Kinder im Stadtbild sichtbar machen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Anne Hübner, Barbara Likus, Lars Mentrup, Cumali Naz, Lena Odell, Dr. Julia Schmitt-Thiel, Andreas Schuster, Christian Vorländer und Micky Wenngatz (SPD/Volt-Fraktion) vom 16.8.2022
Antwort Baureferentin Dr.-Ing. Jeanne-Marie Ehbauer:
Sie haben am 16.8.2022 Folgendes beantragt:
„Die Verwaltung wird gebeten, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um Kinder als Teil der Stadtgesellschaft im öffentlichen Raum – insbesondere auf Gehwegen – sichtbar zu machen. Vor Kindertageseinrichtungen, Grundschulen, Spielorten und dergleichen soll den Kindern selbst die Möglichkeit gegeben werden, den öffentlichen Grund vor der jeweiligen Einrichtung zu gestalten, beispielsweise durch die dauerhafte Gestaltung der Bodenplatten auf dem Gehweg mit Bildern, Botschaften oder Hüpfspielen. Die städtischen Einrichtungen sollen mit gutem Beispiel vorangehen und eine Gestaltung durch die Kinder ermöglichen, sobald die Rahmenbedingungen hierfür geschaffen sind.
Auch auf Spielplätzen soll künftig immer darauf geachtet werden, dass Spielgeräte, Böden und Wände auch von und mit Kindern farblich gestaltet/ bemalt werden.
Darüber hinaus ist zu prüfen, inwieweit auch städtischerseits weitere Gestaltungen, wie etwa kleine Rätsel- oder Geschichtenpfade oder andere Mitmachaktionen in den Stadtvierteln oder Grünflächen eingerichtet werden können. Modell könnte hierbei das Berliner Projekt ‚Ich bin die Stadt‘ sein.“
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit i.S. von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO, deren Erledigung dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 16.8.2022 teilen wir Ihnen aber Folgendes mit:
Zur umfänglichen Beantwortung Ihres Antrags haben wir Stellungnahmen verschiedener Referate eingeholt, die nachfolgend dargestellt werden.
Das Referat für Bildung und Sport (RBS) teilt uns mit:„Die Beteiligung und das Sichtbarmachen von Kindern in und um Kindertageseinrichtungen durch bauliche, gestalterische oder sonstige Maßnahmen ist im Rahmen des Rechts auf Partizipation, welches allen Kindern zusteht, aus Sicht des Referats für Bildung und Sport unerlässlich. Das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Recht der Kinder auf Beteiligung und Mitbestimmung ist unabdingbare Grundlage und Richtschnur der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen aller Altersgruppen. (…)
Bei Partizipationsprojekten der Fachberatung wurden Kinder bereits beteiligt und dadurch in ihrer Umgebung sichtbar. So wurden bspw. Kinder bei der Umgestaltung der Freifläche beteiligt oder durch Künstler*innen bei der individualisierten Gestaltung von Grundstücksabgrenzungen unterstützt. In Kunstprojekten mit Künstler*innen werden die Kinder in Planungs- und Umsetzungsprozesse involviert und haben so die Möglichkeit, ihre Ideen, Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche einzubringen. Kinder in die Umsetzungsprozesse von „Kunst am Bau“ mit einzubeziehen, kann dazu beitragen, eine aktive Verbindung zu ihrem Lebensumfeld aufzubauen und sich damit zu identifizieren. Als konkretes Beispiel kann hier das Grafittiprojekt am Tagesheim Pfeuferstraße benannt werden. Hierbei wurde eine Wand, die auf dem Schulweg der Kinder liegt, in Zusammenarbeit mit einem Grafittikünstler von den Schüler*innen des Tagesheims bunt gestaltet.
(…)
Der Stadtteilkoffer ist ein weiteres etabliertes Instrument, welches im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit dem Büro der Kinderbeauftragten im Stadtjugendamt, Kultur & Spielraum e.V., Kreisjugendring, Kleinkindertagesstätten e.V. und dem Städtischen Träger sowie einer breit angelegten Einbindung der Fachbasis aus Kindertageseinrichtungen in städtischer und freier Trägerschaft entwickelt wurde.
Im Oktober 2020 wurden 35 Stadtquartiere mit jeweils einem Koffer ausgestattet, die Koordination, Beratung und Begleitung erfolgt durch die Abteilung Pädagogik und Grundsatz beim Städtischen Träger. Mit dem Kita-Stadtteil-Koffer können bereits Kindergartenkinder ihren Stadtteil entdecken und für ein kinderfreundliches München aktiv werden. Der Kita-Stadtteil-Koffer ist gepackt mit spannendem Material rund um das Thema Stadt und mit Werkzeugen zum Erkunden, Forschen, Dokumen-
tieren und Bewerten. Zudem beinhaltet der Kita-Stadtteil-Koffer ein Begleitheft für Pädagog*innen mit Informationen, Methoden und Tipps, wie schon Kinder ab drei Jahren in die Stadtteilgestaltung einbezogen werden können.
(…)Dieses Angebot erfolgt in Kooperation mit dem Büro der Kinderbeauftragten im Stadtjugendamt, Kultur & Spielraum e.V., dem Städtischen Träger und dem jeweiligen Bezirksausschuss, siehe auch: https://www.kita-stadtteil-koffer.de.
(…)
Die Aufsicht wurde von der Bezirksinspektion München des Kreisverwaltungsreferats darauf hingewiesen, dass für Maßnahmen, die Einfluss auf das Stadtbild haben, wie bspw. Aufstellen von Bänken, Gestaltung von Geh-/Bürgersteigen rechtliche Rahmenbedingungen gelten (Richtlinien für Sondernutzungen an den öffentlichen Straßen der Landeshauptstadt München – Sondernutzungsrichtlinien SoNuRL).
Grundsätzlich ist das Referat für Bildung und Sport offen dafür, dass die Beteiligung von Kindern im sichtbaren Gestaltungsprozess verstetigt wird. Dies kann sowohl bei Neubauprojekten wie auch bei Bestandsprojekten im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten erfolgen.“
Im Hinblick auf weitere Mitmachaktionen und mögliche Rätsel- oder Geschichtenpfade in den Stadtvierteln oder auf Grünflächen teilt das von uns befragte Kulturreferat Folgendes mit:
„Die Koordinierungsstelle Kulturelle Bildung im Kulturreferat fördert im Bereich der Kulturellen Bildung Projekte, die sich im Bereich Bildung, Soziales und Kultur bewegen. In der Regel erfolgt diese Förderung projektbezogen und auf Antrag der Projektverantwortlichen. Interessierte können sich mit ihrer Projektidee und einem Finanzierungsplan an die Koordinierungsstelle wenden (https://www.musenkuss-muenchen.de/foerderung-kubi). Geförderte partizipative Beteiligungsprojekte aus 2021 und 2022, in denen Kinder im Stadtraum sichtbar wurden, waren z.B.:
-Culture Clouds e.V.: Straße OASE; Tanz die Invasion
-Kultur und Spielraum e.V.: KulturRadWeg; O.S.T. Soundwerkstatt 15,9 -Kreisjugendring München Stadt, Die Färberei: Graffitiprojekte mit Kindern an verschiedenen Orten der Stadt, u.a. der Brudermühlbrücke -Altenbach & Honsel: GUTE STUBE Erzählfestival mit Geschichten-Schnitzeljagd für Kinder durch das Stadtviertel
In 2019 war insbesondere eine dreijährige Förderung 2020-2022 mit einem Schwerpunkt ,Kulturelle Bildung und Teilhabe im öffentlichen Raum’ ausgeschrieben. (…)
Weiterhin können zu dieser Thematik Förderanträge im Kulturreferat gestellt werden.Zudem führt die Koordinierungsstelle Kulturelle Bildung in Kooperation mit dem Netzwerk Interaktiv einmal jährlich das ,Dialogforum Kulturelle Bildung‘ durch: Eine Qualifizierungsreihe, die sich mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten beschäftigt. Dieser lag 2021 auf den Potentialen der Kulturellen Bildung für den öffentlichen Raum. Von verschiedenen Seiten wurde diese Fragestellung beleuchtet, dabei wurden auch Projekte diskutiert, die den öffentlichen Raum als Erfahrungs- und Gestaltungsraum von Kindern und Jugendlichen begreifen. https://www.dialogforum-kubi.de/dialogforum-2021/ (…)“
Zur Gestaltung der Gehwege vor Kitas und Schulen teilt das Mobilitätsreferat Folgendes mit:
„Grundsätzlich bestehen von Seiten des Mobilitätsreferats keine rechtlichen Einwände gegen die im Antrag erbetene Sichtbarkeit von Kindern bzw. der damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten. Gleichwohl weisen wir in diesem Zusammenhang jedoch auf die nachfolgenden Aspekte hin, die es hierbei dringend zu beachten gilt:
-Durch eine evtl. farbige Gestaltung darf es keinesfalls zu einer möglichen Beeinträchtigung der Verkehrsführung, einer Veränderung der Einfärbung oder eine Abdeckung der Bestandsmarkierungen kommen. -Das Angebot der Aktionen bzw. das Spielverhalten ist in jedem Falle naturgemäß von den lokalen Örtlichkeiten abhängig und ist dementsprechend individuell anzupassen. Beeinflussungen sowohl für den ruhenden als auch den fließenden Rad- und Autoverkehr sowie für den Fußverkehr sind insofern zu vermeiden.
-Insbesondere bei etwaigen Spiel- und Mitmachaktionen ist stets auf eine weiterhin bestehende barrierefreie Nutzung des Gehwegs etwa auch für ältere und mobilitätseingeschränkte Personen zu achten. -Gerade Kinderspiel direkt an angrenzende Radwege, dem Parkraum sowie der Fahrbahn bringt nicht unwesentliche Verkehrssicherheitsrisiken mit sich und sollte daher grundsätzlich vermieden werden.
Letztendlich möchten wir an dieser Stelle auf die regelmäßig an unterschiedlichen Stellen im Stadtgebiet umgesetzten temporären Sommerstra-ßen, Parklets und Stadtterrassen, etc. aufmerksam machen, im Rahmen dessen ebenfalls Kinderspiel und eine farbige Gestaltung des öffentlichen Grunds möglich sind.“
Was Spielplätze angeht, werden vom Baureferat (Gartenbau) seit Jahren bei Neuplanungen Kinder und Jugendliche einbezogen und in der Regel vor dem Planungsstart Kinder- und Jugendbeteiligungen durchgeführt. ZumTeil werden mehrere Beteiligungen durchgeführt, welche unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Dabei wird versucht, deren spezielle Bedarfe zu ermitteln, im Sinne der Gendergerechtigkeit und Inklusion. Schon jetzt werden auf vielen Spielplätzen Belagsflächen, aber auch Mauern oder Teile von Spielgeräten mit mitgebrachter Kreide gestaltet und bemalt. Auf dem Spielplatz in der Kastelburgstraße in Aubing beispielsweise ist eine Kreidetafel aufgestellt, die die Kinder ausdrücklich einlädt, sie zu bemalen. Gerne wird die Anregung der Antragsteller*innen aufgegriffen und zukünftig das Angebot bemalbarer Flächen in den Beteiligungsverfahren zur Diskussion gestellt, um Bewusstsein für die Option des Bemalens von entsprechenden Flächen zu schaffen.
Im Fazit kann gesagt werden, dass gemäß den Ausführungen des Mobilitätsreferats grundsätzlich keine rechtlichen Einwände gegen die im Antrag erbetene Sichtbarmachung von Kindern im öffentlichen Raum besteht. Sowohl das Referat für Bildung und Sport als auch das Kulturreferat führen dazu an, dass diese Sichtbarmachung auf unterschiedliche Art und Weise bereits erfolgt. Das Baureferat (Gartenbau) wird die Möglichkeit bemalbarer Flächen auf Spielplätzen forciert anbieten.
Die vom RBS und vom Kulturreferat vorgestellten Projekte ermöglichen Kindern und Jugendlichen, die Stadt als Erfahrungsraum zu erleben, und sind deshalb aus unserer Sicht von der Zielsetzung her durchaus mit dem Berliner Projekt „Ich bin die Stadt“, in dem Schüler*innen auf vielfältige Weise im öffentlichen Raum intervenieren, vergleichbar.
Die Gleichstellungsstelle für Frauen (GSt) zeichnet das Antwortschreiben mit und begrüßt eine größere Sichtbarmachung und Nutzungspräsenz von Mädchen, Jungen und nicht-binären Kindern im öffentlichen Raum.
Die GSt verweist auf die kürzlich im Auftrag des Referates für Stadtplanung und Bauordnung veröffentliche Studie „Mensch im Mittelpunkt“, die u.a. zum Schluss kommt, dass Mädchen* und junge Frauen* sowie Jungen* und junge Männer* in der Nutzung öffentlicher Räume unterrepräsentiert sind. Aus Sicht der GSt werde aus den Stellungnahmen der Referate, die im Antwortschreiben dargestellt sind, deutlich, dass die Sichtbarkeit dieser Zielgruppen aktuell in erster Linie durch zeitlich begrenzte Projektierungen zur Bewegung im öffentlichen Raum oder zur Gestaltung von Mauern, Kunst am Bau - Projekten und Grundstücksabgrenzungen erzielt wird. Aus Perspektive der GSt sei anzustreben, Mädchen* und Jungen* dauerhaft über Aufenthalts- und Spiel-/Bewegungsoptionen in die Nutzung des öffentlichen Raums einzubinden, der nicht dezidiertals Spielfläche ausgewiesen ist. Im Hinblick auf den weiteren Flächennutzungsdruck und die daraus erwachsende – auch geschlechterbezogen erheblich wirksame – Nutzungskonkurrenz – sei es unverzichtbar, durch Flächen- und bauliche Gestaltung eine dauerhafte Nutzung des öffentlichen Raums für Mädchen, Jungen und für nicht-binäre Kinder zu ermöglichen und aktiv zu unterstützen.
Verbindlich einzusetzen seien in den dazu notwendigen planerischen und baulichen Prozessen aus Sicht der GSt die Handlungs- und Planungsempfehlungen für gendergerechte Spielraumgestaltung, die derzeit in Vorbereitung sind.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass der Antrag damit abschließend behandelt ist.