320 Millionen Verlust bei Spirit Energy
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 2.12.2020
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 2.12.2020 führten Sie als Begründung aus: „Nachdem die Öl- und die Erdgaspreise in den 2000er Jahren immer neue Höhen erklommen, entschlossen sich die Stadtwerke München (SWM) 2005 am Markt mit internationalen großen Energiekonzernen zu konkurrieren und in die Erdöl- und Erdgasförderung einzusteigen. Einen Weg, der mit hohen Risiken behaftet war und den DIE LINKE von Anfang an entschieden abgelehnt hat. Seit der Finanzkrise verfielen die Preise kontinuierlich und schon 2015/2016 mussten die SWM hohe Verluste abschreiben. Während andere deutsche Energieunternehmen damals aus dem Geschäft ausstiegen, um weitere zukünftige Verluste zu vermeiden, gründeten die SWM zusammen mit dem britischen Energieversorger Centrica Spirit Energy und setzte somit auf eine Fortsetzung der Erdöl- und Erdgas-Förderung.
Der Gewinn des Joint Ventures Spirit Energy aus dem Jahr 2018 wurde im letzten Jahr noch groß in der Presse gefeiert. Über das Ergebnis von 2019 war bislang kaum etwas bekannt. Erst auf Nachfrage im Finanzausschuss wurde bekannt, dass durch die um etwa 20 Prozent gesunkenen Gaspreise 488 Millionen Euro weniger Umsatz erwirtschaftet wurde. Dadurch ergab sich für das Geschäftsjahr 2019 ein Verlust von 320.103.945 Euro. Hinsichtlich der Entwicklung der Gaspreise ist auch für 2020 ein Verlust zu erwarten. Vor allem mit Blick auf die Klimakrise und die notwendigen Maßnahmen zur drastischen Reduzierung der CO2-Emissionen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommen zu erreichen, wird die Förderung von Erdöl und Erdgas voraussichtlich ein Verlustgeschäft bleiben. Investitionen in diese Bereiche werden zu sogenannten ‚Stranded Assets‘. Es ist zu befürchten das die Stadt die Zeche zahlen muss für den Irrweg der SWM.“
Zu den gestellten Frage haben wir die SWM um die im Folgenden wiedergegebene Stellungnahme gebeten:
Vorbemerkung:
Gemeinsam mit der Bayerngas halten die SWM eine Minderheitsbeteiligung von 31 Prozent am Gasförderunternehmen Spirit Energy. Mehrheitsgesellschafter ist das britische Versorgungsunternehmen Centrica, dieMuttergesellschaft der British Gas. Spirit Energy fördert Erdgas im norwegischen, britischen und niederländischen Teil der Nordsee.
Das Ziel der SWM ist es, so viel Erdgas aus eigenen Quellen zu produzieren, wie München benötigt, um so unabhängig von großen Gaskonzernen zu bleiben. Das haben die SWM in den letzten Jahren erreicht. Entsprechend des sinkenden Gasverbrauchs in München planen die SWM, ihren Anteil an der Erdgasproduktion schrittweise zu reduzieren.
Zu den Fragen im Einzelnen:
Frage 1:
Wie hoch waren die jährlichen Gewinne und Verluste aller Beteiligungen der SWM in Erdöl- und Erdgasförderung seit dem Einstieg in dieses Geschäft (bitte jährlich und nach Beteiligungen aufschlüsseln)?
Antwort:
Über Gewinne und Verluste der genannten Beteiligungen wurde regelmäßig im Rahmen des Effektiven Leistungscontrolling ausführlich berichtet. Darüber hinaus muss hier, aufgrund der Vertraulichkeit der Informationen und der Betroffenheit weiterer teilweise börsennotierter Gesellschafter, auf die jeweiligen Veröffentlichungen im Rahmen der städtischen Beteiligungsberichte im angefragten Zeitraum verwiesen werden.
Frage 2:
Während die Erdgaspreise 2020 im Schnitt in etwa auf demselben Niveau wie 2019 liegen, sind die Erdölpreise im Vergleich zu 2019 noch einmal deutlich gesunken? Welche Hochrechnung zum Ergebnis (Gewinn oder Verlust) erwarten die SWM für Spirit Energy für das laufende Geschäftsjahr?
Antwort:
Hochrechnungen für 2020 liegen bisher nur zum operativen Ergebnis vor. Operativ erwirtschaftet die Spirit Energy auch im aktuell sehr schwierigen Marktumfeld (Corona, Weltkonjunktur, Gaspreise) einen kleinen Gewinn. Ob und in welcher Höhe Wertberichtigungen auf die Buchwerte einzelner Felder vorgenommen werden müssen, hängt maßgeblich von der Preissituation zum Bilanzstichtag ab.
Frage 3:
Wer haftet in letzter Konsequenz für entstehende Verluste von Spirit Energy?
Antwort:
Spirit Energy finanziert sich selbst und es bestehen für die SWM Gruppe keine Nachschusspflichten zum Verlustausgleich.
Frage 4:
Wie bewerten die SWM den Ausblick auf die Geschäfte bis 2030 von Spirit Energy? Zu Beginn 2017 sprachen die SWM noch von der Erwartung auf stabile Gewinne in den nächsten zehn Jahren.
Antwort:
Für das Geschäftsjahr 2020 sind aufgrund der derzeitigen Situation auf den Erdgasmärkten keine Dividenden geplant. Mittelfristig gehen wir aber von einer Erholung der derzeit niedrigen Gaspreise aus. Die langfristigen Erwartungen an die Spirit Energy sind aufgrund des derzeit laufenden Verkaufsprozesses der Centrica Anteile aber schwer vorhersehbar.
Frage 5:
Welche finanziellen Auswirkungen hat der geplante Ausstieg von Centrica aus Spirit Energy?
Antwort:
Für den Fall, dass ein Käufer den Centrica Anteil von 69% übernimmt, wird der Ausstieg der Centrica aus dem Gemeinschaftsunternehmen Spirit Energy grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Geschäft der Spirit Energy haben.
Frage 6:
Wie lange kann das Joint Venture Spirit Energy eine Niedrigpreisphase ohne Hilfen durchstehen?
Antwort:
Es bestehen für die SWM keine Nachschusspflichten zum Verlustausgleich. Sensitivitäts-Berechnungen haben gezeigt, dass Spirit Energy sich auch für den Fall länger andauernder Niedrigpreisphasen voraussichtlich selbst finanzieren kann.
Frage 7:
Wie hoch beziffern die Stadtwerke die Kosten für den Rückbau der Öl- und Gasquellen von Spirit Energy (Bohrtürme, Pipelines, etc.)?
Antwort:
Förderanlagen, Transportsysteme und Bohrungen müssen nach Ende der Produktion zurückgebaut werden, da der Meeresboden in dem Zustand zurückgegeben werden muss, in dem er bei Erteilung der Lizenz vorgefunden wurde. Spirit Energy hat die gesetzlich erforderlichen Rückstellungen in Höhe der erwarteten Rückbaukosten bilanziell gebildet. Darüberhinausgehend bestehen für Rückbaukosten keine Möglichkeiten der direkten Inanspruchnahme gegen die SWM oder deren Tochterunternehmen
Ich gehe davon aus, dass Ihre Fragen damit beantwortet wurden.