Umrüstung von Bussen des ÖPNV auf Elektroantrieb
Anfrage Stadtrat Manuel Pretzl (CSU-Fraktion) vom 11.12.2020
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
In Ihrer Anfrage vom 11.12.2020 führten Sie aus:
„Ein Umstieg der Mercedes- und MAN-Busse im Münchner Stadtverkehr/ ÖPNV von Diesel- auf Elektroantrieb kann mit den Umrüstungskits von e-troFIT oder möglichen gleichwertigen Alternativen zu einer erheblichen Klima- und Kosteneffizienz beitragen.“
Wir haben hierzu die Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (MVG) um Stellungnahme gebeten, die uns Folgendes mitgeteilt hat:
„Unternehmen, die Umrüstungen für Dieselbusse auf Elektroantrieb anbieten, sind uns bekannt.
Wir sind mit mehreren Anbietern in Kontakt und verfolgen die jeweiligen Aktivitäten sehr genau. Aus den nachstehenden – direkt in die jeweilige Frage eingearbeiteten – Begründungen kommen diese Umrüstungen zurzeit für uns jedoch noch nicht in Betracht.“
Zu Ihren einzelnen Fragen hat das Verkehrsunternehmen uns jeweils folgende Auskünfte erteilt:
Frage 1:
Kommt eine Umrüstung der Busse im Münchner ÖPNV aus technischer Sicht in Frage?
Antwort der MVG:
Grundsätzlich könnten aus technischer Sicht unsere bestehenden Dieselbusse umgebaut werden.
Frage 2:
Sind die Bestandsfahrzeuge für eine Umrüstung von Dieselbetrieb auf Elektroantrieb überhaupt geeignet?
Antwort der MVG:
Ja, eine Umrüstung wäre grundsätzlich technisch machbar. Grundsätzlich sind alle Dieselbusse auf Elektroantrieb umrüstbar. Die Basis ist bei allen Fahrzeugen die gleiche. Wir haben Fahrzeuge der MarkenMAN, Mercedes und Solaris. Ein Anbieter hat aktuell einen Umrüstsatz für Mercedes 12m Fahrzeuge und ein anderer Anbieter einen Umrüstsatz für einen MAN 12m Stadtbus. Beide Anbieter haben angekündigt Umrüstungen für Gelenkbusse und andere Marken anzubieten, jedoch nur dort, wo es aufwandstechnisch Sinn macht und auch eine genügende Anzahl an Fahrzeugen im Markt sind. Unsere Fahrzeuge erfüllen diese Kriterien. Somit gibt es grundsätzlich keine Einschränkungen.
Frage 3:
Welche Vor- und Nachteile hat eine Umrüstung der Busse?
Antwort der MVG:
Vorteile:
- CO²-Einsparung gegenüber der Fertigung eines Neufahrzeugs
- Kosteneinsparung gegenüber der Beschaffung eines neuen E-Busses bis zu 30%
Nachteile:
- Bis heute hat noch kein Anbieter den Prototypenstatus abgeschlossen; es gibt also noch keine serienreife Lösung und auch keine Lösung für Gelenkbusse. Die meisten unserer Fahrzeuge sind Gelenkbusse.
- Nach unseren Informationen werden die Traktionsenergiespeicher (Batterien) nur im Bauraum des Motors und Getriebe eingebaut. Hier können volumenbedingt Batterien mit einer Energiemenge von ca.180 kWh eingebaut werden. Das ergibt, je nach Witterung, eine Reichweite von 120 bis 160 km. Bei unseren aktuellen E-Bussen haben wir Energiemengen von 320 bis 460 kWh verbaut, um ansatzweise die Reichweiten zu erreichen, die wir benötigen. Die Batterien werden zusätzlich auf die Dächer der Busse aufgebaut. Das ist bei Nachrüstungen sehr aufwendig, da die Dächer nicht auf eine derartige Traglast ausgelegt sind. Die Integrität der Fahrzeugstruktur ist nicht gegeben.
Eine Verstärkung wäre zwar technisch möglich, jedoch kommt der Aufwand einer Produktion eines neuen Busses sehr nahe.
- Die Umrüstung dauert mehrere Wochen, in denen die Bestandsfahrzeuge nicht verfügbar sind. Aus betrieblichen Gründen müssten erst Neufahrzeuge beschafft werden, um parallel die Umrüstung der älteren Fahrzeuge anstoßen zu können.
Heute nutzen wir eine Überdeckung der Neubeschaffungen und der Altfahrzeuge, um größere Schienenersatzverkehre (SEV), speziell in den Sommerferien, zu bedienen.“
Frage 4:
Rechtfertigen die Kosten der Umrüst-Kits inklusive Umbau (ca. 300.000 bis 360.000 Euro pro Bestandnutzfahrzeug) den voraussichtlichen technologischen und klimatischen Nutzen?
Antwort der MVG:
Die zur Umrüstung verfügbaren Busse sind über 10 Jahre alt und haben Laufleistungen bis knapp eine Million Kilometer.
Neue Dieselfahrzeuge sind aktuell mit Förderungen des Freistaats Bayern beschafft worden und haben eine Abschreibungszeit von 10 Jahren. Deshalb denken wir zunächst nicht daran, Fahrzeuge mit einem Alter von unter 10 Jahren einem derartigen Umbau zu unterziehen. Nach 10 Jahren Einsatz ist der Buchwert der Fahrzeuge bei Null und der Marktwert bewegt sich bei ca. 10% des Anschaffungswertes. Dies wäre bilanztechnisch der ideale Zeitpunkt einen Umbau durchzuführen.
Zu den genannten Kosten kommen je nach Fahrzeugtyp 50.000 bis
150.000 Euro für die Aufbereitung der Fahrzeuge hinzu. So müssen Korrosionsschäden behoben werden und auch weitere Komponenten wie Lenkung, Fahrwerk sowie Bremsanlage für eine Nutzung von mindestens weiteren 7 Jahren aufgearbeitet werden.
Neue E-Busse kosten in etwa das Doppelte wie die Umrüstung. Neue Fahrzeuge können 12 bis 14 Jahre im Linienverkehr betrieben werden.
Einen technologischen Nutzen in diesem Sinne gibt es nicht, da die Hardwarekomponenten aus dem Fahrzeugserienbau stammen. Der ökologische Nutzen muss in Anbetracht der geringeren zu erwartenden Nutzungsdauer zumindest in Frage gestellt werden. Die hohe CO²-Belastung für die Herstellung der Batterien ist auch in diesem Fall vorhanden.
Auch beziehen sich die Umrüstsätze auf jeweils Fahrzeuge der vorherigen Generation mit großer Marktdurchdringung. Bei Mercedes fand der Fahrzeuggenerationswechsel in 2014 statt und bei MAN im Jahr 2019. Solaris hat vor 4 Jahren das neue Fahrzeug vorgestellt und angeboten. Für ganz oder relativ neue Fahrzeuge wird noch keine Umrüstung angeboten.
Frage 5:
Ab wann würden solche Umrüstungs-Kits für die Busse der LHM zur Verfügung stehen?
Antwort der MVG:
Für 12m-Solofahrzeuge stehen die Umrüst-Kits am Markt zur Verfügung; für Gelenkbusse hingegen sind noch keine Umbausätze erhältlich.
Frage 6:
Gibt es alternative, effiziente Umrüstungsmöglichkeiten bei gleicher Eignung (kosteneffizient, technologisch zuverlässig und nachhaltig)?
Antwort der MVG:
Als Nachrüstlösung ist uns keine weitere Alternative für lokal emissionsfreien Fahrbetrieb bekannt.
Zusammenfassend hat die MVG folgende Erläuterung abgegeben:
„Für die Umrüstung von Diesel- zu Elektrobussen muss erst noch belegt werden, dass sich eine akzeptable Nutzung gerade im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Reichweite ergibt. Der wesentlichste Nachteil ist zurzeit die begrenzte Reichweite durch zu wenig Bauraum für die Batterien. Die Zuverlässigkeit ist sicher noch sehr variabel, weil alle Anbieter noch in der Prototypenphase sind. Die Kosteneffizienz ist im Moment durch die hohen Zusatzkosten und die geringere, sinnvolle Nutzungsdauer nicht gegeben. Einzig die ökologische Nachhaltigkeit bleibt als Argument; da wir aber aufgrund der geringeren Reichweiten deutlich mehr Fahrzeuge benötigen würden, kann auch hier noch kein abschließendes Urteil gefällt werden.“
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.