Sollen 2021 Kinder ohne Einschulungsuntersuchungen eingeschult werden? Wann ist es geplant Einschuluntersuchungen wieder aufzunehmen?
Anfrage Stadträtinnen Sabine Bär und Alexandra Gaßmann (CSU-Fraktion) vom 25.2.2021
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Kinder, die im Schuljahr 2021/22 schulpflichtig werden sollten gemäß Gesetzeslage bereits 2020 eine Schuluntersuchung erhalten, welche aufgrund von Corona ausgefallen ist. Aktuell sind wieder Schuluntersuchungen ausgesetzt“.
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Staatlichen Schulamtes wie folgt:
Frage 1:
Werden alle Kinder vor Schulbeginn eine Schuluntersuchung erhalten?
Antwort:
Ab dem Untersuchungsjahr 2020/2021 wird im Gesundheitsreferat (GSR) der Schwerpunkt der Schuleingangsuntersuchungen auf die reformierte Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung (rSEU) gelegt. Der wesentliche Unterschied zur bisherigen Schuleingangsuntersuchung ist, dass die Kinder bereits ein Jahr früher, d.h. im vorletzten Kindergartenjahr untersucht werden. Die Umsetzung der rSEU ist seit dem 1.9.2019 (Artikel 80 BayEUG) in Bayern gesetzlich vorgeschrieben. Die Landeshauptstadt München (LHM) als größte Kommune in Bayern hat sich entschieden, diese gesetzliche Vorgabe trotz Pandemie-bedingten Einschränkungen, erschwerten Hygienebedingungen und Personalengpässen umzusetzen, was vielen anderen Gesundheitsämtern in Bayern derzeit nicht möglich ist. Das Vorgehen der LHM erfolgt in Absprache mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Das Gesundheitsreferat (GSR) lädt demnach die Familien mit Kindern, die im September 2022 schulpflichtig werden, gestaffelt zur Teilnahme an der reformierten Gesundheitsuntersuchung ein.
Aber auch die Kinder, die im September 2021 schulpflichtig werden, werden vom GSR angeschrieben und zur Teilnahme an der Gesundheitsuntersuchung eingeladen.Je nach Geburtsdatum nehmen die Kinder dann an der reformierten (Schulpflicht September 2022) oder an der modifizierten (Schulpflicht September 2021) Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung teil.
Familien, deren Kinder an der modifizierten Gesundheitsuntersuchung teilnehmen, können unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise die notwendige Bescheinigung des Gesundheitsamtes über die Schuleingangsuntersuchung auch ohne eine Untersuchung im GSR erhalten. Wesentliche Bedingung hierfür ist, dass die altersentsprechende Vorsorgeuntersuchung U9 bereits nachweislich durchgeführt wurde. Nach Vorlage von U9 und Impfpass beim GSR werden die eingereichten medizinischen Dokumente fachlich beurteilt und der Bedarf einer anschließenden Untersuchung im GSR geprüft.
Frage 2:
Wenn Schuluntersuchungen gesondert angefordert werden müssen, wie wird sichergestellt, dass die Kinder den besonderen Bedarf haben, eine Schuluntersuchung bekommen?
Antwort:
Die oben beschriebene Modifizierung der Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung für Kinder, die im September 2021 schulpflichtig werden, erfolgte, um den Schwerpunkt der Untersuchungen dieser Kinder in der aktuellen Pandemie-Situation mit der hohen Aufgabendichte im öffentlichen Gesundheitsdienst auf die Kinder und Familien mit besonderen Bedarfen legen zu können. Dazu werden die eingereichten medizinischen Dokumente beim GSR fachlich beurteilt und der Bedarf einer Untersuchung im GSR geprüft.
Wenn sich bei Prüfung der Unterlagen ergibt, dass eine gute Anbindung an das ambulante, versorgende kinderärztliche System fehlt, findet für diese Kinder die Gesundheitsuntersuchung im GSR in jedem Fall statt. Die Untersuchung findet insbesondere auch für Kinder statt, die besondere Bedarfe im Sinne der Inklusion haben oder wenn ein besonderer Bedarf aus Sicht der Eltern besteht.
Die Bedarfe für eine Untersuchung im GSR können Eltern, aber auch Kooperationspartner, wie z.B. Kindertageseinrichtungen oder Fördereinrichtungen (im Einverständnis mit den Personensorgeberechtigten) mit dem GSR im persönlichen Gespräch individuell klären.
Alle Familien mit schulpflichtigen Kindern haben vom GSR Informationsschreiben zur Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung erhalten. Darin werden die aktuellen Abläufe der Untersuchung erläutert, das Vorgehen für die Übermittlung der erforderlichen Dokumente erklärt und die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit dem GSR beschrieben. Aktuelle Informationen und Hinweise können auch auf der Homepage des GSR zur Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung nachgelesen werden: muenchen.de/seu und muenchen.de/rseu.
Das aktuelle Pandemiegeschehen wird bei den Untersuchungen berücksichtigt, die gültigen hygienischen Standards werden eingehalten.
Frage 3:
Wie soll sichergestellt werden, dass Kinder vor Schulbeginn schulreif sind?
Antwort:
Grundsätzlich hat jedes Kind in Deutschland das Recht auf Bildung in Form des Schulbesuchs, wenn es das Alter der Schulpflicht erreicht. Der Begriff „Schulreife“ ist nicht wissenschaftlich definiert und wird unter Fachleuten kaum noch verwendet, da er suggeriert, man müsse „nur“ abwarten, dass die Voraussetzungen für den erfolgreichen Schulbesuch bei einem Kind von selbst reifen. Untersuchungen zeigen, dass Umwelteinflüsse, wie z.B. die Lernmöglichkeiten in den Familien und in den Kindertageseinrichtungen sehr wichtige Bestandteile bei der Erlangung von Kompetenzen sind, die Kinder brauchen, um den Schulalltag erfolgreich zu bewältigen. Daher wird der Begriff der „Schulfähigkeit“ oder auch „Schulbereitschaft“ verwendet. Dieser bezeichnet das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, der durch vielfältige Erfahrungen und Anregungen in den ersten Lebensjahren beeinflusst wird.
Nach dem bayerischen Kultusministerium gilt ein Kind dann als schulfähig, wenn es geistig, sozial und emotional so weit entwickelt ist, dass es voraussichtlich erfolgreich am Unterricht teilnehmen kann. Die Beurteilung der Schulfähigkeit muss also pädagogisch unter Berücksichtigung der körperlichen und gesundheitlichen Voraussetzungen der Kinder erfolgen.
Die Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung dient insbesondere der Feststellung, ob das schulpflichtige Kind aus gesundheitlicher Sicht am Unterricht teilnehmen kann sowie der Erkennung von Förderbedarf, der Beratung und der Erhebung bevölkerungsbezogener Gesundheitsdaten. Die Inhalte der Schuleingangsuntersuchung betreffen schwerpunktmäßig die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes.
Frage 4:
Wie soll mit Bildungsungleichheiten welche durch Coronamaßnahmen (Kiga Schließungen, kein Vorschulunterricht etc.) erheblich verstärkt werden, in der Grundschule umgegangen werden? Welche Förderprogramme sind geplant, um Ungleichheiten entgegen zu wirken?
Antwort:
Das Staatliche Schulamt in der Landeshauptstadt München hat zu dieser Frage folgende Stellungnahme übermittelt:
„Die Grundschule ist für Kinder mit sehr unterschiedlichen Bildungshintergründen sowie Biografien der erste gemeinsame schulische Bildungsort. In passgenauem Anschluss an den Bildungsort Kindertageseinrichtung verwirklicht die Grundschule ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag, indem sie eine verlässliche Grundlage für die weitere schulische Bildung sowie für kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe schafft.
Ausgangspunkt des gemeinsamen Lernens der schulfähigen Kinder bildet das breite Spektrum an Erfahrungen, Kompetenzen und Interessen, die Kinder mit- und einbringen. Die Grundschule stärkt und fordert dabei alle ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler ganzheitlich und knüpft an sozialen Kompetenzen sowie ihren biografischen, sprachlichen, kulturellen, weltanschaulichen und religiösen Erfahrungen an.
Die Verschiedenheit der Schülerinnen und Schüler in der Grundschule sowie die unterschiedlichen Voraussetzungen, die zweifelsohne pandemiebedingt noch verstärkt wurden, sind eine Chance für das gelebte Von- und Miteinanderlernen. Der kompetenzorientierte Unterricht knüpft dabei an die Kenntnisse und Fähigkeiten an, die die Kinder beim Schuleintritt mitbringen, baut Stärken aus und ermöglicht den Ausgleich von Schwächen. Die Lehrkraft nutzt das Potenzial der heterogenen Lerngruppe, indem sie im Unterricht sowohl homogene als auch heterogene Lerngruppen in flexiblen Zusammensetzungen bildet.
Neben aller Individualisierung und Differenzierung im zeitgemäßen Regelunterricht wird durch das breite Angebot zusätzlicher Lern- und Brückenangebote in multiprofessionellen Teams versucht werden, Bildungsungleichheiten zu nivellieren.“