Fahrverbote für EURO-5-Diesel – ist der städtische Fuhrpark demnächst ein Schrottplatz?
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Rathaus Umschau 31 / 2023, veröffentlicht am 14.02.2023
Fahrverbote für EURO-5-Diesel – ist der städtische Fuhrpark demnächst ein Schrottplatz?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 8.11.2022
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Ihrer Anfrage vom 8.11.2022 haben Sie folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Mit den nahenden Fahrverboten für EURO-5-Diesel (und niedriger) stellt sich für viele Münchnerinnen und Münchner die Frage, warum sie ihr Fahrzeug nicht mehr benutzen dürfen, noch relativ jung ist. Muss dieses nun mangels Nachfrage am Gebrauchtwagenmarkt nun verschrottet werden? Aber es sind nicht nur die Bürger selbst auf Mobilität angewiesen und von den neuen, unverhältnismäßigen Fahrverboten betroffen – auch die Landeshauptstadt München hat zahlreiche EURO-5-Diesel in ihrem Bestand. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt und der Beteiligungsgesellschaften sind aber besonders darauf angewiesen, sich im gesamten Stadtgebiet problemlos fortzubewegen.“
Vorab darf ich darauf hinweisen, dass die Fahrzeuge des städt. Fuhrparks fast ausschließlich im Rahmen der kommunalen Daseinsfürsorge im Einsatz sind und nicht als reines Fortbewegungsmittel der Beschäftigten dienen, um z.B. zu Besprechungen zu fahren. Für diese Art der „Mobilität“ werden üblicherweise der ÖPNV bzw. die zahlreichen vorhandenen Pedelecs genutzt.
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Wie viele EURO-5-Diesel (und niedriger) sind derzeit bei der Landeshauptstadt und ihren Beteiligungsgesellschaften insgesamt in Betrieb?
Antwort:
Aktuell sind im Fuhrpark der Landeshauptstadt München und ihrer Beteiligungsgesellschaften 932 Fahrzeuge mit Dieselantrieb in Betrieb, die der Schadstoffklasse Euro 5 bzw. Euro V und niedriger entsprechen.
Frage 2:
Bitte schlüsseln Sie die Gesamtzahl aus Antwort 1 nach einzelnen Referaten und Beteiligungsgesellschaften auf.
Antwort:
Die Gesamtzahl der Fahrzeuge aus Antwort 1 verteilt sich wie folgt auf die einzelnen Referate und Beteiligungsgesellschaften (aufgeführt sind alle Beteiligungen, an den die LH München zu 100% beteiligt ist):
Frage 3:
Nimmt die Landeshauptstadt München ihre Vorbildfunktion ernst und tauscht alle EURO-5-Diesel (und niedriger) bis zum Fahrverbot am 1.2.2023 aus?
Antwort:
Vorab dürfen wir darauf hinweisen, dass das beschlossene Fahrverbot zum 1.2.2023 vorerst nur Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/Euro IV und niedriger umfasst und es erst in einem zweiten Schritt zum 1.10.2023 zu einer weiteren Verschärfung kommen kann, falls die Grenzwerte nach dem ersten Schritt nicht eingehalten werden.
Im Sinne des Gesundheitsschutzes der Münchner Bürger*innen und der Umwelt ergreift die Landeshauptstadt München schon seit vielen Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Es ist deshalb selbstverständlich, dass die für den städtischen Fuhrpark beschafften Fahrzeuge dem zum Beschaffungszeitpunkt neuesten Stand der Technik genügen und insbesondere bezüglich der Abgasemissionen der bestmögliche Standard gefordert wird.
Der Stadtrat hat bereits im Jahre 2016 die Umstellung von 250 Fahrzeugen auf elektrischen Antrieb beschlossen. 2017 erfolgte eine Beschlussfassung zur weitreichenden, teilweise auch vorgezogenen Umstellung des städtischen Dieselfuhrparks auf alternative Antriebsformen bzw. – falls nicht verfügbar – auf Dieselfahrzeuge, die die Euro 6/Euro VI auch im Realbetrieb einhalten. Die daraus resultierende städt. Beschaffungsrichtlinie für Fahrzeuge wurde in den Folgejahren weiterentwickelt und an den jeweils aktuellen Stand der Technik und die Marktsituation angepasst.
Gleichzeitig hat der Stadtrat der Vergabestelle 1 ein regelmäßiges Budget zum Ausgleich der Mehrkosten der Fuhrparkumstellung zur Verfügung gestellt; allerdings ist auch dieses – wie die Fuhrparkbudgets der Referate – jeweils den aktuellen Haushaltskürzungen unterworfen.
Der Beschlusslage entsprechend, beschafft die Vergabestelle 1 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge – sofern möglich – ausschließlich mit Elektroantrieb. Auch im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge konnten bereits viele Fahrzeuge auf alternative Antriebe umgestellt werden. Aktuell sind bereits 265 reine Elektrofahrzeuge in Betrieb, hinzu kommen noch rund 30 Hybrid- und mehr als 70 Erdgasfahrzeuge. Zahlreiche weitere Fahrzeuge sind in Beschaffung bzw. werden in nächster Zeit ersetzt.
So sind bereits jetzt im Fuhrpark der Stadtverwaltung München sowie der Eigenbetriebe nur sehr wenige Diesel-Pkw vorhanden, die zudem allesamt der Schadstoffklasse Euro 6 entsprechen und somit von den Fahrverboten nicht betroffen sein werden.
Dieselfahrzeuge im kommunalen Fuhrpark betreffen in erster Linie den Bereich der Lkw mit einer Vielzahl verschiedener Spezial- und Sonderfahrzeuge, wie z.B. Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, Abfall- und Nassab-fallentsorgungsfahrzeuge, Winterdienstfahrzeuge oder Kehrmaschinen. Viele davon halten auch bereits die Euro 6/VI-Norm ein. Ältere Fahrzeuge werden nach Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer ausgesondert und nach Möglichkeit durch alternativ angetriebene Modelle ersetzt. Allerdings ist das Angebot an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben in diesem Fahrzeugsegment leider immer noch wesentlich geringer als im Pkw-Bereich. Daher ist hier eine Umstellung deutlich schwieriger und teilweise noch gar nicht möglich.
Aktuell wird z.B. für die Münchner Feuerwehr in rund 80 neue Löschfahrzeuge investiert, die selbstverständlich der bestmöglichen Abgasemissionsstufe entsprechen und vorhandene Euro V (EEV)-Fahrzeuge ersetzen werden. Auch beim AWM wird der Fuhrpark laufend erneuert. Hier wurden in den letzten Jahren allein rund 60 Müllfahrzeuge mit emissionsarmem Erdgasantrieb neu beschafft.
Ein Austausch aller noch vorhandenen Euro 4/Euro IV-Fahrzeuge mit Dieselantrieb bis zum 1.2.2023 wird aufgrund der – gerade bei Sonderfahrzeugen – häufig sehr langen Beschaffungs- und Lieferzeiten nicht möglich sein. Allerdings wird ein Ersatz dieser Fahrzeuge schon aufgrund des Alters zeitnah erfolgen.
Gleiches trifft auf viele der noch zahlreich vorhandenen Euro 5/Euro IV/ EEV-Fahrzeuge zu, die allerdings – wie oben dargestellt – von den zum 1.2.2023 anstehenden Einschränkungen noch nicht betroffen sind.
Die Beteiligungsgesellschaften haben ebenfalls bereits zahlreiche Fahrzeuge auf elektrische Antriebe umgestellt und teilweise auch gar keine Dieselfahrzeuge mehr im Betrieb, die unter die o.g. Einschränkungen fallen.
Nachstehend finden Sie die wesentlichen Rückmeldungen der Beteiligungsgesellschaften:
SWM/MVG:
„Alle im ÖPNV eingesetzten Busse haben eine Abgasemissionsstufe höher als Euro 5. Alle bisherigen EEV (88) Fahrzeuge wurden mittels eines SCR Filters nachgerüstet, um die NOx Emissionen auf E6 Niveau zu bringen. Alle anderen Busse sind bereits E6 oder BEV.
Die Euro 5 – Fahrzeuge (und niedriger) werden wie folgt ausgetauscht:
- Aussonderung 2023: 105 Fahrzeuge
- Aussonderung 2024: 86 Fahrzeuge
- Aussonderung 2025: 56 Fahrzeuge
- Aussonderung 2026: 34 Fahrzeuge.“
GEWOFAG:
„Wie Sie schon aus anderen Anfragen wissen, kehrt die GEWOFAG den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren mit aller Macht den Rücken zu und ersetzt solche Fahrzeuge schon seit Jahren, wo immer es möglich ist, durch elektrisch betriebene Fahrzeuge. Zunächst haben wir Diesel, z.B. bei Handwerkerfahrzeugen vermieden und (mangels verfügbarer Elektro-Fahrzeuge mit für den Bedarf ausreichender Reichweite) auf Benzinmotoren umgestellt, parallel den PKW-Fuhrpark auf elektrische Fahrzeuge. Inzwischen beschaffen wir in allen Klassen vollelektrische Fahrzeuge. Angesichts der Risiken bei der Haltbarkeit von Batterien und der schnellen technischen Entwicklung bei Elektrofahrzeugen beschaffen wir diese in aller Regel im Wege des Leasings.“
GWG:
„Bzgl. der darin gestellten Fragen können wir Ihnen mitteilen, dass die durch die GWG München betriebenen PKW und Kleintransporter zum größten Teil bereits elektrifiziert sind. Die verbliebenen benzingetriebenen Fahrzeuge sollen langfristig durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Unsere Nutzfahrzeugflotte (Traktoren und Kehrmaschinen) besitzt zum Teil Dieselantriebe. Für derartige Fahrzeuge wird es im künftigen Fahrverbot jedoch eine Ausnahme geben. Die GWG München ist somit vom Fahrverbot nicht betroffen.“
Olympiapark München:
„Die OMG ersetzt aus Kostengründen Dieselfahrzeuge dann nach Möglichkeit durch Elektrofahrzeuge, wenn die Fahrzeuge nicht mehr verkehrstüchtig sind. Sofern für die vier von der OMG genutzten Dieselfahrzeuge EURO 5 und niedriger ab dem 1.2.2023 keine Ausnahmegenehmigung gilt, wären mindestens zwei der Fahrzeuge nach Möglichkeit durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen. Für ein weiteres wären die Neuanschaffungskosten voraussichtlich so unverhältnismäßig hoch, dass ggf. auf Ersatz zu verzichten wäre und die damit ausgeführten Arbeiten extern zu beauftragen wären. Auf das vierte Dieselfahrzeug könnte ggf. ganz verzichtet werden.“
Münchenstift:
Die Münchenstift teilte uns mit, dass „alle ca. 50 Fahrzeuge bereits auf E-Mobilität umgestellt oder in naher Zukunft umgestellt werden. Lediglich vier größere Busse für Reisen, wie beispielsweise an den Gardasee, müssen noch getauscht werden. Hier sondiert die Münchenstift gerade den Markt.“
Frage 4:
Falls „nein“ bei 3., nimmt die LHM ihre eigenen Ausnahmeregelungen in Anspruch?
Antwort:
Das für die Frage zuständige Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) teilt hierzu mit:
„Die Ausnahmen, die im Rahmen der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Erweiterung und Verschärfung der Umweltzone mit einer stufenweisen Einführung eines Dieselfahrverbots für Diesel-Fahrzeuge der Abgasnormen Euro 5 und schlechter festgelegt wurden, gelten auch für die städtische Fahrzeugflotte. Die Fahrzeuge des städtischen Fuhrparks werden somit mit allen anderen betroffenen Fahrzeugen gleichgesetzt. Ausnahmen sind in der Allgemeinverfügung sowie in Anhang 3 der 35. BImSchV sowie dem § 47 BImSchG geregelt. Außerdem können in Sonderfällen für spezielle Einsatzzwecke Einzelausnahmen gemäß § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV beantragt werden. Dient der Einsatz der städtischen Fahrzeuge dem öffentlichen Interesse, insbesondere zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen, sind die Voraussetzungen für die o.g. Einzelausnahmen erfüllt. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass die betroffenen Fahrzeuge mit einer Einzelausnahme weiterhin in allen drei Stufen genutzt werden können.“
Die Regelungen – also die Ausnahmen, als auch die Fahrverbote – gelten somit gleichermaßen für Fahrzeuge in städtischem, staatlichem oder privatem Besitz.
Wie bereits unter 3. berichtet, sind für städtische Pkw keine Ausnahmen erforderlich, da im Fuhrpark keine betroffenen Fahrzeuge vorhanden sind. Im Bereich der Lkw wird es allerdings nötig sein, analog der freien Wirtschaft bis zu deren Ersatz vorübergehend die allgemein gültigen Ausnahmeregelungen in Anspruch zu nehmen.
Auch die Beteiligungsgesellschaften werden, sofern nötig, die bestehenden Ausnahmeregelungen nutzen. Dies ist laut der Rückmeldungen der Geschäftsführungen allerdings in vielen Fällen gar nicht erforderlich, da sich keine betreffenden Fahrzeuge im Fuhrpark befinden oder bis zum Inkrafttreten der Fahrverbote diese voraussichtlich ausgetauscht sind.
Frage 5:
Falls „ja“ bei 4., was passiert am 1.2.2024, wenn die Ausnahmegenehmigungen auslaufen?
Antwort:
Das zuständige RKU teilt hierzu mit:
„Die in Frage 4 beschriebenen Einzelausnahmen gemäß §1 Abs. 2 der 35. BImSchV können für alle drei Stufen beantragt werden. Ein Ablauf der Ausnahmetatbestände im Zusammenhang mit dem Stufenplan besteht nicht.“
Frage 6:
Was kostet der zeitnahe, komplette Austausch aller städtischen EU- RO-5-Diesel (und niedriger) den städtischen Steuerzahler?
Antwort:
Wie vorstehend dargestellt, ist ein sofortiger, kompletter Austausch aller städtischen Dieselfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 5 bzw. Euro V und niedriger nicht vorgesehen. Vielmehr erfolgt der Ersatz der Fahrzeuge jeweils am Ende der wirtschaftlichen Nutzungszeit und wird über die regulären Haushalte bzw. Wirtschaftspläne finanziert.
Auch bei den Beteiligungsgesellschaften ist grundsätzlich keine vorzeitige Aussonderung der angesprochenen Fahrzeuge geplant. Vielmehr erfolgt der Austausch z.B. laut GEWOFAG „im turnusmäßigen Rhythmus“. Die SWM/MVG rechnen bis 2026 mit Kosten von insgesamt 17,2 Mio. Euro für die vorgesehene Fuhrparkerneuerung, kleinere Gesellschaften gaben 29.000 bis 40.000 Euro pro Standardfahrzeug an.
Frage 7:
Wann wird der komplette Austausch der EURO-5-Diesel (und niedriger) abgeschlossen sein?
Antwort:
Wie schon vorstehend dargestellt, ist im Fuhrpark der Hoheitsverwaltung eine vorzeitige Aussonderung derzeit nicht vorgesehen. Diese erfolgt u.a. in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Betrachtungen und Einsatzprofil. Nachdem ohnehin in den nächsten Jahren ein beträchtlicher Teil der Fahrzeuge der Emissionsklassen Euro 5/ V/EEV und niedriger das Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer erreichen wird, werden diese auch absehbar durch alternativ angetriebene Varianten bzw. zumindest durch Diesel der Abgasstufe Euro 6/VI ersetzt.
Die Beteiligungsgesellschaften planen – sofern bei diesen noch betroffene Dieselfahrzeuge vorhanden sind – die Umstellung für die nächsten Jahre.