Versorgungssicherheit und Klimaschutz: Mit gutem Beispiel voran VIII: Erdgas als Auslaufmodell
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Dirk Höpner, Nicola Holtmann und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 13.5.2022
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
Im o.g. Antrag fordern Sie, „Die Stadtwerke München bieten in München Privat- und Geschäftskunden keine neuen Hausanschlüsse an ihr Gasnetz mehr an. Über etwaige Ausnahmen entscheidet das Referat für Klima und Umwelt, der Klimarat oder ein vergleichbares Gremium.“
Nach § 60 Abs.9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Das Anbieten von Hausanschlüssen an das Gasnetz der Stadtwerke München fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates oder als laufende Angelegenheit in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters, sondern in den operativen Geschäftsbereich der Stadtwerke München. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Daher wird der Antrag im Folgenden als Brief beantwortet.
Wir haben die Stadtwerke München und das Referat für Klima- und Umweltschutz um Stellungnahme gebeten, die wir Ihnen nachfolgend im Wortlaut wiedergeben dürfen:
Referat für Klima- und Umweltschutz
„Das RKU begrüßt die im Antrag verfolgte Intention, den Absatz von Erdgas zu reduzieren und die Versorgung so schnell wie möglich auf regenerative Energieträger umzustellen. Die derzeit zusammen mit den SWM aufgebaute kommunale Wärmeplanung als strategisches, auf die Klimaschutzziele ausgerichtetes und informelles Planungsinstrument weist in dieselbe Richtung: Durch die Festlegung von Eignungsgebieten für die künftige Wärmeversorgung und die Ausarbeitung von gebietsspezifischen Transformationspfaden soll – bei regelmäßiger Überprüfung und ggf. nötiger Anpassung der Planungsgrundlagen – der Weg zur Klimaneutralität des Wärmesektors aufgezeigt werden.
Der im Antrag geforderte Verzicht auf neue Gasanschlüsse durch die SWM und die, Festlegung diesbezüglicher Ausnahmeregelungen durch das RKUgehen allerdings über die planerische Ebene hinaus und sind aus verschiedenen Gründen voraussetzungsvoll:
- Das Energiewirtschaftsgesetz begründet gegenüber Gasnetzkunden den Anspruch auf Anschluss- und Netzzugang (§§ 17f, 20 EnWG). Zumindest bislang können Bestimmungen in kommunalen Wärmeplänen diese Regelungen zur Anschlusspflicht nicht umgehen. Ein Anspruch auf Anschluss kann nur dann verwehrt werden, wenn er für die Netzbetreiber wirtschaftlich nicht zumutbar ist oder ggf. wenn ein Gasverteilnetz der allgemeinen Versorgung in einem Gebiet nach Entscheidung des Netzbetreibers bereits stillgelegt wurde (negative Bedarfsfeststellung).
- Das Energiewirtschaftsgesetz regelt auch die Pflicht der Netzbetreiber zum bedarfsgerechten Netzausbau und -betrieb (§ 11 EnWG). Das nationale Energierecht hält dagegen bislang keine wirklichen Regelungen zum Ausstieg aus den kommunalen Gasversorgungsinfrastrukturen und diesbezügliche Ausgestaltungslösungen bereit. Ein kommunalpolitischer Beschluss zum Ausstieg aus (Teilen) der kommunalen Gasversorgung trotz bestehenden Bedarfs steht jedoch in einem Spannungsfeld zum EU-und bundesrechtlich abgesicherten Anspruch auf Anschluss
und Zugang zum Gasnetz. Ebenso fehlt ein gesetzlicher Rahmen für Rechts- und Finanzierungssicherheit bei derartigen Desinvestitionen aus dem Gasnetz.
- Die im Antrag vorgeschlagene Lösung, dass das RKU, der Klimarat oder ein anderes kommunalpolitisches Gremium über Ausnahmen von den fortan nicht mehr gewährten Gasnetzneuanschlüssen befinden solle, steht im Spannungsfeld zu weiteren rechtlichen Regelungen (Sicherstellung der Trennung von Netz und Betrieb (unbundling), Umgang mit personenbezogenen oder wirtschaftlich sensiblen Daten von (potenziellen) Kunden, Datenschutz in Bereichen der kritischen Infrastruktur etc.).
- Derartige Einzelfallentscheidungen zu Ausnahmen würden in jedem Fall umfangreiches Detailwissen des RKU voraussetzen. Dies würde weit über das bisherige, im Aufbau befindliche Daten- und Analyseinstrumentarium der kommunalen Wärmeplanung hinausgehen (Komplexität der Gasnetzinfrastrukturen und ihres Betriebs).
Vor diesem Hintergrund trägt das RKU zwar die Intention des Antrags (Erdgas als Auslaufmodell) mit, nicht jedoch den konkreten Umsetzungsvorschlag.
Vielversprechender erscheint es zum einen – zusammen mit den technisch-energiewirtschaftlich federführenden SWM – eine räumlich und kundenseitig differenzierte Gasrückzugsstrategie auszuarbeiten und diese mit der kommunalen Wärmeplanung zu verzahnen. Diese Rückzugsstrategie könnte etwa Gebiete ausweisen, die angesichts vorhandener Alternativen frühzeitig auf alternative Versorgungslösungen umgestellt werden können, ebenso aber auch verdeutlichen; wo der Gasvertrieb zu einem späteren Zeitpunkt zurückgeführt wird oder wo spezielle Kundenanforderungen oder spezieller Untersuchungsbedarf bestehen (zum Beispiel Prozesswärme von Industriekunden). Bei der Festlegung von Gasrückzugsgebieten und damit verbundener Maßnahmen kann dabei auf Erfahrungen in der Schweiz zurückgegriffen werden.
Zum anderen müssen die weiteren, bereits in groben Umrissen erkennbaren Fortschritte auf Bundes- und ggf. Landesebene zu Reformen des Energiewirtschaftsgesetzes und seiner Durchführungsverordnungen sowie zur Einführung der kommunalen Wärmeplanung beobachtet werden. Darauf aufbauend gilt es dann ggf. weitere, für München geeignete und rechtssicher durchführbare Maßnahmen zum schrittweisen Ausstieg aus der fossilen Erdgasversorgung anzugehen. Diese können wiederum die o.g. Gasrückzugsstrategie konkretisieren.“
Stadtwerke München
„Auch die SWM sind der Auffassung, dass es so rasch wie möglich gelingen muss, fossile Energieträger in der Wärmeversorgung zu ersetzen. Die Stadtwerke München arbeiten bereits seit vielen Jahren an der Umsetzung der Energiewende in und für München.
Die SWM bieten seit Jahren umweltschonende Fernwärme an und arbeiten daran, die Fernwärme baldmöglichst auf CO2-neutrale Bereitstellung umzustellen, überwiegend mit Hilfe von Tiefengeothermie. Gemeinsam mit dem RKU erarbeiten die SWM die kommunale Wärmeplanung, die eine entscheidende Grundlage für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung sein wird. Neben der künftig CO2-neutralen Fernwärme bieten die SWM auch dezentrale Energielösungen ohne fossile Energieträger an, d.h. Wärmepumpen für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Nahwärmenetze auf der Basis von Wärmepumpen für größere Gebäude bzw. Quartiere.
Als Netzbetreiber sind wir an die Regelungen aus dem §17 EnWG gebunden. Eine Ablehnung von Hausanschlussbegehren ist nur im Falle einer wirtschaftlich, technisch oder betrieblichen Unzumutbarkeit rechtlich zulässig. Wir sehen daher aktuell keine rechtliche Möglichkeit den im Antrag gemachten Vorschlag umzusetzen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass der Gesetzgeber hier in der Zukunft nachbessern wird, um den bereits beschlossenen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern voran zu treiben.Wir begrüßen die Stellungnahme des Referat für Klima- und Umweltschutz und sehen uns in unserer Auffassung bestätigt.“
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen und hoffe, dass Ihr Antrag zufriedenstellend beantwortet ist und als erledigt gelten darf.