SWM Windräder in Norwegen verstoßen gegen UN-Konvention – Wie weiter mit der Ausbauoffensive Erneuerbaren Energien?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 15.10.2021
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 15.10.2021 führen Sie als Begründung aus: „Noch im April 2021 haben die Stadtwerke München (SWM) und Ihr Partner Trønderenergi ihr Engagement in dem hochumstrittenen Windpark Roan ausgebaut. Der Windpark liegt in einem für die Rentierzucht der Samen wichtigen Weidegebiet.
Jetzt hat das höchste norwegische Gericht entschieden, dass die Genehmigung des Windparks gegen eine UN-Konvention verstößt. Die Konzes- sion des Windparks und die Enteignungszulassung verstoßen demnach gegen Teil III Artikel 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966. Dieser Artikel schützt u.a. eth- nische, religiöse oder sprachliche Minderheiten bei der Ausübung ihrer Kultur.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien durch die SWM in Europa ist in erster Linie eine Imagekampagne für das städtische Tochterunternehmen der Stadt. In die CO2-Bilanz der Stadt zahlt das Engagement nicht ein. Umso gravierender ist es, wenn ethische Standards nicht eingehalten werden, der Ruf der SWM nachhaltig leidet und auch die Wirtschaftlichkeit ernsthaft in Frage gestellt ist.“
Die in Ihrer Anfrage angesprochene Stadtwerke München GmbH (SWM) hat zu Ihren Fragen wie folgt Stellung genommen:
Frage 1:
Weshalb haben sich die SWM trotz anhängender Rechtsstreitigkeiten an dem Windpark Roan beteiligt?
Antwort der SWM:
„Der Bau des Windparks Roan wurde 2016 auf Basis der durch die norwegischen Behörden erteilten und vollziehbaren Genehmigung begonnen, die vollständige Inbetriebnahme des Windparks fand im Februar 2019 statt. Die SWM sind seit Mai 2021 am Windpark Roan beteiligt. Die (indirekte) Beteiligung der SWM beläuft sich auf einen Anteil von rund 29% und erfolgte durch den Erwerb von Anteilen an einer Betreibergesellschaft vom staatlichen norwegischen Energieversorgungsunternehmen Statkraft sowie (zu einem geringeren Anteil) vom lokalen kommunalen Energieversorgungs-unternehmen TrønderEnergi. TrønderEnergi ist weiterhin in ähnlichem Umfang wie die SWM am Windpark Roan beteiligt.“
Frage 2:
Weshalb haben sich die SWM an dem Windpark beteiligt, obwohl hierfür Enteignungen notwendig waren?
Antwort der SWM:
„TrønderEnergi und SWM betreiben in Mittelnorwegen gemeinsam weitere Windparks. Die Beteiligung der SWM an Roan erfolgte mit dem Ziel, durch die Integration zusätzlicher Kapazitäten in das norwegische Portfolio den Umfang und die wirtschaftliche Effizienz bei der Ökostromerzeugung weiter zu steigern. Die Investition erfolgte im Vertrauen auf die durch die norwegischen Behörden erteilte und auch in mehreren Instanzen bestätigte Genehmigung des seit mehr als zwei Jahren in Betrieb befindlichen Windparks.“
Frage 3:
Ist es richtig, dass die Rentierzüchter, welche eine ethnische Minderheit darstellen, im Rahmen der Enteignungen für Ihre Weiderechte mit weit geringeren Summen entschädigt wurden als betroffene Grundeigentümer?
Antwort der SWM:
„Vor der Beteiligung der SWM am Windpark Roan hatte zuletzt 2020 ein Berufungsgericht die Wirksamkeit der Genehmigung bestätigt und zu zahlende Entschädigungen neu festgesetzt. Gegen diese Entscheidung wurde mit Bezug zum Windpark Roan allein von der damaligen Betreibergesellschaft gegen die Höhe der festgesetzten Entschädigung Revision zum Obersten Gerichtshof eingelegt. Die im Gebiet des Windparks Roan als Rentierhalter tätige Gruppe der Sámi hatte das ergangene Berufungsurteil nicht mehr angefochten.“
Frage 4:
Welche weiteren Windparks der SWM in Norwegen und Europa sind mit Enteignungen verbunden?
Antwort der SWM:
„Das norwegische Recht erlaubt Infrastruktur-Projekten mit Betriebsgenehmigung gegen eine gerichtlich festzusetzende Entschädigung Rechte Betroffener einzuschränken, wenn das Projekt im öffentlichen Interesse steht und die öffentlichen Vorteile die privaten Interessen der Betroffenen überwiegen. Dieses Verfahren ist bei Infrastruktur-Projekten in Norwegenüblich. In den Windparks, die unter Beteiligung der SWM in Norwegen errichtet wurden, ist dieses Verfahren teilweise ebenfalls zum Einsatz gekommen, insbesondere gegenüber Landeigentümern.“
Frage 5:
Welche Möglichkeiten bestehen die Weidegebiete in ihrer Funktionalität wiederherzustellen? Ist hierfür ein Rückbau des Windparks oder von Teilen des Windparks notwendig? Welche Alternativen hierzu gibt es? Werden mit den Samen hierzu Gespräche geführt?
Antwort der SWM:
„Der Windpark Roan hat in Bezug auf alle für den Bau und den Betrieb erforderlichen Grundstücke mit den Grundstückseigentümern Nutzungsverträge über deren Nutzung geschlossen. Für die Einschränkungen der Weiderechte der Sámi durch den Bau und den Betrieb des Windparks Roan auf den durch Nutzungsverträge mit den Grundeigentümern gesicherten Grundstücken setzten das zuständige Landgericht wie auch ein Berufungsgericht die hierfür geschuldete Kompensation fest (zuletzt im Umfang von umgerechnet mehreren Millionen Euro), bevor diese Entscheidungen durch den obersten Gerichtshof aufgehoben wurden.
Das norwegische Ministerium für Petroleum und Energy hat am 27.10.2021 eine Pressemeldung veröffentlicht, der zufolge das Ministerium prüft, welche Auswirkungen das Urteil auf die Windparks hat. Die Folgen des Urteils sind daher noch unklar. In seiner Pressemitteilung hat das Ministerium aber mitgeteilt, dass es keine Einschränkung des Betriebs der Windparks verfügen wird, bis eine gründliche Analyse abgeschlossen wurde. Das Ministerium hat insoweit bekannt gegeben, die Erteilung einer neuen, angepassten Genehmigung zu prüfen. Zunächst sucht die Ministerin jedoch das Gespräch mit den Repräsentanten der Sámi. Die Betreibergesellschaft des Windparks und die Sámi sind bereits in Gesprächen. Die SWM erwarten einen längeren Klärungsprozess.“
Frage 6:
Wie kann sichergestellt werden, dass bei künftigen Projekten ethische Standards und Umweltbelange eingehalten werden?
Antwort der SWM:
„Jede Genehmigung eines Windparks in Norwegen unterliegt einem umfangreichen behördlichen Genehmigungsverfahren. In jedem Genehmigungsverfahren wird eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsanalyse durchgeführt. Auch werden alle Betroffenen (Nachbarn, Sámi, Landeigentümer, Kommunen, …) angehört und involviert. Im Rahmen des Genehmi-gungsverfahrens werden alle Auswirkungen des Projektes auf Natur und Nachbarschaft berücksichtigt, bewertet und den positiven Folgen (Energiewende) gegenübergestellt. Nur die Projekte, bei denen in ihrer Gesamtheit die Vorteile grüner Stromproduktion die Einschränkungen für Natur und Nachbarschaft überwiegen, erhalten eine Genehmigung und dürfen gebaut werden. In den Genehmigungen werden darüber hinaus Auflagen und Beschränkungen (für Bau und Betrieb) erlassen, welche die vorhandenen negativen Folgen reduzieren. Als Folge des jüngsten Urteils des Obersten Gerichtshofs ist zu erwarten, dass die Behörden im Genehmigungsverfahren für Windparks, die in von Rentierhaltern genutzten Gebieten liegen, künftig den Rechten der Sámi ein deutlich größeres Gewicht zukommen lassen werden.“
Frage 7:
Wie hoch war das finanzielle Engagement der SWM in dem Windpark? Welche Verluste drohen?
Antwort der SWM:
„Ob es aufgrund des Urteils des Obersten Gerichtshofs von Norwegen zu wirtschaftlichen Auswirkungen für die SWM kommt, ist bis auf Weiteres noch unklar. Die SWM gehen derzeit davon aus, dass etwaige wirtschaftliche Konsequenzen des Urteils von der genehmigenden Behörde oder den Unternehmen zu tragen sind, die den Windpark errichtet haben.“
Ich hoffe, dass Ihre Anfrage damit als geschäftsordnungsgemäß erledigt betrachtet werden kann.