Was sind die Gründe für die Verzögerung der Umsetzung des Radentscheids?
Anfrage Stadträtin Sonja Haider (Fraktion ÖDP/FW) vom 29.3.2021
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
Ihrer Anfrage legen Sie folgenden Sachverhalt zu Grunde:
„Eigentlich hat der Stadtrat den Münchner Radfahrer*innen grünes Licht gegeben. Schon vor knapp 2 Jahren wurden die Forderungen des Radentscheids München vollumfänglich vom Stadtrat übernommen. Ziel war es dabei, dass breite Radwege, sichere Kreuzungen, ein durchgängiges Radnetz und ausreichend Abstellanlagen ‚kontinuierlich und verkehrspolitisch vorrangig verfolgt‘ und ‚bis zum Jahr 2025 weitestgehend umgesetzt‘ werden.*1 Der Altstadtradlring werde ‚unverzüglich‘ eingerichtet.*2 Nur fürs Protokoll: ‚unverzüglich‘ war bereits und ‚2025‘ ist auch schon bald. Zudem hat der Stadtrat im Dezember 2019 den Klimanotstand ausgerufen und auch gleich die ersten 10 Maßnahmen*3 für den Radentscheid beschlossen, im März 2020 folgte das 2. Maßnahmenpaket*4. Im Mai 2020 hat die Grün/Rote Rathausregierungskoalition ‚den Lenker‘ übernommen und die Verkehrswende als vorrangiges Ziel ausgegeben. Im September 2020 wurden die 3. und 4. Maßnahmenpakete*5 im Stadtrat vorgestellt. Auf dem Papier wird also schon viel für die Radler*innen getan – trotz des politischen Rückenwinds kommt aber fast nichts ‚auf der Straße‘ an. Auch der Oberbürgermeister ist – seit der Wahl –, wenn überhaupt, als Verhinderer von Rad-Maßnahmen in Erscheinung getreten.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet, deren einzelne Fragen im Folgenden beantwortet werden. Die durch den Referatsaufbau verzögerte Beantwortung bitte ich zu entschuldigen.
Frage 1:
Ist der Verwaltung und dem Oberbürgermeister bekannt, dass der Radentscheid aus einer rechtlich bindenden Fragestellung und vier konkreten Zielen bestand?
Antwort:
Mit Beschlüssen des Stadtrats vom 24.7.2019 (Sitzungsvorlage-Nr. 14-20/V 15572 und Sitzungsvorlage-Nr. 14-20/V 15560) hat der Stadtrat die Durchführung der mit den Bürgerbegehren „Radentscheid“ und „Altstadtradlring“ geforderten Maßnahmen, wie sie in den Fragestellungen der Bürgerbegehren formuliert waren, beschlossen (Art. 18a Abs. 14 Satz 1 GO).Diese Beschlüsse haben dieselbe Bindungswirkung wie ein erfolgreicher Bürgerentscheid (Art. 18 Abs. 14 Satz 2 GO). Selbstverständlich sind der Verwaltung und dem Oberbürgermeister die Fragestellung sowie die Ziele bekannt.
Frage 2:
Seit Mai 2020 gibt es angeblich erste Pläne für die Umsetzung der ersten zehn Maßnahmen. Warum wurden diese bisher nicht den Vertreter*innen des Radentscheids (Beschluss Terminierung bis Dezember 2020), der Öffentlichkeit und dem Stadtrat zur Diskussion und zur Entscheidung vorgelegt? Wann wird dies passieren? Bis wann ist mit einer Fertigstellung der Umbaumaßnahmen zu rechnen?
Antwort:
Ein Großteil der bislang vorhandenen Planungskapazitäten im fließenden Radverkehr waren im Jahr 2020 durch bereits laufende Projekte und Anträge sowie die Gelb-/Weißmarkierungen der (ehemaligen) Pop-up-Radwege, inklusive Evaluation und Öffentlichkeitsbeteiligung, gebunden. Die für die Umsetzung des Radentscheids notwendigen Stellen konnten bislang nicht vollständig besetzt werden. Die Projekte aus den Maßnahmenbündeln sind generell aufgrund der Berücksichtigung einer Vielzahl von Belangen auf engem Raum und vor dem Hintergrund der Forderung nach baulichen Radwegen komplex und dementsprechend zeitlich aufwendig in der Planung. Die Verwaltung plant, dem Stadtrat im Juli 2021 einen Sachstandsbericht zur Umsetzung des Radentscheids vorzulegen.
Frage 3:
Direkt nach der Kommunalwahl sollten die Bezirksausschüsse (BAs) über die übernommenen Ziele des Radentscheids und die ersten Beschlüsse informiert werden. Trotz wiederholter Nachfrage wird dies Monat um Monat verschoben. Wann sind nun die Informationsveranstaltungen geplant? Warum haben der Verband der Automobilindustrie (VDA) und die IAA Mobility die BAs bereits über ihre Maßnahmen in den Stadtvierteln informiert? Findet die Autolobby mehr Gehör bei der Stadtspitze als 160.000 Radfahrer*innen? Warum haben die Vorstellung und Umsetzung des Radentscheids eine nachrangige Priorität?
Antwort:
Eine eigene Informationsveranstaltung für die Vertreter*innen der Bezirksausschüsse ist noch im Sommer 2021 geplant. Darin soll der aktuelle Sachstand zum Radentscheid vorgestellt und diskutiert werden sowie die weitere Vorgehensweise bei der Planung und Umsetzung der ersten Projekte aus den Maßnahmenbündeln erläutert werden. Die zuständigen Bezirksausschüsse werden zusätzlich auch zu den Öffentlichkeitsveranstaltungen für die Einzelmaßnahmen mit den Bürger*innen eingeladen. Der Zeitpunkt von Veranstaltungen oder Maßnahmen anderer Akteure im Rahmen der IAA Mobility stehen damit nicht im Zusammenhang.
Frage 4:
Warum werden Anträge für sinnvolle, kleinere und vor allem kostengünstige Radverkehrsverbesserungsmaßnahmen immer noch abgelehnt und nicht aufgegriffen und umgesetzt? Ein Beispiel ist der Antrag für eine Bevorrechtigung des Radverkehrs am Backstage *6 (Birketweg/Reitknechtstraße).
Antwort:
Aus unserer Sicht erfolgt immer ein Aufgreifen und Prüfen, nicht immer kann ein Vorschlag jedoch auch tatsächlich umgesetzt werden. Eine objektive Bewertung insbesondere hinsichtlich der Verkehrssicherheit, der Verhältnismäßigkeit sowie der rechtlichen und technischen Umsetzungsmöglichkeit von Vorschlägen und Anträgen erfolgt durch die Expert*innen der Fachdienststellen. An zahlreichen Örtlichkeiten im Stadtgebiet werden laufend sinnvolle Kleinmaßnahmen, z.B. an Knotenpunkten, auf Vorschlag von Bürger*innen oder Bezirksausschüssen angeordnet und umgesetzt. Speziell im Fall des Antrags auf Bevorrechtigung des Radverkehrs am Backstage (Birketweg/Reitknechtstraße, BA-Antrags-Nr. 20-26/B 01001) wurde dem beantragenden Bezirksausschuss 9 durch die Straßenverkehrsbehörde in einem ausführlichen Antwortschreiben fachlich begründet dargelegt, warum die vorgeschlagene Maßnahme abgelehnt werden musste. Die Antwort ist im Ratsinformationssystem (RIS) veröffentlicht unter: https://www.ris-muenchen.de/RII/BA-RII/ba_antraege_dokumente.jsp?Id=6302720&selTyp=BA-Antrag.
Frage5:
Warum werden immer noch Neubaugebiete geplant, die den Radverkehr nicht von vornherein (vernünftig) mitdenken? Z.B. Kirschgelände – Statt den Radweg vom S-Bahnhof Allach nach Süden zu verlängern bis zur Ganzenmüllerstraße, wird der Radweg mitten in das Neubaugebiet gelegt, was keine schnelle und durchgängige Verbindung darstellt.
Antwort:
Bei allen Bebauungsplanungen werden die Belange des Radverkehrs frühzeitig mitgedacht. Es liegt in der Natur eines offenen gesetzlichen Bebau-ungsplanverfahrens, das zum Zeitpunkt der frühzeitigen Bürgerbeteiligung für den BP 2146 Kirschgelände noch keine abschließende und verbindliche Planung vorliegt. Die Planung wird im Gesamtzusammenhang aller Anregungen noch überarbeitet. Die hier dargestellte Radwegverbindung durch das Gebiet wird noch zusammen mit einer alternativen Verbindung am Ostrand des Planungsgebietes geprüft. Das Ergebnis, das mit allen anderen Belangen des Städtebaus abzuwägen ist, wird dem Stadtrat im Billigungsbeschluss dargestellt.
Frage 6:
Warum wurden mit den restlichen Geldern aus der Nahmobilitätspauschale nicht externe Dienstleister für die Planung und Umsetzung des Radentscheids beauftragt?
Antwort:
Zur Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Maßnahmen zum Radentscheid fand bereits eine Ausschreibung und Vergabe statt. Der ausgewählte externe Dienstleister übernimmt in enger Abstimmung mit der Verwaltung die Vorbereitung, Organisation, Moderation und technische Durchführung der digitalen Veranstaltungen für Anwohnerinnen und Anwohnern, Gewerbetreibende und Interessierte.
Die mögliche Vergabe weiterer Planungsleistungen zur Umsetzung des Radentscheids wird momentan zwischen den zuständigen Dienststellen abgestimmt. Die verkehrsrechtliche Anordnung kann dabei aber nicht ausgelagert werden, so dass hier Ressourcen bei der Stadt selbst vorgehalten werden müssen.
Frage 7:
Warum werden die Planungen nicht beschleunigt, um damit Finanzen aus den Töpfen des Landes Bayern und der Bundesrepublik beantragen zu können?
Antwort:
Die Planungen zur Umsetzung des Radentscheids werden bereits mit hoher Priorität vorangetrieben. Sobald die Planungen die erforderliche Planungstiefe erreicht haben, werden standardmäßig entsprechende Fördermöglichkeiten geprüft.
Frage 8:
Könnte der Oberbürgermeister freundlicherweise auf dem „Mount Reiter“ nachsehen, ob sich die Umsetzung des Radentscheids nicht doch auf seinem Schreibtisch staut?
Antwort:
Der Oberbürgermeister und die Verwaltung behandeln die Umsetzung des Radentscheids mit hoher Priorität.
Ich bitte, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
Verweise:
„*1 https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_vorlagen_dokumente.jsp?risid=5551938
*2 https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/SITZUNGSVORLAGE/5572112.pdf
*3 https://www.muenchen-transparent.de/antraege/5555983
*4 https://www.muenchen-transparent.de/antraege/5859324
*5 https://www.muenchen-transparent.de/antraege/6341613 und https://www.muenchen-transparent.de/antraege/6203611
*6 https://www.muenchen-transparent.de/dokumente/6302725 und Antwort https://www.muenchen-transparent.de/dokumente/6456511“