Ist das Kreisverwaltungsreferat der Steigbügelhalter der Klima-Kleber? Teil I und II
Anfragen Stadtrats-Mitglieder Dr. Evelyne Menges, Manuel Pretzl, Thomas Schmid und Professor Dr. Hans Theiss (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 7.12.2022 und 9.12.2022
Antwort Kreisverwaltungsreferat:
Ich komme zurück auf Ihre Anfragen vom 7. und 9.12.2022. Sie nehmen darin Bezug auf die in den letzten Wochen in München stattgefundenen Proteste im Zusammenhang mit der Forderung nach mehr Klimaschutz, insbesondere nach der Einführung eines 9-Euro-Tickets und einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen auf 100 km/h. Für den 5.12.2022 wurde von der Gruppierung „Letzte Generation“ zu einer solchen Protestaktion am Karlsplatz aufgerufen. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat daraufhin einen Versammlungsbescheid erlassen.
Dazu teilen Sie in Ihrer Anfrage (Teil I) inhaltlich Folgendes mit: „Den Tageszeitungen war zu entnehmen, dass das Kreisverwaltungsreferat (KVR) den Klima-Protestler ‚aus eigenem Antrieb einen Versammlungs- bescheid erlassen hat, nachdem es von der Absicht erfahren‘ hatte, dass am Montagmorgen in der Stadt wieder demonstriert werden sollte. Dabei hat das Kreisverwaltungsreferat den Pressemeldungen zu Folge auch das Betreten der Fahrbahn der Sonnenstraße gestattet. Gerade das Kreisverwaltungsreferat, dem die Branddirektion zugeordnet ist, sollte wissen, dass die Sonnenstraße eine der Hauptausrückstraßen der Hauptfeuerwa- che ist. Anders als bei einer Demo, die zumindest in Bewegung ist, ist die Sonnenstraße durch die Klebe-Aktivisten komplett blockiert. Dies führt zu Verzögerungen bei der ausrückenden Berufsfeuerwehr. Gerade diese Genehmigung machte es den Einsatzkräften der Polizei nur schwer möglich, die Versammlung auszulösen und schneller einzugreifen.“
Zu Ihren Fragen (Teil I) nehme ich im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage I.1:
Wer hat die Versammlung wann beim KVR angezeigt?
Antwort:
Die Versammlung wurde nicht beim KVR angezeigt. Nach der Pressekonferenz der „Letzten Generation“ hat das KVR von der geplanten Versammlung Kenntnis erlangt und die „Letzte Generation“ auf die Anzeigepflicht gem. Art. 13 BayVersG hingewiesen. Der Aufforderung, die Versammlungordnungsgemäß anzuzeigen, ist die „Letzte Generation“ nicht nachgekommen. Entgegen Ihrer Darstellung handelte es sich um eine nicht angezeigte Versammlung mit den entsprechenden juristischen Konsequenzen.
Frage I.2:
Wenn es keine Anzeige gibt, wieso hat das KVR ohne Anzeige einen Versammlungsbescheid erlassen?
Antwort:
Der Versammlungsbescheid beinhaltete Auflagen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit. Das KVR hat als zuständige Sicherheitsbehörde gem. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, Art. 6 LStVG die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch Abwehr von Gefahren und durch Unterbindung und Beseitigung von Störungen, die von Versammlungen ausgehen, aufrechtzuerhalten. Diese Aufgabe nimmt das KVR als Sicherheitsbehörde zur effektiven Gefahrenabwehr von Amts wegen, also ggf. auch ohne Antrag oder Anzeige, wahr. Die Versammlungsanzeige ist für das Vorliegen einer Versammlung nicht konstitutiv. Ist nach der zu erstellenden Gefahrenprognose die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet, kann die Versammlung gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG beschränkt oder verboten werden, unabhängig davon, ob eine Anzeige vorliegt oder nicht.
Anders als bei den bisherigen nicht angezeigten Protestaktionen von Klimaaktivist*innen hatte das KVR im Fall der Versammlung am 5.12.2022 vorab Kenntnis. Zudem war nach der in Zusammenarbeit mit der Branddirektion und der Münchner Polizei erstellten Gefahrenprognose eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu besorgen. Das KVR konnte und musste folglich zur Gefahrenabwehr tätig werden.
Frage I.3:
Wird das KVR auch künftig Versammlungsgenehmigung für Klima-Kleber erlassen, wenn es von deren Aktionen aus den Medien erfährt?
Antwort:
Nein, denn Versammlungen müssen und können nach der Rechtsordnung des Grundgesetzes gar nicht genehmigt werden. Das Recht sich zu versammeln ergibt sich direkt aus Art. 8 GG und hängt nicht von einer behördlichen Genehmigung ab. Versammlungen müssen aber im Rahmen des Art. 13 BayVersG angezeigt werden (grundsätzlich 48 Stunden vor Bekanntgabe; Eilversammlungen spätestens mit Bekanntgabe; Spontanversammlungen müssen gar nicht angezeigt werden) und können von derVersammlungsbehörde beschränkt oder untersagt werden, sofern eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht. Wird eine Versammlung nicht beschränkt, kann sie ohne Einschränkungen stattfinden, bis sie beschränkt, verboten oder aufgelöst wird.
Das KVR wird als Sicherheitsbehörde auch in Zukunft tätig werden müssen, wenn es von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Kenntnis erlangt.
Frage I.4:
Hat das KVR von sich aus einen Versammlungsbescheid erlassen, weil es die Zwecke der Versammlung politisch mitträgt?
Antwort:
Nein. Das KVR verhält sich als Versammlungsbehörde neutral. Der Versammlungsbescheid wurde zur Gefahrenabwehr erlassen. Eine inhaltliche Bewertung der Versammlungen ist unzulässig.
Frage I.5:
Hat das KVR diesen Versammlungsbescheid mit Auflagen, von denen es annehmen musste, sie werden ohnehin nicht eingehalten, deshalb erlassen, um von der Strafbarkeit zur Ordnungswidrigkeit des Fehlverhaltens zu gelangen? Wenn ja, wie ist dies mit der Neutralität der Versammlungsbehörde zu vereinbaren?
Antwort:
Nein. Der Versammlungsbescheid wurde zur Gefahrenabwehr erlassen. Wie unter Ziff. I.3 ausgeführt, hat und konnte er eine Versammlung nicht genehmigen. Die Versammlung vom 5.12.22 war – wie dargestellt – eine nicht angezeigte Versammlung. Die Nichtanzeige einer Versammlung ist eine Ordnungswidrigkeit, genauso der Verstoß gegen Anordnungen aus dem Bescheid durch Versammlungsteilnehmer*innen (vgl. Art. 21 Abs. 1 Nr. 7, Nr. 6 BayVersG). Verstoßen Veranstalter*innen oder Leiter*innen gegen die Anordnungen aus dem Bescheid, liegt eine Straftat vor (vgl. Art. 20 Abs. 2 Nr. 4 BayVersG).
Im Rahmen einer Versammlung darüber hinaus verwirklichte Straftaten bleiben davon unberührt und können bzw. werden von der Polizei auch dann verfolgt, wenn für eine Versammlung ein Bescheid erlassen wurde.
Frage I.6:
Darf das Versammlungsbüro Zwecke einer Versammlung überhaupt werten, solange sie nicht unberechtigt sind im Sinne von Art. 1 Abs. 2 BayVersammlG?
Antwort:
Der Zweck einer Versammlung darf vom KVR nur im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr gewertet werden. Zum Beispiel können sich aus dem Thema einer Versammlung und ggf. angezeigten Kundgabemitteln Anhaltspunkte für mögliche Straftaten, z.B. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), Verstoß gegen das Vereinsgesetz (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG) ergeben. Zudem können z.B. Rückschlüsse auf die zu erwartende Teilnehmerzahl oder mögliche Gegendemonstrationen gezogen werden. Im Übrigen ist eine inhaltliche Bewertung unzulässig (s.o.).
Frage I.7:
Wie oft hat das KVR in der Vergangenheit Versammlungsankündigungen, von denen es irgendwie erfahren hatte, von sich aus verbescheidet?
Antwort:
Das KVR wird als Versammlungs- und Sicherheitsbehörde immer tätig, wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung rechtzeitig bekannt werden. Als Beispiel können die sogenannten „Corona-Spaziergänge“ des Winters 2021/2022 angeführt werden, die ebenfalls nicht angezeigt waren und auf die das KVR mit einer Allgemeinverfügung reagiert hat, nachdem sich gezeigt hatte, dass Beschränkungen (gem. der jeweils geltenden BayIfSMV) nicht eingehalten wurden. Eine Auswertung dieser Tätigkeit im Einzelnen wird nicht zahlenmäßig erfasst.
Frage I.8:
Darf aufgrund dieses Präzedenzfalls die Anzeigepflicht gem. Art. 13 Bay-VersG zukünftig so verstanden werden, dass es für alle erlaubten Versammlungen, egal mit welchem Zweck, künftig ausreichend ist, dass das KVR irgendwie von einer Versammlung Kenntnis erlangt?
Antwort:
Nein. Entgegen Ihrer Darstellung liegt kein Präzedenzfall vor. Wie ausgeführt handelte es sich auch bei der Versammlung vom 5.12.22 entgegen Ihrer Darstellung um eine nicht angezeigte Versammlung. Die Anzeigepflicht gem. Art. 13 BayVersG gilt und galt stets und wer als Veranstalter*in oderals Leiter*in eine Versammlung unter freiem Himmel ohne Anzeige nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 3 (Eilversammlung) BayVersG durchführt, ohne dass die Voraussetzungen nach Art. 13 Abs. 4 BayVersG (Spontanversammlung) vorliegen, begeht eine Ordnungswidrigkeit, vgl. Art. 21 Abs. 1 Nr. 7 BayVersG.
Frage I.9:
Wie ist es zu begründen, dass Bürgerinnen und Bürger oft wochenlang auf Bescheide warten und eine nicht angezeigte Versammlung auf Initiative des KVRs genehmigt wird?
Antwort:
Das KVR muss die Bearbeitung der ca. 2.000 Versammlungsanzeigen pro Jahr priorisieren und kann eine Gefahr, die sich in wenigen Tagen zu verwirklichen droht, nicht ignorieren, um Bescheide für Versammlungen vorzuziehen, die erst wesentlich später stattfinden sollen. Eine Genehmigung findet nicht statt (s.o.).
Frage I.10:
Ist es zutreffend, dass die Polizei durch die Genehmigung gehindert wurde, die Klima-Kleberei schnell aufzulösen?
Antwort:
Nein. Wie bei jeder Versammlung hat das KVR auch für die Versammlung am 5.12.2022 die Maßnahmen eng mit der Polizei abgestimmt. Die Polizei muss als vor Ort zuständige Versammlungsbehörde (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayVersG) aber ebenso wie das KVR die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahmen nach dem Versammlungsrecht prüfen. Es sind folglich mehrere Schritte einzuhalten, bevor eine Versammlung, mit oder ohne Bescheid, bei nachhaltigen Verstößen als ultima ratio schlussendlich aufgelöst werden kann. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Polizei bei den bisher nicht vorab angekündigten Protestaktionen vor Ort selbst versammlungsrechtliche Beschränkungen angeordnet hat. Diesen Arbeitsschritt hat das KVR für die Versammlung am 5.12.2022 bereits zuvor erledigt.
Frage I.11:
Wie bewertet das KVR die Sicherheitsvorkehrungen und die Risiken solcher Veranstaltungen?
Antwort:
Wie aus der ausführlichen Begründung der Allgemeinverfügung vom 9.12.2022 mit Bezug zu diesem Protestverhalten erkennbar ist, bewertet das KVR Straßenblockaden auf für Rettungs- und Einsatzfahrten kritischen Straßen als Gefahr für die öffentliche Sicherheit, wenn diese nicht gem. Art. 13 BayVersG vorher angezeigt werden.
Frage I.12:
Wie bewertet der Oberbürgermeister den Umstand, dass zahlreiche Pendler und der Wirtschaftsverkehr damit stundenlang im Stau standen und wichtige Termine somit verpasst haben?
Antwort:
Dieser Umstand ist bedauerlich und hätte durch Beachtung der im Bescheid beauflagten Beschränkungen vermindert werden können.
Auch angezeigte Versammlungen, für die verkehrliche Maßnahmen ergriffen werden, führen, wenn sie auf den Straßen durchgeführt werden, oft zu Verkehrsbehinderungen und in einigen Fällen zu langen Staus. Solche Beeinträchtigungen sind unbequem und können stören. Die Versammlungsfreiheit ist eine wichtige Säule der Demokratie und sichert die Teilhabe aller an der öffentlichen Meinungsbildung. Dafür müssen störende Nebeneffekte hingenommen werden, solange es sich in einem sozialadäquaten Rahmen bewegt und keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen.
In Ihrer Anfrage (Teil II) teilen Sie inhaltlich Folgendes mit:
„Die Pressemitteilung des Kreisverwaltungsreferats vom 7. Dezember 2022 zur Verbescheidung der nicht angezeigten Versammlung der Klima-Kleber wirft mehr Fragen auf als sie beantworten kann. Nachdem über die Medien zu erfahren ist, dass die Klima-Kleber nunmehr neben Berlin ihren Schwerpunkt in München setzen werden, ist hier schnelles handeln erforderlich.“
Zu Ihren Fragen (Teil II) nehme ich im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage II.1:
In der PM steht: „Da erstmalig Ort und Zeitpunkt durch die Aktivist*innen über die Presse angekündigt wurden, war das KVR als zuständige Versammlungsbehörde dazu verpflichtet, tätig zu werden und die Versammlung durch entsprechende Auflagen zu beschränken“.a)Wo ist die Rechtsgrundlage dafür, dass eine nicht angezeigte Versammlung aus Initiative der Sicherheitsbehörde zu verbescheiden ist? b)Wieso geht die Versammlungsbehörde davon aus, dass die Anzeigepflicht dadurch obsolet werden könnte, wenn sie auf anderem Weg Kenntnis von der geplanten Veranstaltung bekommt?
Antwort zu Frage II.1 a):
Vergleiche Antwort zu Frage I.2.
Antwort zu Frage II.1 b):
Davon geht das KVR nicht aus. Vergleiche Antwort zu Frage I.8.
Frage II.2:
Weiter führt die PM aus: „Allein die Tatsache, dass eine Versammlung (ob angezeigt oder nicht) stattfindet, führt dazu, dass die zuständige Versammlungsbehörde tätig werden muss.“ Warum hat das KVR bei Durchführung einer nichtangezeigten Versammlung, die sowohl straf- als auch bußgeld- bewehrt ist, die Versammlung, deren Art durch Festkleben auf der Straße hinreichend inzwischen bekannt ist, nicht sofort mit Hilfe der Polizei aufgelöst?
Antwort:
Vergleiche Antwort zu Frage I.10.
Die fehlende Anzeige allein führt nicht automatisch zum Verbot oder zur Auflösung einer Versammlung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.5.1985, Az.: 1 BvR 233/81, Rn. 74).
Vielmehr muss vor einer Auflösung geprüft werden, ob andere mildere Mittel zur Beseitigung der Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen. Verstöße gegen zuvor verfügte Beschränkungen führen nicht zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass die Versammlung insgesamt aufgelöst werden muss. Beschränkungen oder eine Auflösung nach Beginn einer Versammlung gem. Art. 15 Abs. 4 BayVersG müssen sich an den gleichen Vorgaben wie Beschränkungen oder eine Untersagung gem. Art. 15 Abs. 1 BayVersG messen lassen, also einen legitimen Zweck haben und verhältnismäßig sein.
Frage II.3:
Nach welchem Ermessen hat hier die Versammlungsbehörde gehandelt?
Antwort:
Das KVR hat nach pflichtgemäßem Ermessen im Sinne des Art. 15 Abs. 1 BayVersG gehandelt.
Frage II.4:
Gibt es nun einen „Münchner Weg“, wonach Versammlungen gar nicht erst angezeigt werden müssen, auf die sich auch andere Veranstalter berufen können?
Antwort:
Nein, vergleiche Antwort zu Frage I.8.
Frage II.5:
Wie wird hier der Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt?
Antwort:
Es erschließt sich dem KVR nicht, wie sich aus dem Vorgehen zur Versammlung am 5.12.2022 ergeben könnte, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gewahrt wird, vergleiche unter anderem Antwort zu Frage I.8.
Frage II.6:
Die PM geht davon aus, dass weitere Klima-Kleber-Aktionen in München stattfinden werden: „Das KVR wird dieses Verhalten in Zusammenarbeit mit der Münchner Polizei und der Branddirektion bewerten und Erkenntnisse für zukünftige Maßnahmen berücksichtigen.“ a)Was bedeutet dies genau?
b)Werden auch künftig a priori auf Initiative des KVR Versammlungsbescheide erlassen?
Antwort zu Frage II.6 a):
Das bedeutet: Das KVR wird für zukünftige Maßnahmen im Hinblick auf die hier handelnde Gruppierung und vergleichbare Aktionen berücksichtigen, dass die Beschränkungen für die Versammlung vom 5.12.2022 nicht eingehalten wurden und die beteiligten Personen sich nicht kooperativ verhalten haben. Auch die Auswirkungen der Versammlung trotz vorheriger verkehrlicher Absicherung der Polizei und Information der Branddirektion wurden berücksichtigt. Eine unter anderem aus diesen Erkenntnissen resultierende Maßnahme war die Allgemeinverfügung vom 9.12.2022.
Antwort zu Frage II.6 b):
Vergleiche Antwort zu Frage I.3.
Frage II.7:
Wie bewertet das KVR die Durchführung der Klima-Kleber-Versammlung, die erteilte Auflage missachtet in strafrechtlicher Hinsicht?
Antwort:
Der Verstoß gegen die angeordneten Auflagen stellen für Teilnehmer*innen Ordnungswidrigkeiten dar (vgl. Art. 21 Abs. 1 Nr. 6 BayVersG) und für Leiter*innen bzw. Veranstalter *innen einer Versammlung eine Straftat (vgl. Art. 20 Abs. 2 Nr. 4 BayVersG).
Ob darüber hinaus durch die Durchführung der Versammlung Straftaten verwirklicht werden, hängt vom Einzelfall ab. Die strafrechtliche Beurteilung obliegt der Staatsanwaltschaft und den Strafgerichten. Das KVR ist im übrigen aus dem sich aus dem Grundgesetz ergebenden Grundsatz der Gewaltenteilung keine Strafverfolgungsbehörde.
Frage II.8:
Wenn eine Sicherheitsbehörde aus eigener Initiative ohne Anzeige der Versammlung einen Versammlungsbescheid erlässt, liegt darin die begründete Vermutung der politischen Bejahung des Versammlungszwecks (so wie der Bundesgerichtshof in einem Parallelfall bereits 1969 entschieden hatte). Unterstützt das KVR die Klima-Kleber insgeheim, weil sie für den Klima- wandel und gegen Autos stehen?
Antwort:
Wenn ein Versammlungsbescheid ergeht, ohne dass eine Anzeige der Versammlung vorliegt, weil die Durchführung der Versammlung mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verbunden ist, handelt die Sicherheitsbehörde als zuständige Versammlungsbehörde ihrem Auftrag gem. Art. 6 LStVG, nämlich zur Gefahrenabwehr entsprechend (Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, Art. 6 LStVG).
Eine inhaltliche Bewertung des politischen Versammlungszwecks findet nicht statt. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage I.4 verwiesen.
Das KVR verweist zudem im Hinblick auf die mehrfach gestellte Frage, ob das Handeln von Amts wegen ohne Anzeige nun bedeute, dass die Anzeigepflicht gem. Art 13 BayVersG ignoriert werden könne, auf ein Urteil des BGH vom 8.8.1969, Az.: 2 StR 171/69 (sog. Laepple-Urteil). Der BGH hatte hier entschieden, dass die Strafbarkeit der Nichtanzeige einer Versammlung (gegenständlich war das Versammlungsgesetz des Bundes) ebengerade nicht dadurch entfallen sei, dass die Polizei durch Plakate vorab Kenntnis von den Einzelheiten der geplanten Versammlung erlangt hatte. Im vorliegenden Fall hat das KVR ebenso agiert und gerade nicht die Ankündigung einer Anzeige gleich gesetzt. Vgl. dazu auch Frage I.8.