Mit den Menschen sprechen, nicht über sie!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Andreas Babor, Michael Dzeba, Alexandra Gaßmann, Hans Hammer, Rudolf Schabl und Matthias Stadler (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 25.1.2023
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen die Etablierung eines Runden Tischs für die gewählten Bewohnervertreterinnen und -vertreter aus den Pflege- und Altenheimen. Sie begründen dies damit, dass viele Maßnahmen und Änderungen im Allgemeinen die Bewohnerschaft der Pflege- und Altenheime betreffen. Dabei benennen Sie insbesondere die Kosten, Betreuung und Verpflegung und die Partizipation der betroffenen Menschen – der Bewohnerinnen und Bewohner.
Der Inhalt des Antrages betrifft deshalb eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 25.1.2023 teile ich Ihnen aber Folgendes mit: Die Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch XI – Soziale Pflegeversicherung, SGB XI) ist die gesetzliche Basis der Pflegeeinrichtungen. Mit ihrer Einführung in den 1990er Jahren gab es mit § 29 SGB XI (Wirtschaftlichkeitsgebot) eine Hinwendung zu betriebswirtschaftlichen Prinzipien, wie die Einführung effizienzorientierter Maßnahmen und die Schaffung von Marktstrukturen und damit einen Wettbewerb.
Das Gesetz zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (Pflege- und Wohnqualitätsgesetz – PfleWoqG) sieht in Artikel 9 (Vertretung der Bewohnerinnen und Bewohner) vor, dass die Bewohnervertretung in Angelegenheiten des Betriebs mitwirkt und bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Rechte fach- und sachkundige Personen ihres Vertrauens hinzuziehen kann. Diese sind wiederum zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Die Ausführung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (AVPfleWoqG) regelt die weiteren Mitbestimmungsthemen. Hierzu gehören unter anderem die Aufstellung der Grundsätze der Verpflegungsplanung, die Angelegenheiten der sozialen Betreuung im Rahmen des Gesamtkonzepts sowie qualitative Aspekte der Betreuung und Pflege im Rahmen des Gesamtkonzepts der Einrichtung. Hinsichtlich der Vergütungsvereinbarungen ist die Bewohnervertretung auf Verlangen bei Verhandlungen hinzuziehen.Die Mitglieder der Bewohnervertretung sind über den Inhalt der Verhandlungen, und soweit ihnen im Rahmen der Verhandlungen Betriebsgeheimnisse bekannt geworden sind, zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Das Sozialreferat unterstützt die Heimträger und Leitungskräfte in ihrer Arbeit ohne in den Pflegemarkt wettbewerbsverzerrend einzugreifen. Es obliegt ihnen jedoch selbst, die Angebote anzunehmen und entsprechend der individuellen personellen, strukturellen und räumlichen Gegebenheiten ihrer Pflegeeinrichtung umzusetzen. Hierzu zählen insbesondere freiwillige Förderungen (Supervisionen und Qualifizierungsmaßnahmen für beruflich Pflegende, Förderung von Pflegeüberleitung u.a.m.), die Umsetzung des Leitfadens zur Erarbeitung einrichtungsspezifischer Konzepte zur Gewaltprävention oder die Inanspruchnahme von Informationen und fachlicher Begleitung zur Ernährungswende.
Mit der Münchner Pflegekonferenz gibt es zudem ein Gremium, in dem Problemstellungen und Trends in der Pflege diskutiert werden und sich bei Bedarf Arbeitskreise mit Lösungsstrategien befassen.
Die Heimaufsicht (FQA) des Kreisverwaltungsreferates prüft und berät die stationären Einrichtungen zu Gewährleistung der Mitwirkung der Bewohner*innen. Im dritten Teil der AVPfleWoqG (§§ 18-43) sind hierzu konkrete Vorgaben u.a. zu Bewohnervertretungen und Bewohnerfürsprecher*innen vorhanden. Die Heimaufsicht begleitet und berät die stationären Einrichtungen bei der Wahl und Zusammensetzung der Bewohnervertretungen, Fragen zur Amtszeit, Tätigkeit, Mitwirkung und Mitbestimmung. Dabei müssen die Interessen des Trägers nach einer effizienten und effektiven Betriebsführung einerseits und das Bedürfnis der Bewohner*innen nach einer autonomen und selbstbestimmten Lebensführung und Alltagsgestaltung andererseits in eine ausgewogene Balance gebracht werden. Falls keine Bewohnervertretung zustande kommen sollte, bestellt die Heimaufsicht eine*n von den Einrichtungen vorgeschlagene*n Bewohnerfürsprecher*in. Die Heimaufsicht sorgt durch ihre Beratung und Prüfungen dafür, dass die notwendigen Strukturen vorhanden sind, damit eine Stärkung der Partizipation der Mitwirkungsrechte der Bewohner*innen in Form der Bewohner*innenvertretung gewährleistet ist. Zu den gesetzlichen Vorgaben können die Mitglieder der Bewohnervertretung oder Bewohnerfürsprecher*in ebenfalls durch die Heimaufsicht beraten werden. Im Rahmen der unangemeldeten Prüfungen in den stationären Einrichtungen werden vereinzelt Gespräche mit Mitgliedern der Bewohnervertretung geführt.
Mit dem Ziel, die Einbindung der Bewohnervertretungen zu fördern bzw. aufrechtzuerhalten, führt die Beschwerdestelle für Probleme in der Alten-pflege regelmäßige Anschreibeaktionen an die Bewohnervertretungen durch. Sofern es seitens der Bewohnervertretungen gewünscht ist, werden persönliche Treffen angestrebt. Dies ist – je nach Wunsch – mit oder ohne Vertretungen der stationären Pflegeeinrichtungen möglich, wird jedoch selten in Anspruch genommen. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie stellten die FQA und die Beschwerdestelle ihre Arbeit regelmäßig den Bewohnervertretungen vor und führen das vom Münchner Seniorenbeirat organisierte Angebot gerne fort.
Da die Interessen der Bewohner*innen über die gesetzlichen Vorgaben gesichert sind, ist ein Runder Tisch für Bewohnervertretungen der vollstationären Pflege in München obsolet.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.