Drogen-TÜV aus Steuergeldern
Antrag Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 16.12.2021
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Sie beantragen die Prüfung und Entwicklung eines Konzepts zur Umsetzung eines Drug-Checking-Programms. Dieses soll kurzfristig und schnellstmöglich starten und umgesetzt werden, sobald die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind. Als ideales Projekt wird das Drug-Checking-Projekt in Thüringen in Betracht gezogen.
Zu Ihrem Antrag vom 16.12.2021 teilen wir Ihnen, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Folgendes mit:
Neben den mit Drogenkonsum einhergehenden unmittelbaren Gesund-
heitsrisiken sind Verunreinigungen und Streckmittel in den konsumierten Substanzen, unbekannte Inhaltsstoffe sowie schwankende Wirkstoffgehalte in hohem Maße für drogenbedingte Gesundheitsschäden und Todesfälle verantwortlich. Für Drogenkonsument*innen ist es in der Regel nicht möglich zu erkennen, welche Wirkstoffe in welcher Dosierung in den auf dem Schwarzmarkt erworbenen Drogen enthalten sind.
Drug-Checking ermöglicht es, diesen Risiken entgegenzuwirken. Im Rahmen von Drug-Checking-Programmen können Drogenkonsument*innen zuvor erworbene Substanzen einer chemischen Analyse unterziehen lassen. Dadurch ist es möglich, Gesundheitsrisiken, die mit dem Konsum dieser Drogen verbunden sind, besser einschätzen zu können. Drug-Checking ist deshalb geeignet, Gesundheitsschäden und die Zahl der an illegalen Drogen verstorbenen Menschen zu verringern. Drug-Checking ist in mehreren europäischen Ländern etabliert, wie etwa in Frankreich, Spanien und Österreich sowie der Schweiz und den Niederlanden.
In Deutschland gibt es ein Drug-Checking-Programm bislang nur in Thüringen. In Berlin soll nach Angaben der dortigen Senatsverwaltung für Gesundheit im Sommer 2022 mit Drug-Checking begonnen werden. Darüber hinaus gibt es keine weiteren entsprechenden Angebote, da die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit eines solchen Angebots nicht eindeutig zu beantworten ist. Das Betäubungsmittelgesetz enthält keine ausdrückliche Regelung für Drug-Checking. Verbindliche Aussagen über die rechtliche Zulässigkeit von Drug-Checking lassen sich daher nicht treffen.Zwar kommen neuere juristische Einschätzungen1 zu dem Ergebnis, dass Drug-Checking unter bestimmten Bedingungen rechtlich zulässig sein kann, jedoch bleibt eine erhebliche Rechtsunsicherheit bestehen. Strafrechtliche Folgen für Mitarbeiter*innen und Nutzer*innen von Drug-Checking-Programmen können nicht ausgeschlossen werden. Um in München ein entsprechendes Angebot einzurichten, bedarf es deshalb klarer gesetzlicher Regelungen, um die Beteiligten davor zu bewahren, sich strafbar zu machen.
In Falle des Thüringer Drug-Checking-Programms wird der rechtlichen Unsicherheit dadurch begegnet, dass die ersten Schritte des Testverfahrens durch die Nutzer*innen selbst durchgeführt werden. Die so vorbereitete Probe stellt nach Auffassung des Betreibers kein Betäubungsmittel mehr dar, wodurch die anschließende Laboruntersuchung rechtlich unbedenklich sei. Zudem konnte mit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden eine Vereinbarung getroffen werden, dass in der unmittelbaren Umgebung der Drug-Checking-Einrichtung von einer Strafverfolgung der Nutzer*innen wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln abgesehen wird.
In Berlin wird auf Grundlage eines durch den Berliner Senat in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens davon ausgegangen, dass Drug-Checking mit den bestehenden betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Diese Einschätzung wird von den Senatsverwaltungen für Gesundheit, für Inneres und Justiz sowie der Polizei und der Staatsanwaltschaft geteilt. Durch eine Vereinbarung zwischen den Behörden wird unter anderem sichergestellt, dass Nutzer*innen des Testangebots keine Strafverfolgung zu befürchten haben.
Ein solches Vorgehen ist nur mit Unterstützung der jeweiligen Landesregierung durchführbar. Die Bayerische Staatsregierung hat sich jedoch wiederholt gegen Drug-Checking ausgesprochen.
In der Vergangenheit gab es immer wieder politische Initiativen zur Herstellung von Rechtssicherheit für Drug-Checking, bislang jedoch ohne Erfolg. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben im Dezember 2021 in ihrem Koalitionsvertrag erklärt, Drug-Checking ermöglichen und ausbauen zu wollen. Nach Einschätzung des Gesundheitsreferats der Landeshauptstadt München kann davon ausgegangen werden, dass die Bundesregierung in den nächsten Jahren Gesetzesvorhaben zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes einbringt und der Deutsche Bundestag die gesetzliche Grundlage für Drug-Checking schaffen wird. Das Gesundheitsreferat wird dieweitere Entwicklung verfolgen und schnellstmöglich die Schaffung eines Drug-Checking-Programms in München prüfen, sobald Rechtssicherheit für ein solches Vorhaben besteht.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1Vgl. Nestler: Zulässigkeit und rechtliche Rahmenbedingungen von Drug-Checking unter dem Betäubungsmittelgesetz; in: Tögel-Lins u.a. (Hrsg.): Checking Drug-Checking, 2019