Internet per Speedboxen für Münchens Schulen – ein teures Provisorium
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 1.3.2021
Antwort IT-Referent Thomas Bönig:
In Ihrer Anfrage haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt: „In der Sitzung des IT-Ausschusses am 11.2.2021 fiel von einem Mitglied der SPD-Fraktion die Aussage, es wären in der Pandemie-Zeit bereits 10.000 Endgeräte für Münchner Schüler ausgegeben worden, das könne ‚sich sehen lassen‘.
10.000 Geräte klingt im ersten Moment viel – bedenkt man aber, dass der zuständigen LHM-S dafür circa 300 Vollzeit-Mitarbeiter zur Verfügung stehen und es um einen Arbeitszeitraum von zehn Monaten geht, relativiert sich diese Leistung doch sehr.
Rechnet man dazu noch Betriebskosten von 70 Millionen Euro dagegen, die die LHM-S für die Umsetzung bekommen hat, kommt man auf Stückkosten von 7.000 Euro pro Gerät (ohne die eigentlichen Anschaffungskosten).
Dazu wären, so der SPD-Stadtrat weiter, für etliche Schulen jetzt mobile WLAN Hotspots, sog. Speedboxen, angeschafft worden, um digitalen Unterricht zu ermöglichen. Die Speedboxen haben – je nach Beschaffenheit des Gebäudes – eine Reichweite von nur wenigen Räumen, sind also für eine flächendeckende Ausleuchtung großer Gebäude wie z.B. Schulen, kaum geeignet. Außerdem sind sie sehr viel teurer als glasfasergebundenes WLAN oder LAN.“
Zu Ihren Fragen ist vorab anzuführen, dass sich die Anzahl der in der Anfrage genannten Endgeräte nur auf die Leihgeräte für Schüler*innen bezieht, die zuhause keinen Zugang zu einer adäquaten IT-Ausstattung haben. Diese Endgeräte isoliert in Relation mit den Betriebskosten der LHM Services GmbH zu setzen, ignoriert die gesamte Hard- und Software-Ausstattung der Münchner Bildungseinrichtungen (Arbeitsplatzcomputer, schulische Tablets und Notebooks, Interaktive Whiteboards (IWB), Digitale Schwarze Bretter (DSB), Digitalkameras, Drucker, Monitore, Beamer, Webcams, Eingabegeräte, Lautsprechersysteme, Scanner, etc. und über 400 Anwendungssoftwareprodukte) sowie den gesamten IT-Support (100.000 Serviceanfragen und Störungen, Windows-10-Umstellung von 32.000 Rechnern, Ersatzbeschaffungen, etc.).Insgesamt ist die Anzahl der betreuten Endgeräte (Arbeitsplatzrechner, Notebooks und Tablets) seit Verantwortungsübernahme durch die LHM Services GmbH von etwa 40.000 Endgeräten um 50 Prozent auf etwa 60.000 Endgeräte gestiegen.
Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Ihnen in Abstimmung mit dem RBS und der LHM Services GmbH Folgendes mitteilen:
Frage 1:
An wie viele und welche Schulen wurden Tablets oder andere Endgeräte ausgegeben? Wer entscheidet über die Verteilung an die einzelnen Schüler und nach welchen Kriterien erfolgt dies?
Antwort RBS:
An den Allgemeinbildenden und den Beruflichen Schulen sind durch das Referat für Bildung und Sport mehrere Abfragen zur Ermittlung des Bedarfs an mobilen Endgeräten für Schüler*innen, die zu Hause über kein geeignetes Endgerät verfügen, erfolgt. Das Referat für Bildung und Sport hat Richtlinien erstellt, anhand derer sich die Schulleitungen bei der Bedarfsermittlung vor Ort orientieren konnten. Die Entscheidung, welche Schüler*innen ein mobiles Endgerät erhalten sollen, obliegt der Schulleitung unter Berücksichtigung der sozialen Situation der Schüler*innen. Zunächst konnten alle bzw. im Bereich der Beruflichen Schulen ein großer Teil der gemeldeten Bedarfe gedeckt werden. Das RBS und die LHM Services GmbH haben 8.220 Tablets – davon 4.220 mit SIM-Karten – in drei Tranchen bereitgestellt. Der fortschreitende Ausbau des digitalen Distanzunterrichts hat jedoch zu einem weiteren Bedarf an digitalen Endgeräten bei Kindern und Jugendlichen geführt. In vielen Haushalten sind zwar mobile Endgeräte oder ein PC vorhanden. Bedingt durch das Homeoffice der Eltern und gegebenenfalls mehrerer schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher in den Familien können jedoch nicht alle Familienmitglieder auf ein Gerät zugreifen. Im Bereich der Allgemeinbildenden Schulen wurde daher ab der zweiten Tranche bei der Zuteilung der Geräte auch berücksichtigt, in welchem Sozialindexquintil sich die Schule befindet. Schulen in den oberen Quintilen wurden verstärkt bedacht. Im Bereich der Beruflichen Schulen wurden mittels der zweiten und dritten Tranche die bis dahin gemeldeten Bedarfe gedeckt. Ausgehend von den sich abzeichnenden weiteren Schulschließungen Ende 2020 wurden erneut die Bedarfe an den Schulen abgefragt. Mitte Februar 2021 erfolgte die Freigabe zur Beschaffung von weiteren 8.372 Leihgeräten.Ziel ist es, mit der Auslieferung dieser vierten Tranche wieder alle Bedarfe, die dem Referat für Bildung und Sport bis zu einem Stichtag gemeldet wurden, zu befriedigen. Aufgrund von herstellerbedingten Lieferengpässen steht die Auslieferung der Leihgeräte der vierten Tranche noch bevor.
Frage 2:
Wie viele sog. Speedboxen wurden angeschafft und wann wurden sie ausgeliefert? An welche Schulen und nach welchen Kriterien erfolgte die Verteilung? Wie wird der Abdeckungsgrad bei der Versorgung innerhalb der Schulen sein?
Antwort LHM-S:
Gemäß Beschluss des Stadtrates vom 16. Dezember 2020 sollen insgesamt 2.000 LTE-Router an den Münchner Schulen ausgerollt werden („Pop-Up-WLAN“-Lösung). Am 22. Januar 2021 startete die Pilotierung mit ca. 45 LTE-Routern an neun Bildungseinrichtungen. Seit Abschuss der Pilotphase am 26. Februar 2021 erfolgt der Flächenrollout – 10 Wochen nach Beschlussfassung durch den Stadtrat. Der Rollout wird zur Risikominimierung (Performance im Echtbetrieb, Auslastung von Funkzellen, etc.) in zwei Wellen umgesetzt. Zunächst wurden, mit Stand 29.3.2021 bereits die ersten 1.000 LTE-Router an möglichst allen Schulen, die nicht bereits über eine pädagogische WLAN-Ausleuchtung verfügen, ausgerollt. Mit der zweiten Rolloutphase wird umgehend nach Auswertung der ersten Nutzerfeedbacks begonnen. Die Bestellung der weiteren 1.000 LTE-Router ist bereits erfolgt. Ausgenommen von diesem Vorgehen sind sehr kleine Standorte und Standorte ohne Glasfaseranschluss. Diese bekommen in der ersten Welle alle vorgesehenen Router zugestellt.
Die Anzahl der Router pro Schule richtet sich nach der Größe der Einrichtung. Die Verteilung wurde zwischen dem RBS und der LHM Services GmbH abgestimmt. Für die Allgemeinbildenden Schulen ergibt sich ein rechnerischer Schlüssel von einem Router pro 2,5 Schulklassen. Für den Geschäftsbereich Berufliche Schulen wurde die Verteilung individuell festgelegt. Gemäß dem Stadtratsbeschluss vom Dezember 2020 ist explizit keine Vollausleuchtung vorgesehen. Die Geräte sind dafür geeignet, bedarfsgerecht und mobil im Gebäude eingesetzt zu werden und stehen dafür nach dem Einschalten in einem Zeitraum von 1 bis 2 Minuten bereit.
Frage 3:
Wie fallen die Anschaffungs- und die laufenden Kosten der Speedbox-Lösung im Vergleich zu einer am Glasfaserkabel hängenden LAN- oder WLAN-Lösung (Kosten für Geräte, SIM-Karten, Verträge etc.) aus?
Antwort LHM-S:
Die kurzfristigen Unterstützungsmaßnahmen (mobile WLAN-Ausleuchtung) zielen auf eine schnelle und mobile WLAN-Versorgung mit dem Hauptzweck, die Lehrkräfte in einem sehr einfachen Zugangsverfahren an das Internet anzubinden. Wichtige Argumente bei der Auswahl der LTE-Router waren eine gute Qualität der Endgeräte für den mobilen Einsatz, ein integrierter Jugendschutzfilter und die Möglichkeit zum Eigenbetrieb durch die LHM Services GmbH für den optimalen Service. Die langfristigen Ausstattungsmaßnahmen (flächendeckende Ausleuchtung mit pädagogischem WLAN inklusive passiver und aktiver Netzwerkinfrastruktur) zielen auf eine möglichst vollständige Ausleuchtung der Einrichtungen und die Nutzung von Internetzugang und dem Zugang zu pädagogischen Anwendungen. Die Kostenplanung für die fest-installierte WLAN-Lösung sind in der Beschlussvorlage „Digitale Bildungsinfrastruktur an Münchner Bildungseinrichtungen“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16638) und „Digitale Bildungsinfrastruktur an Münchner Bildungseinrichtungen – Anmeldung der Mittel 2021 ff.“ Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 00531) abgebildet.
Durch die Beschlussvorlage „Digitale Unterstützung der Münchner Schulen in Corona-Zeiten“ (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 02088) hat der Stadtrat zudem ein Bündel an kurzfristigen IT-Maßnahmen beschlossen (u.a. „Pop-Up-WLAN“ als Übergangslösung), mit dem Ziel, den Schulen kurzfristig und unmittelbar in der Pandemie-Zeit zu helfen. Die Kostenplanung für die WLAN-Zwischenlösungen ist in der Beschlussvorlage abgebildet. Die WLAN-Übergangslösung hat aber nicht den Anspruch einer vollumfänglichen pädagogischen WLAN-Lösung. Sie ersetzt nicht den bedarfsgerechten Ausbau einer professionellen WLAN-Infrastruktur, die parallel zum Rollout der mobilen WLAN-Zwischenlösung vorangetrieben wird.
Während für die fest-installierte WLAN-Ausleuchtung bauliche Vorleistungen durch das Baureferat, konkret die gebäudetechnische Ertüchtigung der Verkabelung und die Montage von Datendosen notwendig ist, steht die Router-basierte „Pop-Up-WLAN-Lösung“ binnen weniger Wochen zur Verfügung. Aus Sicht des RBS und der LHM Services GmbH sind vor diesem Hintergrund die Kosten, die durch die WLAN-Übergangslösung anfallen, unerlässlich, um die Schulen akut unterstützen zu können. In Bezug auf die Nachhaltigkeit der mobilen WLAN-Lösung können die eingesetzten LTE-Router mindestens fünf Jahre flexibel eingesetzt werden. Wird eine Einrichtung, die übergangsweise mit „Pop-Up WLAN“ versorgt ist, mit einer WLAN-Festinstallation ausgestattet, können die LTE-Router an anderen Standorten zur Erweiterung eingesetzt werden. Damit ist sichergestellt, dass auch Standorte, die z.B. wegen erheblicher baulicher Vorarbeiten erst bis 2025 von einer WLAN-Vollausleuchtung profitieren würden, in der Interimsphase bereits über eine breitere WLAN-Grundversorgung verfügen.