Gerecht vorankommen: Gender Planning in der Münchner Verkehrswende!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Nikolaus Gradl, Roland Hefter, Dr. Julia Schmitt-Thiel, Andreas Schuster, Felix Sproll, Micky Wenngatz (SPD/Volt-Fraktion) und Paul Bickelbacher, Mona Fuchs, Sofie Langmeier, Gudrun Lux, Florian Schönemann, Christian Smolka, Sibylle Stöhr (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 29.1.2021
Antwort Mobilitätsreferent Georg Dunkel:
Am 29.1.2021 haben Sie den oben genannten Antrag gestellt, in dem Sie fordern, das Thema Gender Planning im neuen Mobilitätsreferat in den Fokus zu stellen und baldmöglichst ein Hearing zu Gender Planning im Mobilitätsausschuss durchzuführen.
Ich erlaube mir, Ihren Antrag anstelle einer Stadtratsvorlage als Brief zu beantworten. Die verspätete Vorlage bitte ich zu entschuldigen. Zu Ihrem Antrag vom 29.1.2021 teile ich Ihnen Folgendes mit:
Die Landeshauptstadt München hat bereits 1998 in der Gleichstellungssatzung das Gender Mainstreaming als Strategie in der Gleichstellungspolitik verbindlich geregelt. Seither wird durch die Verwaltung für alle Maßnahmen oder Regelungen grundsätzlich überprüft, welche Auswirkungen für die Lebenswirklichkeit von Frauen, Männern und nicht binären Personen zu erwarten sind. Dadurch soll die Gleichstellung aller Geschlechter in allen Handlungsfeldern und Sachgebieten sichergestellt werden. Darüber hinaus verpflichtet sich die Landeshauptstadt München mit dem Gender Budgeting dazu, ihren Haushalt gleichstellungsorientiert zu steuern. Diese Strategie wird auch vom Mobilitätsreferat verfolgt.
Auch durch die Besetzung der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten im Mobilitätsreferat am 9.7.2021 wird sichergestellt, dass mobilitätsbezogene Schwerpunkte und Maßnahmen für den Münchner Aktionsplan zur Gleichstellung von Frauen* und Männern* durch das Mobilitätsreferat erarbeitet und festgelegt werden. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird anschlie-ßend gemeinsam mit der Gleichstellungsstelle für Frauen betreut.
Die Verpflichtung des Mobilitätsreferats zur Gestaltung eines nachhaltigen Mobilitätssystems für alle Zielgruppen ist zudem bereits im Beschluss „Mobilitätsstrategie 2035 – Entwurf einer neuen Gesamtstrategie fürMobilität und Verkehr in München“ vom 23.6.2021, Vorlagen Nr. 20-26 V/03507 konkretisiert. Als Zielsetzung wird „eine am Menschen orientierte Mobilität in einer am Menschen orientierten Stadt“ verfolgt, welche dem Öffentlichen Verkehr eine herausgehobene Bedeutung zuschreibt und eine integrierte Mobilität für ein Leben ohne eigenes Auto ermöglichen möchte. Somit wird der Forderung nach einer verstärkten Berücksichtigung des Umweltverbundes entsprochen. In 19 Teilstrategien, etwa für den Öffentlichen Nahverkehr, Fußverkehr, geteilte Mobilität und Mobilität als Service, aber auch für soziale Gerechtigkeit und Beteiligungsmöglichkeiten, wurden auf dieser Basis Handlungsfelder für die künftige Verkehrsplanung definiert. In der Teilstrategie „Soziale Gerechtigkeit, Partizipation und Inklusion“ sind bereits explizit die Aspekte einer geschlechtergerechten Mobilität bezüglich männlicher, weiblicher und non-binärer Bedarfe sowie deren Nutzungsmuster und Nutzungschancen berücksichtigt. Zusätzlich sollen auch Zielsetzungen für alle Gendergruppen aufgenommen werden. Im nächsten Schritt werden die einzelnen Teilstrategien nun durch die Verwaltung umsetzungsorientiert ausformuliert, wobei auf die querschnittliche Berücksichtigung und Verankerung von Geschlechtergerechtigkeit und -gleichstellung geachtet wird. Diese werden breit mit der Öffentlichkeit diskutiert, um anschließend dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt zu werden.
Die aktuelle Auswertung der bundesweiten Befragung „Mobilität in Deutschland 2017“ (MiD) für die Stadt München (siehe hierzu auch Beschluss „Mobilität in Deutschland 2017 (MiD) – Haushaltsbefragung zum Alltagsverkehr in München, Ergebnisse“, Vorlagen-Nr. 14-20/V 14977, vom 23.10.2019) bestätigt, dass es geschlechterspezifische Unterschiede im Mobilitätsverhalten gibt. Insbesondere bei neuen On-Demand-Mobilitätsdienstleistungen zeigen sich unterschiedliche Nutzungsanforderungen und Bedürfnisse, die als sogenannter „Gender Gap“ bezeichnet werden. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass auch weitere Parameter, wie etwa Alter, Einkommen sowie Bildungs- oder Migrationshintergrund, einen direkten Einfluss auf das Mobilitätsverhalten haben. Überschneiden sich diese Kategorien, weil beispielsweise Frauen* häufig ein geringeres Einkommen haben als Männer*, entstehen intersektionelle Abhängigkeiten, die in der zukünftigen Mobilitätsplanung beachtet werden müssen. Wenn die Mobilitätsbedürfnisse und -gewohnheiten von Frauen*, die immer noch häufiger Verantwortung für die Versorgung und Begleitung von Familienangehörigen übernehmen, besser bekannt sind, können Maßnahmen identifiziert werden, die auch einen großen Teil der Mobilitätsanforderungen anderer Zielgruppen mit abdecken. Im besten Fall können dann beispielsweise Kinder, alte Menschen und Menschen mit Mobilitätsein-schränkungen eigenständig unterwegs sein und müssen nicht begleitet werden. Dies würde die Begleitmobilität und damit die Verkehrsbelastung insgesamt reduzieren.
Auf Basis dieser Überlegungen entwickelt das Mobilitätsreferat aktuell eine neue Strategie zur kontinuierlichen Mobilitätsdatenerhebung in München, die im Vergleich zur MiD zusätzliche Kategorien erhebt und somit spezifischere sowie kontinuierlichere Ergebnisse liefern wird.
Bereits seit der Referatsgründung am 1.1.2021 ist das Mobilitätsreferat im Rahmen des Austausch- und Forschungsnetzwerkes „EIT Urban Mobility“ Projektpartner im EU-Projekt „Women in Urban Mobility“ (WUM), welches für München durch die Unternehmer TUM GmbH koordiniert wird. Durch das Projekt werden insbesondere Netzwerke für in der Verkehrsplanung tätige Frauen* gebildet und somit geschlechterspezifische Aspekte stärker in die Mobilitätsplanung integriert. Am 16.6.2021 beteiligte sich das Mobilitätsreferat am ersten Münchner Meet-Up und diskutierte mit Vertreter*innen aus dem deutschsprachigen Raum sowie Spanien und Bulgarien, wie genderspezifische Anforderungen an die Mobilitätsplanung besser identifiziert und in den Städten umgesetzt werden können. Das Projekt läuft bis zum 31.12.2022. Basierend auf dem konstruktiven Austausch im Projekt „Women in Urban Mobility“ wird das Mobilitätsreferat zukünftig auch selbst ähnliche Netzwerkformate fördern.
Auf Basis der Mobilitätsstrategie 2035, der genannten Projekte und Zielsetzungen hat das Mobilitätsreferat zudem eine Panel-Diskussion für den 1. Münchner Mobilitätskongress vorbereitet, welcher vom 7. bis 10. September 2021 stattgefunden hat. Das Thema „Gendersensibilität in der Verkehrswende“ wurde auch hier mit externen Expert*innen aus der Stadt- und Verkehrsplanung, Wissenschaft und Politik sowie Mobilitätsdienstleister*innen diskutiert. Die Ergebnisse werden unmittelbar in die Münchner Verkehrsplanung einfließen.
Wir greifen Ihren Vorschlag gerne auf und schlagen vor, das von Ihnen beantragte Hearing zu Gender Planning voraussichtlich Ende des ersten Halbjahres 2023 durchzuführen. So können dort einerseits Erkenntnisse aus dem Projekt „Women in Urban Mobility“ und dem Münchner Mobilitätskongress vorgestellt sowie dort entstandene Kontakte zu Expert*innen genutzt werden. Zudem könnte im Rahmen der Veranstaltung bereits ein erster Entwurf der Teilstrategie „Soziale Gerechtigkeit, Partizipation und Inklusion“ der Mobilitätsstrategie 2035 vorgestellt und diskutiert werden. Das Hearing wird in enger Abstimmung mit der Gleichstellungsstelle fürFrauen der Landeshauptstadt München geplant. Wir werden Sie frühzeitig über die geplante Veranstaltung informieren.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.