, da mögliche Einwendungen im Vorfeld leichter berücksichtigt und damit Verzögerungen sowie Rechtsunsicherheit, etwa aufgrund späterer Klageverfahren, vermieden werden können.
Gemäß Art. 66 BayBO sind den Eigentümerinnen und Eigentümern der benachbarten Grundstücke vor Einreichung des Bauantrags von Bauherren oder ihren Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Die Unterschrift der Nachbarn gilt als Zustimmung. Mit der Zustimmung verzichten die Nachbarn auf ihre subjektiven öffent-lich-rechtlichen Nachbarrechte gegen das konkrete Bauvorhaben. Haben Nachbarn nicht zugestimmt oder wird ihren Einwendungen nicht entsprochen, so ist ihnen eine Ausfertigung der Baugenehmigung zuzustellen. Sie haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Baugenehmigungsbescheids Klage gegen die Genehmigung zu erheben. Versäumen Bauherren, betroffene Nachbarn anzugeben, besteht auch nach Ablauf des Monats keine Rechtssicherheit, da die gesetzlich vorgeschriebene Zustellung nicht durchgeführt werden kann. Erhalten Nachbarn verspätet Kenntnis von einem Bauvorhaben, so beginnt die Klagefrist für diese Nachbarn erst, wenn sie von dem Vorhaben Kenntnis erlangen.
Auf dem von dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (StMB) verbindlich zur Verwendung vorgesehenen Bauantragsformular werden Bauherren auf ihre gesetzliche Pflicht zur Beteiligung der Nachbarn hingewiesen. Die zu beteiligenden Eigentümer sind von den Bauherren namentlich und mit Adresse sowie unter Angabe der Flurnummer und Gemarkung des betroffenen Nachbargrundstücks aufzuführen. Diese Angaben dienen der Bauaufsichtsbehörde primär dazu, nach Erteilung der Baugenehmigung den Nachbarn, deren Zustimmung nicht vorliegt, eine Ausfertigung der Baugenehmigung zustellen zu können. Um das Risiko unterlassener Nachbarbeteiligung zu verringern, nutzt die Lokalbaukommission die Angaben des Bauherren zu den betroffenen Grundstücken überdies zur Prüfung, ob der Bauherr tatsächlich alle relevanten Nachbargrundstücke berücksichtigt hat. Ist dies nicht der Fall, fordert sie den Bauherrn unter Fristsetzung auf, eine entsprechende Nachbarbeteiligung nachzuholen.
Darüber hinaus haben Bauherren auf dem Bauantragsformular anzugeben, ob der angeführte Eigentümer des Nachbargrundstücks eine Unterschrift erteilt hat oder nicht. Ist dies zu bejahen, reicht der Bauherr die Unterschrift mit den Bauvorlagen bei der Bauaufsichtsbehörde ein.
Nicht auf dem Formular anzugeben haben die Bauherren jedoch, ob der betreffende Nachbar im Falle der fehlenden Unterschrift eine solche nach Vorlage des Lageplans und der Bauzeichnungen verweigert hat oder ob sie oder er von vornherein gar nicht beteiligt und damit gar nicht in die Lage versetzt wurde, eine Entscheidung für oder gegen das Bauvorhaben zu treffen. Die Bauaufsichtsbehörde kann daher auf Basis des aktuellen Bauantragsformulars im Falle der fehlenden Nachbarunterschrift nicht nachvollziehen, ob eine Nachbarbeteiligung überhaupt erfolgt ist oder nicht. Dies ist im Hinblick auf die gewünschte Sicherstellung der Nachbarbeteiligung aus Sicht der Lokalbaukommission nicht zielführend. Daher hat dieLokalbaukommission bereits mehrfach beim StMB angeregt, das Bauantragsformular dahingehend anzupassen, dass nicht nur nach der Erteilung der Nachbarunterschrift, sondern auch nach der Beteiligung der Nachbarn an sich gefragt wird. Die Bauaufsichtsbehörde hätte dann die Möglichkeit, eine gegebenenfalls unterlassene Nachbarbeteiligung wegen Unvollständigkeit der eingereichten Bauvorlagen explizit nachzufordern. Das StMB hat zugesagt, dies im Rahmen der laufenden BayBO-Novelle zu prüfen.
Doch auch im Falle einer entsprechenden Anpassung des Bauantragsformulars ist mit einer grundsätzlichen Stärkung der Kontrollmöglichkeiten der Lokalbaukommission im Hinblick auf die Nachbarbeteiligung voraussichtlich nicht zu rechnen. Denn der aktuelle Gesetzesentwurf zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus, Stand Dezember 2019, sieht für die Zukunft eine – im Vergleich zur aktuellen Rechtslage – geringere Rolle der Baugenehmigungsbehörden bei der Sicherstellung der Nachbarbeteiligung vor. Zwar haben Bauherrinnen und Bauherren auch nach der geplanten Regelung den Eigentümerinnen und Eigentümern der benachbarten Grundstücke den Lageplan und die Bauzeichnungen zur (schriftlichen) Zustimmung vorzulegen. Vor dem Hintergrund der geplanten Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens und der damit verbundenen Möglichkeit zur papierlosen Einreichung der Bauvorlagen soll jedoch darauf verzichtet werden, dass die Unterschriften mit dem Bauantrag bei der Behörde eingereicht werden. Vielmehr sollen die Bauherren die Unterschriften in Zukunft bei ihren eigenen Unterlagen verwahren. Die Bauaufsichtsbehörde muss sich damit in Zukunft nicht nur im Falle der als fehlend, sondern auch im Falle der als vorliegend angegebenen Nachbarunterschrift auf die eigenverantwortliche Beteiligung der Nachbarn durch die Bauherren und auf ihre Angaben zum Ergebnis der Beteiligung verlassen. Eine Prüfung dieser Angaben durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht mehr vorgesehen. Dies wird im Ergebnis auch von der Lokalbaukommission befürwortet, da die Digitalisierung der Baugenehmigungsverfahren hierdurch deutlich vereinfacht wird.
Davon unabhängig plant die Lokalbaukommission jedoch im Interesse der Stärkung der Nachbarbeteiligung in diesem Jahr eine neue Schwerpunktsetzung im Antragsbüro: Während die Bauherren bisher die Möglichkeit hatten, ihr Kreuzchen zur erfolgten Nachbarunterschrift noch im Laufe des Verfahrens nachzureichen (für die Bauherren ist dies regelmäßig hilfreich in Fällen, in denen die Nachbarbeteiligung zum Zeitpunkt der Antragstellung zwar begonnen wurde, die Rückmeldung der Nachbarn aber noch nicht eingegangen ist), muss in Zukunft das Kreuzchen zur Nachbarunterschrift bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung ausnahmslos gesetzt sein. ImFalle einer fehlenden Aussage zur Nachbarunterschrift werden die Bauherren unter Setzung einer angemessenen Frist zum Nachholen der Aussage aufgefordert. Wird dies nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgeholt, wird der Antrag konsequent wegen der eingetretenen gesetzlichen Fiktion der Rücknahme nach Art. 65 Abs. 2 BayBO kostenpflichtig verbeschieden. Damit möchte die Lokalbaukommission sicherstellen, dass die Nachbarbeteiligung – sofern sie tatsächlich von dem Bauherren durchgeführt wird – zu Verfahrensbeginn bereits abgeschlossen ist und etwaige Nachbareinwendungen sinnvoll berücksichtigt werden können.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.