Umwelt- und Klimaschutz in München
Anfrage Stadtrat Manuel Pretzl (CSU-Fraktion) vom 6.11.2019
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Gerade im Umwelt- und Klimaschutz sind in München in den letzten Jahren viele Weichen gestellt und Maßnahmen eingeleitet sowie umgesetzt worden. Insbesondere im Klimaschutz ist München mit der Zielsetzung der Klimaneutralität für das Stadtgebiet und dem größten kommunalen Förderprogramm zur Elektromobilität und vielen anderen Beschlüssen Vorreiter.
Daher frage ich den Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Welche klima- und umweltschutzpolitischen Weichenstellungen und Maßnahmen wurden in der aktuellen Wahlperiode des Stadtrat eingeleitet und/ oder umgesetzt?“
Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Zunächst bedanke ich mich ausdrücklich für die großzügige Fristverlängerung und Ihr Verständnis für die Schwerpunktsetzung und Arbeitsbelastung auch des Umweltbereichs im vergangenen Jahr zur Bewältigung der Corona-Pandemie im damaligen Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU). Ihre Anfrage beantworte ich gerne wie folgt:
Das Referat für Gesundheit und Umwelt – seit 1.1.2021 das Referat für Klima- und Umweltschutz – verfolgt seit vielen Jahren konsequent den Umwelt- und Klimaschutz in München durch die Erarbeitung von Strategien und die Einleitung und Umsetzung von Maßnahmen.
Im Bereich Umweltvorsorge wurden bereits vor der letzten Wahlperiode für die Themenfelder Klimaschutz, Klimaanpassung, Biodiversität und Artenschutz wichtige Grundlagenarbeiten und Konzepte auf den Weg gebracht. Bestehende gut angenommene Programme wie das Förderprogramm Energieeinsparung (FES) oder das Handlungsprogramm Kli-
maschutz wurden in den vergangenen Jahren weitergeführt und neue Programme aufgrund der aktuellen Bedarfssituation aufgenommen (Handlungsprogramm zur Förderung der Elektromobilität).
Als wichtiger Bestandteil der Umwelt- und Klimapolitik wurde die Integration der Umweltbelange in die Bauleitplanung ausgebaut und über denVollzug der Umweltgesetze im Bereich Umweltschutz konsequent umgesetzt.
Dazu wurden in der letzten Wahlperiode die organisatorischen Strukturen im Referat verändert und an die aktuellen Bedarfe angepasst.
Einige Zahlen für die letzte Wahlperiode zum Umweltvollzug:
- 5.034 Bescheide (z.B. Bußgeldverfahren, Immissionsschutzrechtliche und abfallrechtliche Anordnungen, Genehmigungen, Untersagungen)
- 5.578 Beteiligungen an Veranstaltungen und Versammlungen
- Rund 4.700 Innenraum-Schadstoffmessungen in Schul- und Kitagebäuden
- 800 Altlastenrecherchen
- 1.845 fachliche Stellungnahmen in Baugenehmigungsverfahren, Bauleitplanverfahren, Planfeststellungsverfahren
Die CO2-Bilanz für München weist einen erfreulichen Zwischenerfolg aus. Seit 1990 reduzierten sich die Treibhausgas-Emissionen im Stadtgebiet München von 9,5 t CO2-Äquivalente pro Kopf um 38 Prozent auf 5,9 t CO2-Äquivalente pro Kopf im Jahr 2017. Damit wurde die Marke von 6 t CO2-Äquivalente pro Kopf unterschritten und es ist davon auszugehen, dass das ursprüngliche Ziel einer Reduzierung um 40 Prozent bis 2020 erreicht werden konnte. Auch die Treibhausgas-Emissionen der Stadtverwaltung reduzierten sich von 326.298 t CO2-Äquivalente im Jahr 1990 um 22,7 Prozent auf 252.401 t CO2-Äquivalente im Jahr 2017.
München hat seine Vorreiterrolle in der Klimapolitik gehalten und ausgebaut. Bereits 2017 hatte die LHM in Reaktion auf die Pariser-Klimakonferenz das Ziel der Klimaneutralität im Stadtgebiet bis 2050 beschlossen und die Erarbeitung eines entsprechenden Maßnahmenplans begonnen. 2019 folgte das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität für die Stadtverwaltung selbst.
Wegweisende Entscheidungen wurden getroffen:
- Städtische Neubauten und Sanierungen nur noch in
Niedrigstenergiestandard
- PV-Pflicht; Dachbegrünung-Pflicht
- 30 Prozent Fassadenbegrünung
- Klimaschutzprüfung bei allen relevanten Beschlussvorlagen
- Zudem rief der Stadtrat den Klimanotstand aus und zog das Zieljahr für die Klimaneutralität im Stadtgebiet von 2050 auf 2035 vor.
In Reaktion auf diese neuen Zielsetzungen wird aktuell im Laufe des Jahres 2021 ein neues Fachgutachten erstellt, um den Einflussbereich der LHM zur Zielerreichung in der veränderten klimapolitischen Lage auf Ebene der EU, des Bundes und des Freistaats abzustecken. Gleichzeitig soll bis Ende 2021 ein entsprechender Maßnahmenplan zur Erreichung der Klimaneutralen Stadtverwaltung 2030 und der Klimaneutralität im Stadtgebiet bis 2035 entwickelt und beschlossen werden. Schon jetzt investiert die Landeshauptstadt rund 80 Millionen Euro jährlich in Klimaschutzmaßnahmen, was unterstreicht, wie ernst das Thema bisher schon genommen wurde.
Auch die zweite Seite der Medaille des Klimawandels, die Klimaanpassung, wurde mit der Klimaanpassungsstrategie, die 2016 fertiggestellt wurde, gestärkt. In einer Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) entstand eine grundlegende Studie zum veränderten Klima in München, das eine Zunahme der Hitzetage und der Starkregenereignisse in den vergangenen Jahren feststellte und eine weitere Zunahme prognostizierte. In der Stadtplanung wird die Klimafunktionskarte als Grundlage eingesetzt, so dass mehr Aufmerksamkeit dem Erhalt von Grünflächen, den Frischluftschneisen und der Kühlung der Stadt gewidmet wird. München ist mit mindestens 9.000 Arten ein positiver Hotspot der Artenvielfalt. Um diese zu erhalten, entstand 2018 die Biodiversitätsstrategie, die sich auf die Grundpfeiler „Bestand erhalten“, „Natur entwickeln“ und „Naturbewusst handeln“ stützt. In 20 Handlungsfeldern sind alle städtischen Stellen aufgefordert, die Strategie umzusetzen, um die Artenvielfalt in München zu erhalten und in Wechselwirkung mit der Klimaanpassungsstrategie das Stadtbild Münchens nachhaltig zu gestalten.
Die Luft in München ist gut. Dort wo sich die Menschen dauerhaft aufhalten, werden die gesetzlichen Grenzwerte großteils eingehalten. Mit der Installation eines eigenen NO2-Messnetzes konnte mehr Sachlichkeit in die 2017 aufgeflammte öffentliche Debatte um die Luftreinhaltung gebracht und aufgrund der klaren Faktenlage viele Ängste und Sorgen der Menschen entkräftet werden. Der 2017 erstellte Masterplan Luftreinhaltung zeigt in Kombination mit den Fahrzeugnachrüstungen Wirkung, die Tendenz der NO2-Werte ist kontinuierlich rückläufig. Nur noch an stark verkehrsbelasteten Streckenabschnitten kann der gesetzliche NO2-Jahresgrenzwert nicht eingehalten werden. Das Landesamt für Umwelt prognostiziert die Einhaltung bis 2026 selbst an der kritischsten Stelle an der Landshuter Allee. Die Grenzwerte für Feinstaub werden seit 2012 eingehalten.Der Nachhaltigkeitsgedanke wurde in der Stadtverwaltung verankert. 2016 hat der Stadtrat mit einer Resolution die SDG`s (Sustainable Development Goals) anerkannt. 2018 folgte der Start zur Entwicklung einer BNE-Konzeption (Bildung für Nachhaltige Entwicklung) gemeinsam mit dem Referat für Bildung und Sport. Ziel ist es dabei insbesondere, den Fokus auf zielgruppengerechte Angebote für Kinder und Jugendliche zu legen. In diesem Sinne hat das RGU – jetzt RKU – bereits den Würmlehrpfad entwickelt. Die Deutsche UNESCO Kommission (DUK) und das Bundes-
ministerium für Bildung und Forschung haben 2019 die Landeshauptstadt München für ihre herausragende Arbeit im Bereich der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung – BNE ausgezeichnet.
Die einzelnen Beschlussfassungen der letzten Jahre im Überblick:
- 2015: Beschluss Klimaschutzprogramm 2015-18 (Budget rund 100 Millionen Euro, 87 Maßnahmen, dauerhafte CO2-Einsparung rund 1,3 Millionen t CO2)
- 2015: Beschluss des Integrierten Handlungsprogramms zur Förderung der Elektromobilität in München (IHFEM); größtes kommunales Handlungsprogramm in Deutschland mit Finanzvolumen von 65 Millionen Euro (2015-21)
- 2016: Beschluss der Klimaanpassungsstrategie der LHM
- 2016: Beschluss Resolution zu SDG`s (Sustainable Development Goals) -2016: Beschluss zur Beschaffung von bio-regionalen Lebensmitteln -2017: Zentraler Beschluss zur Luftreinhaltung (u.a. Erhöhung des Anteils der emissionsfreien Wege in München bis 2025 auf 80% (Fuß, Rad, ÖPNV, E-Mobilität); Elektrifizierung der MVG-Busflotte bis 2030) -2017: Fachgutachten des Ökoinstituts und Beschlussfassung Klimaneutralität im Stadtgebiet bis 2050, damit eine der ersten Kommunen mit diesem Ziel
- 2017: Beschluss Klimaschutzaktionsplan -> Klimakampagne „München Cool City“
- 2018: Beschluss der Biodiversitätsstrategie der LHM
- 2018: Erarbeitung und Beschluss des Masterplans Luftreinhaltung
- 2018: Bildung für Nachhaltige Entwicklung – Auftrag zur Entwicklung einer BNE-Konzeption gemeinsam mit dem Referat für Bildung und Sport -2018: Beschluss Klimaschutzprogramm 2019-21 (Budget rund 100 Millionen Euro, 100 Maßnahmen, dauerhafte CO2-Einsparung rund 1,3 Millionen t CO2)
- 2019: Beschlussfassung Klimaneutrale Stadtverwaltung bereits 2030, damit eine der ersten Kommunen mit diesem Ziel. Zusätzlich vom Stadtrat beschlossen: Ausrufung des Klimanotstands und Vorziehen des Ziels der Klimaneutralität für das Stadtgebiet von 2050 auf 2035-2020: Beschluss neues Fachgutachten, um den Einflussbereich der LHM zu erkennen und einen Maßnahmenplan zur klimaneutralen Stadtverwaltung 2030 und Klimaneutralität im Stadtgebiet bis 2035 zu entwickeln.
- Aktuell investiert die LHM rund 80 Millionen Euro jährlich in den Klimaschutz.
Ein weiterer wichtiger Baustein für den Klimaschutz ist der stringente Vollzug der einschlägigen Umweltgesetze zur Begrenzung der Schadstoffemissionen der großen Industrieanlagen, aber auch kleinerer Betriebe, wie z.B. Feuerungsanlagen, Motorenprüfstände und Lackieranlagen sowie zur Gewährleistung einer zeitgemäßen Abfallwirtschaft. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Baustoffrecycling zu nennen. Bei Abbrüchen erzeugte mineralische Bau- und Abbruchabfälle sollen möglichst am Anfallort als Sekundärrohstoffe wiederverwertet werden. Dies dient insbesondere durch die Einsparung von Transporten über teilweise weite Distanzen und Vermeidung der mit der Gewinnung von Primärrohstoffen sowie der Entsorgung der Altmaterialien verbundenen Umweltbelastungen der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz und entfaltet daher erhebliche Klimawirkung. Soweit sich Abfälle derzeit noch nicht vermeiden lassen, müssen diese gemäß Art. 1 des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes unter Beachtung der Ziele des Klimaschutzes und der Luftreinhaltung entsorgt werden. Dies bedeutet insbesondere, anstatt sie vermischt zu verbrennen, sie bereits am Anfallort vorzusortieren, getrennt zu erfassen und einem hochwertigen stofflichen Recycling zuzuführen. Das ist jedoch kein „Selbstläufer“, sondern erfordert einen konsequenten Vollzug der Bundes- und Landesabfallgesetze durch das RKU als Untere Abfallrechtsbehörde. Der Bogen spannt sich dabei von den einschlägigen Rücknahme- und Pfandpflichten sowie der Gewerbeabfallverordnung flankiert durch eine gute Entsorgungsberatung aller Akteure über die Überwachung von Transport, Vermitteln, Makeln und Handeln von Abfällen bis hin zur Genehmigung und Überwachung von Abfallentsorgungsanlagen bzw. Stilllegung und Beseitigung illegaler Anlagen.
Ausblick
Als folgerichtiger Schritt zur Stärkung der Umweltthemen in der gesamten Stadtverwaltung wurde zum 1.1.2021 ein eigenständiges Referat für Klima- und Umweltschutz gegründet. Ein eigenes Referat wird der Bedeutung der Umweltthemen gerecht und verschafft ihnen die letztendlich auch politisch notwendige Schlagkraft, um die aufgesetzten Strategien erfolgreich im Zusammenspiel mit allen beteiligten Stellen der Stadtverwaltung umzusetzen.Ziel der strategischen Neuausrichtung ist es, der Herausforderung des Klimawandels durch ambitioniertes Engagement im Klimaschutz und nachhaltige Klimaanpassung zu begegnen. Auch gilt es, den flächenhaften Naturschutz und die Biodiversitätsstrategie zu stärken. Dafür werden aktuell die stadtinternen Prozesse analysiert und ein Optimierungsvorschlag erarbeitet. Zudem laufen die stadtinternen Prozesse zur Erstellung eines Handlungsplans zur Erreichung der Klimaneutralität im Stadtgebiet 2035 und zur Fortschreibung der Klimaanpassungsstrategie.
Wegen der unzureichenden Personalausstattung der Hauptabteilung Umweltschutz können hingegen die Chancen, die ein stringenter Vollzug der Umweltgesetze für ein Mehr an Klima- und Ressourcenschutz bietet, derzeit leider nicht in vollem Umfang genutzt werden.
Ich darf Sie um Kenntnisnahme dieser Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass diese Angelegenheit damit erledigt ist.