Auswirkungen der Aufhebung des § 219a StGB für München darstellen
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Barbara Likus, Lena Odell, Klaus Peter Rupp, Julia Schmitt-Thiel, Julia Schönfeld-Knor, Christian Vorländer, Micky Wenngatz (SPD/Volt-Fraktion) und Dr. Hannah Gerstenkorn, Nimet Gökmenoglu, Judith Greif, Anna Hanusch, Sofie Langmeier, Thomas Niederbühl, Angelika Pilz-Strasser (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 4.2.2022
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Das Bundesjustizministerium hat am 15.1.2022 seinen Referentenent- wurf zur Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschafts- abbruch (§ 219a StGB) veröffentlicht. Betroffene Frauen sollen sich zukünf- tig besser über den medizinischen Eingriff und Ablauf informieren können. Ärztinnen und Ärzte erhalten damit eine Rechtssicherheit, sodass sie keine Strafverfolgung mehr zu befürchten haben. (…) Es ist darzulegen, welche Auswirkungen die Aufhebung für die Stadt München hat.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Zunächst bedanke ich mich für die Fristverlängerung. Um die Auswirkungen der Streichung des § 219a StGB in München darstellen zu können, hat das GSR die medizinischen Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche in München anbieten, und die staatlich anerkannten Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen befragt. Die in Ihrer Anfrage aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung deren Stellungnahmen wie folgt:
Frage 1:
Welche Auswirkungen hat die angekündigte Streichung des Paragrafen 219a StGB in der LHM?
Antwort:
Der § 219a StGB umfasst das Werbeverbot für den Abbruch einer Schwangerschaft. Durch ihn wird geregelt, dass nicht des „Vermögensvorteils wegen“ geworben werden darf.
Seit einer Reform im Jahr 2019 können Ärzt*innen öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, z.B. im Internet. Weitergehende Information sind nicht zulässig. Falls Ärzt*innen sich die-sem Verbot widersetzen, müssen sie mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Dieses Verbot betrifft sowohl sachliche Informationen über Methoden des Schwangerschaftsabbruchs, wie auch die Information darüber, welche Methoden die jeweilige Praxis selbst anbietet. Neben der Einschränkung des Zugangs auf sachgerechte Informationen wird dadurch, laut dem Bundesjustizministerium, die freie Arztwahl behindert und auch das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung der Frau verletzt.
Ärzt*innen und Kliniken, welche Schwangerschaftsabbrüche durchführen, können sich seit 2019 freiwillig auf eine öffentlich zugängliche Liste der Bundesärztekammer setzen lassen. Für München sind dort jedoch nur vier Ärzt*innen gelistet. Der Grund dafür könnte die Angst vor Stigmatisierung oder vor Anti-Choice Demonstrationen sein.
Durch die durch den Deutschen Bundestag inzwischen beschlossene
Streichung des § 219a StGB werden Ärzt*innen keine Strafanzeigen mehr befürchten müssen, wenn sie darüber informieren, nach welchen Indikationen, bis zu welcher Schwangerschaftswoche und mit welcher Methode sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sowie wann die OP-Tage stattfinden. Ziel ist es, die Informationslage für betroffene Frauen zu verbessern. Zudem sollen mit der Streichung auch alle strafgerichtlichen Urteile wegen § 219a StGB, die nach dem 3.10.1990 ergangen sind, aufgehoben und die laufenden Verfahren eingestellt werden.
Das Gesundheitsreferat (GSR) hat vom 21.3.2022 bis 8.4.2022 eine Umfrage zur Versorgungssituation mit Schwangerschaftsabbrüchen in München durchgeführt. Befragt wurden Ärzt*innen mit einer Erlaubnis nach dem Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz (BaySchwHEG), Schwangerschaftsabbrüche in München durchzuführen, sowie Kliniken und Schwangerschaftsberatungsstellen. Zwei der 18 Ärzt*innen und vier Kliniken sowie zwei der fünf Beratungsstellen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, beabsichtigen bei einer Streichung des § 219a StGB, Frauen anders zu informieren. Die anderen Ärzt*innen und Kliniken beabsichtigen nicht, in einer anderen Weise als bisher über Schwangerschaftsabbruch aufzuklären.
Behörden und Beratungsstellen durften bereits vor Streichung des §219a StGB straffrei über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales bieten beispielsweise onlinebereits ausführliche Auskünfte für betroffene Frauen an. Auch die Landeshauptstadt München informiert auf ihrer Internetseite über die Schwangerschaftskonfliktberatung und stellt Links zur weiteren Auskunft zur Verfügung (https://stadt.muenchen.de/infos/schwangerschaft_geburt.html#11).
Frage2:
Welche veränderten Angebote zur Aufklärung und Information können ab Zeitpunkt des Inkrafttretens der Streichung kommunal angeboten werden? Gibt es hier bereits konkrete Pläne?
Antwort:
Das GSR plant im Zuge der Reform des Bundes bis Ende des Jahres 2022, die Informationsseite zum Schwangerschaftsabbruch auf http://www.muenchen.de neu aufzubauen und zu aktualisieren. Das GSR wird barrierefreie Informationen in leichter Sprache zur Verfügung stellen, die auf den Münchner Raum zugeschnitten sind. Neben den Kontaktdaten für staatlich anerkannte Beratungsstellen in München soll über den Rechtsrahmen aufgeklärt und über die Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs informiert werden.
Das Antwortschreiben ist mit der Gleichstellungsstelle für Frauen abgestimmt, die ergänzend wie folgt Stellung nimmt: „Bisher wurden durch den § 219a wesentliche Grundrechte verletzt (z.B. Recht auf Informationsfreiheit von betroffenen Frauen, Recht auf Berufs- und Meinungsfreiheit von Ärzt*innen). Durch die Aufhebung des § 219a wird diesen Grundrechten Rechnung getragen und Rechtssicherheit hergestellt. Wir sehen den dringenden Bedarf nach zeitgemäßer, leicht zugänglicher, zuverlässiger, sachlicher und vollumfänglicher Information und begrüßen, dass sich das GSR selbst diesem Thema widmen und seine digitale Informationsseite neu aufbauen möchte. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung Versorgungssicherheit, jedoch ist diese damit noch längst nicht erreicht.“
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.