Wie geht es weiter mit den Toiletten im öffentlichen Raum?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 4.9.2020
Antwort Baureferat:
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„In den Forderungen des Behindertenbeirates der LH München zur Kommunalwahl 2020 steht als 2. Forderung: ‚Öffentliche ‚Toiletten für Alle‘ flächendeckend in München. … Bei Neu- und Umbauten in städtischen Gebäuden, MVG-Haltestellen, Grünanlagen, Straßen und Plätzen müssen ,Toiletten für Alle‘ eingeplant und eingerichtet werden. Auf muenchen.de (21.11.2019) heißt es: München erhält in den nächsten Jahren 29 neue öffentliche Toiletten im gesamten Stadtgebiet.“
Für die gewährte Fristverlängerung bedanken wir uns.
Ihre Fragen beantworten wir wie folgt:
Frage 1:
Wie sind die (städtischen) Definitionen für Toilettenanlagen, barrierefreie Toilettenanlage, Toiletten für alle und Unisex Toiletten?
Antwort:
Barrierefreie Toilettenanlagen sind Toilettenanlagen, die den Vorgaben der DIN 18040 (Norm Barrierefreies Bauen) entsprechen.
„Toiletten für Alle“ sind Toilettenanlagen, die auch für Personen mit schweren und mehrfachen Behinderungen (sog. komplexe Behinderung) geeignet sind. Sie entsprechen zusätzlich zu den Vorgaben der DIN 18040 (Norm Barrierefreies Bauen) den Vorgaben der Stiftung Leben pur (u.a. Vorgaben bezüglich Raumgröße, elektrisch höhenverstellbarer Liege, Deckenlifter). Der Zugang zur „Toilette für Alle“ ist ausschließlich für Berechtigte mit einem Euro-Schlüssel möglich, so dass zusätzlich eine Unisex-Kabine errichtet werden muss.
Unisex-Toiletten sind Toiletten, die von allen Personen, unabhängig ihrer geschlechtlichen Identität, genutzt werden können.
Die Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* führt hierzu aus: „Unisex-Toiletten sind Toiletten, die von allen Personen, unabhängig ihrer geschlechtlichen Identität, genutzt werden können. Bei Toilettenanlagen nach dem Konzept ,Toiletten für Alle‘ wird zusätzlich ein hohes Augenmerk auf Barrierefreiheit und die Nutzung für Menschen mit schweren undmehrfachen Behinderungen gelegt. In der Regel handelt es sich hierbei um einen abgeschlossenen Raum, der mit WC, Urinal, Handwaschbecken, Lifter, Liege ausgestattet ist.
Die Schaffung von ,Toiletten für Alle‘ im öffentlichen Raum wird grundsätzlich von der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* (KGL) begrüßt.
Zur Beschilderung der ,Toilette für Alle‘ werden die üblichen Piktogramme für Frauen und Männer verwendet, dies ist aus folgenden Gründen problematisch.
Die verwendete Symbolik macht Menschen anderer Geschlechtsidentität (z.B. trans*, inter*, nicht-binäre Menschen) nicht sichtbar und spricht diese nicht an.
Die von Unisex-Toiletten beabsichtigte Auflösung von Geschlechtertrennung findet durch die verwendeten Piktogramme nicht statt, sondern bewirkt das Gegenteil. Es wird aufgezeigt, dies ist eine Toilette für Frauen und Männer. Menschen weiterer geschlechtlicher Identitäten werden nicht nur nicht angesprochen, sondern durch diese Beschilderung ausgeschlossen. Dies entspricht nicht der Haltung der Landeshauptstadt München zur Gleichstellung und auch nicht der rechtlichen Situation, die durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2017 (BvR 2019/16) herbeigeführt wurde.
Eine Beschriftung mit ,WC‘ genügt aus Sicht der Koordinierungsstelle. In vielen Bereichen sind Unisex-Toiletten mit dieser Beschriftung (z.B. Bahn, Flugzeugen, kleinen Cafés, etc.) bereits gelebte Realität. Grundsätzlich sollte die Symbolik einer Unisex-Toilette aufzeigen, welche Ausstattungsmerkmale diese besitzt und nicht, von wem diese genutzt werden kann, denn dies erzeugt in der Regel Ausschlüsse.
Um ggf. Unsicherheiten zu vermeiden, kann eine solche Toilette aber auch mit ,Toilette für alle Geschlechter‘ beschriftet werden.“
Die Gleichstellungsstelle für Frauen führt hierzu aus:
„Die Gleichstellungsstelle für Frauen verweist ebenfalls auf die Stellungnahme der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* und favorisiert eine Beschilderung, die signalisiert, dass sich wirklich alle Toilettennutzenden, gleich welcher Geschlechtsidentität, angesprochen und sicher fühlen, ohne mit Informationen zu überladen und Nutzungsunsicherheiten zu erzeugen. Anregungen zu Menge, Standortwahl, Nutzungszugängen, Sicherheit u.ä. hat die Gleichstellungsstelle für Frauen bereits in früheren Stellungnahmen mitgeteilt und bittet, diese in der baulichen Umsetzung zu berücksichtigen (siehe z.B. Stellungnahme zur BV ,Toiletten im öffentlichen Raum‘).“Das Baureferat greift den Vorschlag der Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* auf und wird die Unisex-Toilettenanlagen nur mit „WC“ beschriften und Symbole anbringen, welche die Ausstattungsmerkmale darstellen.
Frage 2:
Gibt es in der Stadtverwaltung bestehende Pläne für eine flächendeckende Einrichtung der „Toilette für Alle“ im öffentlichen Raum?
Antwort:
Der Stadtrat hat mit Beschluss des Bauausschusses vom 3.12.2019 „Toiletten im öffentlichen Raum“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16785) das Baureferat beauftragt, an insgesamt 29 Standorten im öffentlichen Raum (d.h. in öffentlichen Grünanlagen und auf öffentlichen Verkehrsflächen) Toilettenanlagen zu realisieren. Für die Toilettenanlagen hat der Stadtrat folgenden Ausstattungsstandard beschlossen:
„Im Einzelnen handelt es sich dabei um eine vollautomatische Unisex-Toilette, behindertengerecht nach DIN 18040-1 (Norm Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude) mit aufklappbarem Babywickeltisch. Die Toilette ist zudem ausgestattet mit einem unterfahrbaren Waschbecken, Seifenspender, Handtrockner und Ablage, einem Urinal sowie einer Notrufeinrichtung. Die Reinigung der Toilettenkabine erfolgt nach jedem Toilettengang vollautomatisch. Dabei werden die Sitzbrille und Schüssel gereinigt, desinfiziert und getrocknet. Der Fußboden wird über ein Düsen- oder Hochdruckreinigungssystem nass gereinigt. Zudem werden zusätzlich Kontrollen und Reinigungen durch Personal vor Ort erfolgen. Dadurch ist dauerhaft ein hygienischer Betrieb für alle Nutzer*innen auch bei hoher Frequentierung gewährleistet. Der unmittelbare Außenbereich wird nachts beleuchtet sein.“
Mit dem Behindertenbeirat wurde darüber hinaus abgestimmt, dass an einzelnen Standorten eine „Toilette für Alle“ realisiert werden kann, sofern im Umfeld des geplanten Standortes eine Einrichtung für behinderte Menschen vorhanden ist und die erforderliche Fläche zur Verfügung steht. Der Behindertenbeirat, die Gleichstellungsstelle für Frauen sowie der Seniorenbeirat haben dieser Beschlussvorlage zugestimmt.
Das Referat für Arbeit und Wirtschaft führt zu den öffentlichen WC-Anlagen im ÖPNV-Bereich Folgendes aus:„Folgende WC-Anlagen im ÖPNV-Bereich sind mit einer ,Toilette für Alle‘ entsprechend den Anforderungen der Stiftung ,Leben pur‘ ausgestattet:
-Marienplatz Sperrengeschoss
-Thalkirchen
-Sendlinger Tor
-Am Harras
-Feldmoching (in Sanierung)
-Fraunhoferstraße
-Kurfürstenplatz
Eine weitere ,Toilette für Alle‘ ist im U-Bahnhof Odeonsplatz nach den Umbaumaßnahmen voraussichtlich ab 2024 vorgesehen.
Bei Neu- oder Umbau von U-Bahnstationen und anderen größeren Haltestellen des ÖPNV sind das Baureferat und die SWM GmbH beauftragt, öffentliche Toiletten vorzusehen. Inwieweit künftig ‚Toiletten für Alle‘ eingerichtet werden oder ein anderer Standard gewählt wird, wird zu gegebener Zeit mit Einbindung des Behindertenbeirats geprüft und dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt.“
Frage 3:
Falls es keine bestehenden Pläne für eine flächendeckende Einrichtung von „Toiletten für Alle“ gibt, erkennt die Stadtverwaltung die dringliche Umsetzung dieser Forderung des Behindertenbeirates an?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 2.
Frage 4:
Falls es keine Anerkennung dieser Forderung gibt, sieht die Stadtverwaltung die Notwendigkeit einer flächendeckenden Einrichtung von barriere- freien „Unisex“-Toiletten?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 2.
Frage 5:
Wird mit 29 neuen „Unisex“-Toiletten, die in den Jahren 2020-2026 gebaut werden sollen, der grundsätzliche und insgesamte Bedarf an barrierefreien Toiletten im öffentlichen Raum gedeckt?
Antwort:
Siehe Antwort zu Frage 2.
Frage 6:
Wie ist der aktuelle Sachstand im Baureferat bei der Planung und Umsetzung dieser 29 Toiletten? Wo sind diese bereits Im Einsatz? Wie können sich Bürger*innen über den Fortgang der Einrichtung der neuen Toilettenanlagen informieren?
Antwort:
Das Baureferat realisierte im Jahr 2020 bereits drei neue feste Toilettenanlagen im Hirschgarten, in den Frühlingsanlagen an der Isar und im Sendlinger Wald/Südpark.
Bei der Anlage im Hirschgarten handelt es sich um eine „Toilette für Alle“ und eine Unisex-Anlage.
Die weiteren Toilettenanlagen werden sukzessive, abhängig von den zur Verfügung stehenden Ressourcen, realisiert werden. So sind für 2021 fünf weitere Toilettenanlagen zur Realisierung vorgesehen.
Alle Toilettenanlagen werden intensiv mit den örtlichen Bezirksausschüssen abgestimmt. Realisierte Anlagen werden in den Dienstleistungsfinder auf www.muenchen.de aufgenommen. Die Inbetriebnahme fertiger Toiletten wird in der Rathausumschau veröffentlicht.
Frage 7:
Wie ist der Stand in der Stadtverwaltung bei der Umsetzung eines WC-Finders, wie im 2. Aktionsplan der UN-Behindertenrechtskonvention (München wird inklusiv) als Maßnahme 15 gefordert?
Antwort:
Da bei der Maßnahme 15 („WC-Finder“) im 2. Aktionsplan der UN-Behindertenrechtskonvention (München wird inklusiv) die Federführung beim GeodatenService München liegt, nimmt das Kommunalreferat wie folgt Stellung:
„Mit Beschluss vom 10.10.2019 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16323) hat der Stadtrat der Maßnahme ‚WC-Finder‘ zugestimmt und das Kommunalreferat mit deren Umsetzung beauftragt. Hierfür ist im Vortrag der Beschlussvorlage folgender Zeitplan enthalten:
-Stufe 1: bis Mitte 2020
Bereitstellung eines gemeinsamen Datenmodells,
Bereitstellung des Projekts in GeoInfoWeb-Stufe 2: bis Ende 2020
Befüllung des Datenmodells durch die zuständigen Dienststellen der LHM
-Stufe 3: bis Mitte 2021
Veröffentlichung über das GeoPortal München sowie das Open Data Portal der LHM,mögliche Integration in wheelmap.org
-Stufe 4: bis Ende 2021
Evaluierung mit Bürgerbeteiligung und Release mit Hilfe des GeoPortals München
Dieser Zeitplan kann nicht gehalten werden. Hierfür müssen folgende Gründe angeführt werden:
-Mit der Beschlussvorlage Nr. 14-20/V 16157 wurde ein zusätzlicher Personalbedarf von insgesamt 4,35 VZÄ für den GeodatenService München dokumentiert. Diese zusätzlichen Personalstellen sind insbesondere zur Wahrnehmung der fachlichen Aufgaben im Rahmen der
Betreuung des laufenden GeoPortals München erforderlich. Hiervon wurde mit Beschluss vom 23.10.2019 lediglich 1,0 VZÄ genehmigt. Die Finanzierung und somit die Besetzung der Stelle wurde im Rahmen des Beschlusses ,Sicherheitspaket Haushalt 2020‘ vom 13.5.2020 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 00225) noch dazu ausgesetzt. Somit stehen dem GeodatenService im Kommunalreferat keine personellen Ressourcen
für die Umsetzung der Maßnahme zur Verfügung.
-Mit Beschluss der Maßnahme für den 2. Aktionsplan der UN-Behindertenrechtskonvention vom 10.10.2019 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16323) wurden keine Sachmittel beantragt. Somit ist auch eine externe Beauftragung zur Umsetzung einer solitären Lösung nicht möglich.
Dies ist sehr bedauerlich. Das Kommunalreferat unterstützt ausdrücklich die Umsetzung des 2. Aktionsplans zur UN-Behindertenrechtskonvention und möchte hierzu auch seinen Beitrag leisten – nicht zuletzt durch die Umsetzung der Maßnahme 15 (‚WC-Finder‘). Das GeoPortal München stellt den stadtweiten Standard für raumbezogene Informationen und Anwendungslösungen für die Referate und Eigenbetriebe dar. Der dringende Bedarf eines solchen Datensatzes inkl. seiner Beauskunftung über das GeoPortal München wird als Basisaufgabe der LHM im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge erachtet. Wie überaus wichtig dies für die Zielgruppe der Maßnahme 15 ist, ergibt sich aufgrund Ihrer Rückmeldungen. Siehe dazu etwa-Anlage zur Beschlussvorlage Nr. 14-20/V 16323 (Schreiben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Landesverband Bayern e.V.) oder
-z.B. der Tweet unter https://twitter.com/wheelmap/status/1306518543148646400 des Vereins Sozialhelden e.V. Unter wheelmap.org ist ein Projekt des Sozialhelden e.V. zur Sammlung von Informationen über rollstuhlgerechte Orte eingestellt, was diese öffentlich zugänglich macht. Der GSM möchte im Rahmen der Umsetzung von Maßnahme 15 eine Kooperation mit dem Verein Sozialhelden e.V. prüfen.
Ohne die personellen wie finanziellen Voraussetzungen kann diese Aufgabe derzeit aufgrund anderer, ebenfalls essentieller Aufgaben nicht ohne Zeitverzug erledigt werden.“
Die Gleichstellungsstelle für Frauen sowie die Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTI* haben mit gezeichnet.